Umschulung zum Fachinformatiker mit Jan Bauer – Anwendungsentwickler-Podcast #129
Ein interessantes Interview mit Jan Bauer, einem Experten für
Umschulungen im IT-Bereich, führe ich in der
einhundertneunundzwanzigsten Episode des
Anwendungsentwickler-Podcasts. Inhalt Allgemeines zur Person Wie
ist dein Name und wo arbeitest du?
1 Stunde 11 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 7 Jahren
Ein interessantes Interview mit Jan Bauer, einem Experten für
Umschulungen im IT-Bereich, führe ich in der
einhundertneunundzwanzigsten Episode des
Anwendungsentwickler-Podcasts.
Inhalt Allgemeines zur Person
Wie ist dein Name und wo arbeitest du?
Jan Bauer, 48 Jahre alt, Fachkraft für Aus- und
Weiterbildung beim Volkswagen-Bildungsinstitut.
Wir bilden Berufe aus, die VW braucht, insb. auch
Fachinformatiker.
Vorher war ich 9 Jahre als Dozent und Lernbegleiter tätig
in der Umschulung für mehrere IT-Berufe.
An welchen Projekten arbeitest du zur Zeit in deinem
Tagesjob?
Ich bin Ausbilder für Fachfinformatiker
Anwendungsentwicklung. Ich programmiere täglich, aber eher
kleine Projekte, da die Ausbildung im Vordergrund steht.
Wie bist du zur Informatik bzw. Softwareentwicklung gekommen?
Ich habe klassisch mit dem C64 begonnen, dann zum Amiga
gewechselt. Informatik war eher ein Hobby. Mein Studium habe
ich im Bereich Ingenieurswesen absolviert, aber viel nebenbei
in der IT gearbeitet.
Im Internetboom hatte ich keine Probleme, als
Quereinsteiger einen Job zu finden, und habe bei Lycos
gearbeitet. Dort habe ich viel gelernt und gute Jahre gehabt.
Aber dann ging die New Economy unter.
2006/2007 war es schwierig, ohne formale Ausbildung einen
Job zu bekommen und eine „normale“ Ausbildung war aufgrund
meines Alters schwierig.
Welche Ausbildung bzw. welches Studium hast du im Bereich der
Informatik absolviert?
Aus obigem Grund habe ich selbst eine Umschulung zum
Fachinformatiker Anwendungsentwicklung absolviert.
Aktuell studiere ich nebenbei Wirtschaftsinformatik.
Mit welcher/n Programmiersprache/n arbeitest du im Alltag?
C#
Was ist deine Lieblingsprogrammiersprache und warum?
C# ist sehr modern, aber ich mag auch PHP im privaten
Bereich.
Ich bin da sehr undogmatisch und finde es langweilig,
darüber zu diskutieren, welche Sprache die beste ist. Alle
Sprachen haben Stärken/Schwächen.
Umschulung zum Fachinformatiker
Warum hast du eine Umschulung absolviert?
Mir hat ein formaler Abschluss gefehlt.
Warum hast du dich für eine Umschulung entschieden und machst
nicht eine normale Ausbildung?
Mit Mitte 30 kam für mich eine normale Ausbildung nicht
in Frage.
Welche Arten der Umschulung gibt es?
Normale Ausbildung: Betrieb + Berufsschule.
Betriebliche Umschulung: Betrieb + Berufsschule, aber
Einstieg ins 2. Lehrjahr, da vorher Berufsausbildung
absolviert und Grundlagen bekannt sind.
Außerbetriebliche Umschulung: Bildungsträger (quasi wie
Berufsschule, der die Theorie vermittelt) + Praktikum im
Betrieb (6 Monate waren vorgegeben).
Welche Unterschiede gibt es zwischen Umschulung und
Ausbildung?
Umschüler haben oft keine Zwischenprüfung. Die
Berufsschule wird durch den Bildungsträger ersetzt. Die
Praxis im Unternehmen dauert oft nur 6 Monate. Es gibt
Bildungsträger, die Zwischenprüfungen machen (rein
freiwillig). Die Dauer des Praktikums ist abhängig davon, was
die örtliche Kammer vorschreibt. Es gibt durchaus auch
längere Praktika.
