Das rätselhafte Findelkind Kaspar Hauser – SG #232
Heute erzähle ich dir die Geschichte von Kaspar Hauser. Ein junger
Mann taucht plötzlich in Nürnberg auf, am 26. Mai 1828. Er ist
ungefähr 16 Jahre alt. Der Junge wirkt geistig zurückgeblieben,
redet wenig und hat zwei Briefe in der Hand.
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vor 4 Jahren
Heute erzähle ich dir die Geschichte von Kaspar Hauser. Ein
junger Mann taucht plötzlich in Nürnberg auf, am 26. Mai 1828. Er
ist ungefähr 16 Jahre alt. Der Junge wirkt geistig
zurückgeblieben, redet wenig und hat zwei Briefe in der Hand. Er
sagt: Er möchte ein Reiter werden wie sein Vater.
Er wird zur Polizei gebracht. Wer ist er? Wo kommt er her? Er
spricht bayerischen Dialekt und hat eine Narbe von der
Pocken-Impfung. Also vermutet man, dass er aus Oberbayern kam.
Vielleicht aus Regensburg. Oder vielleicht auch aus Tirol, also
aus Österreich. Genauer wird man es nie erfahren. Man bittet ihn,
seinen Namen zu schreiben, und er schreibt: Kaspar Hauser.
In den Gesprächen erzählt er langsam mehr von sich. Er habe seine
Kindheit und Jugend in einem dunklen Verlies verbracht, das nur
mit Stroh ausgelegt war. Es sei sehr niedrig gewesen, er habe
dort kaum stehen können. Ernährt habe er sich nur von Wasser und
Brot. Andere Menschen habe er nie gesehen oder mit ihnen
gesprochen. Zur Beschäftigung habe er nur ein kleines Holzpferd
gehabt.
Saubergemacht wurden das Verlies und er selbst nur, wenn er
schlief. Er bekam es nie mit. Ein Eimer war seine Toilette.
Kaspar Hauser wird erstmal wieder eingesperrt, und zwar im
Gefängnisturm. Die Menschen machen Experimente mit ihm. Juristen,
Theologen und Pädagogen interessierten sich für ihn. Ein Lehrer,
sein Name ist Georg Friedrich Daumer, kümmert sich um ihn und
Kaspar Hauser fängt sehr schnell an, lesen und schreiben zu
lernen. Er beginnt zu malen und ist begabt. Er schreibt auch
Gedichte.
Die Leute beginnen zu spekulieren: Ist er vielleicht ein Prinz?
Ein Adeliger? Ein Thronerbe, den man loswerden wollte? Es wird
recherchiert, welche Adeligen um das Jahr 1812 ein Kind verloren
haben. Man wird fündig: In Baden soll ein adeliges Kind gestorben
sein. War es ausgetauscht worden? War Kaspar das Kind dieser
Adeligen, das mit einem kranken Kind vertauscht wurde? Das wäre
politisch möglich gewesen, weil dann eine andere Familie den
Thron geerbt hätte. Heute ist diese Theorie unwahrscheinlich.
Damals wurde sie aber so kontrovers diskutiert, dass sogar der
bayerische König seine Meinung dazu sagte.
Kaspar Hauser wird von den Menschen bestaunt, er wird „Das Kind
Europas“ genannt. Menschen reisen extra nach Nürnberg, um ihn zu
sehen. Es herrscht ein richtiger Hype um seine Person, würde man
heute sagen. In ganz Europa kennt man die Geschichte, die
Zeitungen berichten darüber.
Doch damals war es so wie heute: Jeder Hype hat seine Zeit.
Irgendwann ist er vorbei. Also interessieren sich nach einem Jahr
nicht mehr so viele Menschen für Kaspar Hauser. Aber dann wird er
plötzlich angegriffen. Die Waffe hinterlässt eine Wunde auf
seiner Stirn. So etwas ähnliches passiert später noch einmal,
dann sogar mit einer Pistole. Er wechselt die Familien, in denen
er lebt, nach diesen Angriffen. Zum Teil hat er sogar Bewacher,
Polizeischutz nennt man das. Und ein englischer Lord nimmt ihn
ebenfalls kurze Zeit unter seine Fittiche. Das Interesse an ihm
wächst wieder.
Und dann kommt das Jahr 1833. Er wird wieder von einem
angeblichen Attentäter mit einem Messer attackiert – drei Tage
später stirbt er an den Folgen. Es zeigt sich, dass alle drei
„Attentate“ wahrscheinlich von ihm selbst verübt wurden.
Vielleicht wollte er einfach wieder im Mittelpunkt stehen.
Was bleibt, sind die vielen Fragen, was die Prinzentheorie
angeht. 1996 wird mit modernsten Untersuchungsmethoden geforscht.
Kleidungsstücke von Kaspar Hauser werden untersucht, vor allem
ein Blutfleck, der auf einer Hose zu finden war. Eine DNA-Analyse
ergibt: Kaspar Hauser hatte nichts mit dem badischen Adelshaus zu
tun.
2002 ist die Technik noch ein bißchen weiter und wieder wird
geforscht. Diesmal nimmt man Haare und analysiert diese. Jetzt
kann man plötzlich nicht mehr ausschließen, dass Kaspar Hauser
mit dem Adelshaus Baden verwandt war. Viele Fragen bleiben offen.
Eine wirklich wissenschaftliche Untersuchung war das allerdings
nicht.
Ob adelig oder nicht – eine andere Theorie besagt, dass Kaspar
Hauser schlichtweg ein Scharlatan war. Vielleicht hat er alles
nur erfunden, um wichtig zu erscheinen? Um bei den Menschen
beliebt zu sein?
Mediziner jedenfalls zweifeln an der Geschichte. Nicht an der
Figur Kaspar Hauser selbst, diese ist historisch belegt. Aber zum
Beispiel an seiner Kindheit im Verlies und an der Ernährung mit
Wasser und Brot. Dann wäre er nicht so gesund und wohl genährt
gewesen.
War er vielleicht auch einfach psychisch krank? Es bleiben viele
Fragen offen. Und genau das macht natürlich die Faszination aus.
Es gibt Lieder, Filme, Bücher über Kaspar Hauser. Er ist ein
Mythos geworden. An der Stelle, an der er den Todesstich erlitt,
steht heute ein Gedenkstein. Darauf steht: Hier wurde ein
Geheimnisvoller auf geheimnisvolle Weise getötet.
Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg232kurz.pdf
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