Leukozyten-Endothelinteraktionen bei der globalen zerebralen Ischämie

Leukozyten-Endothelinteraktionen bei der globalen zerebralen Ischämie

Beschreibung

vor 21 Jahren
Die vorliegende Arbeit hat die Bedeutung von
Leukozyten-Endothelinteraktionen bei der globalen zerebralen
Ischämie zum Thema. Weiße Blutkörperchen besitzen ein enormes
pathophysiologisches Potenzial, das bei Überaktivierung oder
Fehlregulation für viele Symptome von Patienten mit entzündlichen
Erkrankungen und für den Untergang von Gewebe verantwortlich ist.
Leukozyten sind Mediatorzellen des sekundären Gewebeschadens bei
der Ischämie und nachfolgenden Reperfusion, wie für viele Organe
gezeigt wurde. Auch bei der globalen zerebralen Ischämie wird eine
pathogenetische Rolle von Leukozyten – bislang kontrovers –
diskutiert. Zahlreiche Befunde sind aus klinischen und
experimentellen Studien hervorgegangen, die sowohl für als auch
gegen eine Beteiligung von aktivierten Leukozyten am ischämischen
Hirnschaden sprechen. Die Bedeutung von
Leukozyten-Endothelinteraktionen und von Veränderungen der
zerebralen Mikrozirkulation sind in diesem Zusammenhang nach wie
vor nicht geklärt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war daher, das
Verhalten von Leukozyten und die zerebrale Mikrozirkulation bei der
globalen zerebralen Ischämie zu untersuchen, einschließlich der
morphologischen und funktionellen Auswirkungen von pathologischen
Veränderungen. Für diese Untersuchungen wurde erstmals ein
chronisches Modell der globalen zerebralen Ischämie mit
Mongolischen Wüstenrennmäusen etabliert, das die Quantifizierung
von Parametern der Mikrozirkulation, insbesondere von
Leukozyten-Endothelinteraktionen, ermöglichte, sowie von
funktionellen Defiziten und von Nervenzelluntergängen. Die
Präparation eines geschlossenen Schädelfensters mit Erhalt einer
intakten Dura mater und die einfache, wenig traumatische,
extrakranielle, reversible Unterbindung beider Halsschlagadern zur
Induktion der Ischämie erlaubte das Überleben der Versuchstiere.
Somit konnte die intravitale Fluoreszenzmikroskopie zur Analyse der
zerebralen Mikrozirkulation mit der Erhebung morphologischer
Parameter anhand histologischer Untersuchungen und von
funktionellen Defiziten bei denselben Versuchstieren unter
chronischen Bedingungen kombiniert werden. Die beidseitige,
15-minütige Karotisokklusion führte zur ausgeprägten Ischämie des
Großhirns gefolgt von einer, auch in anderen Untersuchungen
beschriebenen, typischen postischämischen Hyper- und verzögerten
Hypoperfusion des Gehirns. Diese Änderungen der Hirndurchblutung
konnten in enger Korrelation mit Laser-Doppler Fluxmetrie und
Bestimmung der arteriovenösen Transitzeit bestätigt werden. Die
einfache Berechnung der arteriovenösen Transitzeit wurde als
Verfahren validiert die regionale Durchblutung wiederholt und ohne
Traumatisierung durch Intravitalmikroskopie zu bestimmen. Die
globale zerebrale Ischämie führt zu einer eher kurzen Aktivierung
von Leukozyten-Endothelinteraktionen mit stetem Anstieg der Zahl
rollender und adhärenter Leukozyten in postkapillären Venolen in
der frühen Reperfusionsphase bis 3 Stunden nach dem Insult. Sechs
Stunden nach Reperfusionsbeginn nahm die Leukozytenaktivierung
wieder ab, nach 7 Stunden war sie auf das Niveau von Kontrolltieren
abgefallen. Die Aktivierung war unabhängig vom Status der
mikrovaskulären Perfusion; sie konnte in den histologischen
Schnitten mit Leukozyten-spezifischer Färbung auch in den tiefen,
parenchymatösen Strukturen nachgewiesen werden. Unter
Kontrollbedingungen fanden in den Hirngefäßen keine Interaktionen
von Leukozyten mit dem Endothel statt, eine weitere Beobachtung,
die wie der Erhalt der Blut-Hirnschrankenintegrität für die
Qualität des Modells spricht. Ein andauernder Verschluss von
Kapillaren durch Leukozyten – Plugging – konnte nicht beobachtet
werden. Ebenso wenig wurde eine Veränderung der Zahl perfundierter
Kapillaren in der postischämischen Phase gefunden, die
Kapillardichte blieb nach dem ischämischen Insult unverändert. Eine
globale Ischämie des Gehirns führt zu neurologischen Defiziten,
Änderungen des Verhaltens und zu einer Abnahme des Körpergewichts.
Vier Tage nach Insult wurde ein erheblicher Untergang von selektiv
vulnerablen Nervenzellen im Kortex, Hippocampus und Striatum
festgestellt, wobei das Ausmaß des Zellverlusts im Kortex mit dem
Auftreten der funktionellen Ausfälle korreliert war. Ein
statistischer Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der
Leukozytenaktivierung und des neurologischen Defizits oder dem
Verlust an Körpergewicht konnte nicht festgestellt werden.
Ebensowenig konnte bestätigt werden, dass vermehrtes Vorkommen von
Rollern und Stickern den ischämischen Gewebeschaden vergrößert. Im
Gegenteil – wider alle Erwartungen – war das Ausmaß der
Leukozytenaktivierung direkt proportional zur Anzahl überlebender
Neurone in vulnerablen Hirnarealen. Dieser Zusammenhang war als
Trend in fast allen Hirnarealen erkennbar und erreichte in einigen
sogar signifikantes Niveau. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit
zeigen, dass die globale zerebrale Ischämie
Leukozyten-Endothelinteraktionen aktiviert – allerdings nur
vorrübergehend. Eine Beteiligung der Leukozytenaktivierung an der
postischämischen Minderperfusion des Gehirns war nicht nachweisbar.
Die Ausgangshypothese, dass aktivierte Leukozyten den ischämischen
Hirnschaden verstärken, konnte nicht bestätigt werden. Das
Vorliegen eines statistischen Zusammenhangs zwischen dem Ausmaß der
Leukozytenaktivierung und der Zahl von überlebenden Nervenzellen
könnte neue Hypothesen generieren; z. B. könnten aktivierte
Leukozyten neuroprotektive Eigenschaften haben und/oder
regenerative Prozesse im postischämischen Gehirn unterstützen.
Zusammengefasst kommt es in diesem experimentellen Modell einer
globalen zerebralen Ischämie beim Gerbil zu einer transitorischen
Aktivierung von Leukozyten-Endothelinteraktionen, jedoch ohne dass
dadurch der sekundäre Hirnschaden verstärkt würde. Diese
Beobachtung ist neu – sie kann hierzu vorliegende widersprüchliche
Befunde über die Bedeutung von Leukozyten-Endothelinteraktionen bei
der globalen Ischämie besser verständlich machen.

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