Wie lange dauert eine Umschulung?
Nicht pauschal zu sagen. Vollzeit dauert normalerweise 2
Jahre, aber es gibt auch Bildungsträger, die 2,5 Jahre
anbieten inkl. einiger Zertifikate.
Die vorhandene Förderung bestimmt die Dauer.
Bildungsgutscheine sind meist nur für 2 Jahre gültig.
Teilzeitumschulungen gibt es auch, z.B. 4 Stunden/Tag vor
Ort, dafür aber 3 Jahre lang.
Eine Umschulung dauert nicht exakt 24 Monate, sondern
einige Monate weniger, da nach der Prüfung Schluss ist.
Der genaue Ablauf kann sich je nach Bildungsträger
unterscheiden. Bei meinem Träger: 1 Jahr waren alle
Teilnehmer vor Ort für Schulungen und die Vermittlung von
Praxis. Ein guter Einstieg ins Praktikum sollte möglich sein.
Danach gab es ein halbes Jahr Praxis im Unternehmen und
danach kamen die Umschüler zurück zur Prüfungsvorbereitung
(6-8 Wochen vor der Prüfung) und zur Dokumentation der
Projektarbeit. Die Zeit bis zur mündlichen Prüfung haben wir
für das Üben der Präsentation usw. gebraucht.
Was hat der Bildungsträger davon?
Der Bildungsträger bekommt Geld dafür. Eine Umschulung
zum FIAE kostet ca. 20.000-30.000 EUR.
Wer bezahlt die Umschulung?
Der Kostenträger (z.B. Agentur für Arbeit, Jobcenter,
Rentenversicherung, Bundeswehr, Selbstzahler) bezahlt die
Bildungsträger und die Umschüler.
Wie findet man einen Praktikumsbetrieb?
Die Umschüler sollten sich selbst bewerben.
Eigeninitiative ist gefordert (und gewünscht).
Kontakte der Bildungsträger zu Unternehmen sind aber auch
vorhanden und helfen zur Not.
Was haben die Unternehmen davon, Umschüler zu beschäftigen?
Ein Umschüler ist für den Praktikumsbetrieb zunächst
kostenfrei. Der Bildungsträger übernimmt die
Sozialversicherung usw.
Unternehmen haben aber trotzdem Kosten durch Umschüler
(z.B. für den Ausbilder usw.).
Der Betrieb bekommt kein Geld für die Umschüler.
Ausblick auf potentielle Arbeitskraft ist hilfreich.
Wovon bestreitet ein Umschüler seinen Lebensunterhalt?
Der Kostenträger zahlt, z.B. Arbeitslosengeld 1 oder 2.
Wer macht allgemein eine Umschulung?
Menschen, die in ihrem alten Job nicht mehr arbeiten
können oder wollen.
Das muss aber gut begründet sein, da der Kostenträger
überzeugt werden muss.
Einige Umschüler werden auch durch ihre Berater in die
Umschulung bzw. gewisse Berufe gedrängt. Beispiel:
Intelligenter junger Mann, der aber keinerlei IT-Affinität
hatte, wurde zum FIAE angemeldet, weil das ein guter Job sei.
Wie viele Umschüler sitzen in einem Kurs?
Das schwankt extrem, da die Politik unterschiedlich stark
fördert. Üblicherweise haben wir 15-45 Leute im Jahrgang, von
denen die ITler nur einen Teil bilden, ca. 3-10 Leute.
Unterstützen die Dozenten die Umschüler gut? Wie sieht dein
Alltag als Umschüler aus?
Die meiste Zeit geht für die Vermittlung theoretischer
Inhalte drauf. Die sind für alle IT-Berufe gleich, da die
Rahmenlehrpläne zu großen Teilen gleich sind.
Die Praxis ist schwierig zu vermitteln, gerade für FISI
und FIAE. Da sind eigene Projekte nötig, um gut auszubilden.
Fallstudien helfen hier weiter.
Es besteht eine Art Lehrer-/Schüler-Verhältnis zwischen
Dozenten und Umschülern.
Es wird nicht komplett Frontalunterricht gemacht, sondern
eher Fallstudien bearbeitet. Auch Bücher zu lesen kann ein
Auftrag sein.
Virtuelle Klassenzimmer werden teils komplett ohne
Präsenzunterricht eingesetzt.
Die Bedürfnisse der Teilnehmer unterscheiden sich stark,
was ein großes Problem für viele Teilnehmer ist. Ein großer
Kritikpunkt an Umschulungen ist oft die schlechte Betreuung.
Braucht man viel eigene Motivation für die Umschulung?
Das ist sehr typabhängig. Grundsätzlich ist aber gerade
für FIAE viel intrinsische Motivation nötig, um vernünftig
programmieren zu lernen.
Was sind die Inhalte der Umschulung? Macht man in 2 Jahren
den Inhalt von 3 Ausbildungsjahren?
Ich habe mal ausgerechnet, dass wir ca. 2,5x so viel Zeit
für die Theorievermittlung in der Umschulung haben wie es
Stunden in der Berufsschule für die Ausbildung gibt. Und
vieles fällt weg: Deutsch, Ethik, Sport.
Die Theorienoten unserer Umschüler waren immer besser als
der IHK-Schnitt.
Aber die Praxis fehlte, die natürlich aber wichtig ist
für den späteren Job.
Meine Erwartung an angehende FIAEler ist daher, dass man
auch zuhause programmieren muss. Nicht weil das Pflicht ist,
sondern weil man es sonst nicht vernünftig lernt.
Wie bereitet man sich auf die Abschlussprüfung vor?
Übungsaufgaben habe ich auch zum Einstieg wie die
IHK-Aufgaben gestellt. Die Prüfungsvorbereitung war in die
Umschulung komplett integriert. Wir haben auch Aufgaben aus
der Zwischenprüfung verwendet.
Das Abschlussprojekt wird im Praktikum im Unternehmen
umgesetzt.
Nach der langen Praxisphase ist häufig viel Theoriewissen
wieder weg und muss neu aufgebaut werden kurz vor der
Prüfung.
Wie ist deine Einschätzung zur Anerkennung der Umschulung bei
Arbeitgebern?
Es gibt große Vorbehalte. Unsere „Königsdisziplin“ war,
direkt nach dem Praktikum einen festen Arbeitsplatz zu
bekommen.
6 Monate sind schon gut, um den Betrieb kennenzulernen,
z.B. ob man mit den Leuten klarkommt.
Ansprüche der Betriebe an die fachlichen Kenntnisse sind
gar nicht so hoch. Sie haben meist spezielle Anforderungen,
die man eh schwierig am Arbeitsmarkt bekommt.
Ein grundlegendes Verständnis ist wichtiger und auch der
Einsatz von verbreiteten Programmiersprachen.
Viel wichtiger ist auch die Motivation und weiter lernen
zu wollen. Auch persönlich und nicht nur durch Fortbildungen
des Arbeitgebers.
Arbeitgeber kennen sich allgemein nicht gut genug aus mit
Umschulungen. „Praktikum“ klingt für viele nach
Schülerpraktikum oder Bachelorarbeiten.
Wie können Ausbildungsunternehmen Umschüler unterstützen? Wie
viel Aufwand ist das?
Unternehmen sollten ausbildungsberechtigt sein und eine
normale Ausbildung anbieten. Umschüler sollten mit echten
Azubis zusammen ausgebildet werden. Sie sollten nicht als
Kaffeekocher „verbrannt“ werden.
Man sollte Umschüler betrachten wie neue Azubis, die von
der Schule kommen. Häufig ist wenig Vorwissen vorhanden.
Man muss Zeit investieren und kann den Umschüler dafür
aber auch zeitnah einsetzen.
Jeder Umschüler ist individuell zu behandeln. Manche
Umschüler haben kaum Motivation. Das kann aber auch bei
Azubis so sein.
Das Praktikum sollte man nicht falsch verstehen. Das ist
(!) die Ausbildung inkl. IHK-Projekt, das einen
entsprechenden Umfang haben muss.
Die Theorie muss nicht mehr vermittelt werden, da der
Bildungsträger das bereits komplett gemacht hat und meist
auch ein wenig Praxis.
Bildungsträger setzen auf unterschiedliche
Programmiersprachen, die dem Umschüler am besten helfen, also
z.B. nicht auf Nischensprachen wie COBOL.
Die Bildungsträger kratzen auch nur an der Oberfläche und
setzen z.B. keine spezifischen Frameworks ein. Es geht „nur“
um die Programmierung.
Betriebe können aber auf die Bildungsträger zugehen und
sich informieren. Das hilft beiden Seiten (z.B. kann ein
bestimmtes Framework im Theorieteil gelehrt werden).
Ist ein Coding-Bootcamp eine Alternative zur Umschulung?
In 3 Monaten Programmierer zu werden, finde ich sehr
sportlich.
3 Jahre Ausbildung sind eigentlich nur der Anfang, danach
ist man auch nur „Junior“. Für den Beruf ist viel Erfahrung
nötig.
Eric Schmidt meinte einmal, dass die Programmierung sich
gut mit Schach vergleichen lässt. Die Programmierung hat nur
3 grundlegende Bausteine (Sequenzen, Verzweigungen und
Schleifen), die man an einem Nachmittag lernen kann, genau
wie die Regeln beim Schachspiel. Aber trotzdem wird man
jahrelang brauchen, um richtig gut zu werden.
Aus- und Weiterbildung
Hast du Tipps zur Aus-/Weiterbildung für angehende
Softwareentwickler/-innen?
Google nutzen! StackOverflow nicht nur passiv einsetzen,
sondern auch aktiv Fragen stellen.
Gute Englischkenntnisse sind wichtig.
Was ist das letzte Fachbuch mit Bezug zur Programmierung, das
du selbst gelesen hast?
Ich lese aktuell eher wissenschaftliche Bücher für mein
Studium. Allgemein gefallen mir aber Bücher von O’Reilly, dem
Hanser-Verlag und Springer.
Was ist dein absolutes Lieblingsbuch mit Bezug zur
IT/Programmierung und warum?
Vor vielen Jahren habe ich mir schon den Balzert*
gekauft. Es gibt auch eine neue Auflage mit UML 2 und C#. Das
Buch ist für die normale Ausbildung eher nicht geeignet, da
es eher wissenschaftlich ist.
Welche Quellen kannst du für die Aus- und Weiterbildung im
Bereich Programmierung empfehlen und warum?
Man sollte Abstand nehmen von Büchern wie „Lerne
Programmiersprache X in 24 Stunden“ usw.
Die „Head First“-Reihe finde ich nicht so toll.
Schrödinger programmiert C#* hat meiner Meinung nach eine
gute Didaktik. Es ist spielerisch und nicht so trocken.
Wir haben in der Umschulung die Reihe vom Bildungsverlag
1 eingesetzt, aber die ist eher oberflächlich. Teils wichtige
Dinge werden sehr kurz erklärt, z.B. RAID komplett auf 3
Seiten, UML nur auf wenigen Seiten.
Hast du Tipps für Ausbilder/-innen im IT-Bereich?
Die Herausforderung ist die individuelle Arbeit mit dem
Menschen. Jeder braucht andere Hilfen.
Fachliche Inhalte sind eher unproblematisch, wir
unterrichten ja keine Raketenwissenschaft.
Man muss Menschen motivieren können.
Junge Leute zu unterrichten erfordert auch ein eigenes
Umdenken.
Abschluss
Wo können die Hörer mehr über dich erfahren bzw. dich
kontaktieren?
Ich freue mich über Mails mit irgendeinem Präfix vor
janbauer.de.
Literaturempfehlungen
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