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Reise-Journalismus in der DDR Hans-Peter Gaul über 35 Jahre CTOUR Entwicklung danach
10.08.2025
45 Minuten
Es ist sicher keines der üblichen Jahres-Jubiläen, wo man ganz einfach silbrige gestanzte Papier-Zahlen umkränzt von Ehrenlaub im Schreibwarenladen kaufen kann. Es ist nur eine aufsteigende Nummer. 35 Jahre sind West- und Ostdeutschland jetzt wieder vereinigt. Und, wenn alles so glatt gegangen wäre, wie es die erste Euphorie versprach zwischen der Mauer-Öffnung und der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, dann wäre es wirklich jedes Jahr auch außerhalb eines runden Jubiläums ein Datum der gemeinsamen Deutschland-weiten Freude, und kein etwas krampfiges, von oben verordnetes Fest in zumindest einem der Bundesländer. Leider fühlt es sich für viele aber so an, als ob das Fremdeln zwischen Ost und West noch nie so stark war, wie aktuell. Leider auch, und das interessiert uns an dieser Stelle ja besonders, im Tourismus. War man in den frühen 90er Jahren noch voller Hoffnung, dass all die Neuen Bundesländer mit ihren wirklichen landschaftlichen Schönheiten und der Weite als Urlaubsdestination par excellence würden punkten können (vielleicht nicht ganz freiwillig, da die nicht konkurrenzfähige produzierende Industrie ja weitgehend abgewickelt wurde), konstatieren heute in vielen Landstrichen die Touristiker eine gewisse Ernüchterung. Ja klar, es gibt die nach wie vor beliebte Ostsee-Küste. Die ist ein Selbstläufer, und brachte sogar die Erfolgs-verwöhnten Bayern in der Beliebtheitsskala der deutschen Urlaubsdestinationen zur Schnapp-Atmung. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass abseits der Leuchtturm-Regionen bereits 20 Kilometer landeinwärts und entfernt von den wenigen landschaftlichen oder kulturellen Highlights die Besucher immer noch weitgehend – aus touristischer Erwartungshaltung heraus – eine Service-Öde empfängt. Da ist viel Schwung aus der Anfangszeit verloren gegangen, und man hat sich innerlich wohl damit arrangiert, dass Besucher wenn, dann vor allem aus der Region kommen, und nicht von weit her. Mehr noch: Es gibt Landstriche außerhalb der Ballungsräume, die – man muss es leider klar sagen – mittlerweile Besuchern das Gefühl vermitteln, rechtsextremes Gedankengut sei salonfähig auf offener Strasse.  So etwas wirkt logischerweise abschreckend auf Urlauber.  Tourismus im Osten Deutschlands ist also leider nicht die Erfolgsstory, die man sich erhofft hat. Und damit auch kein dankbares Objekt für die, die professionell darüber berichten könnten. Vor allem also Menschen, die – da einheimisch – sich am besten auskennen vor Ort und wunderbare Geschichten entwickeln könnten.  Und trotzdem haben die Reisejournalistinnen und Journalisten aus der früheren DDR in diesem Herbst ein Datum, das sie aus Herzen feiern wollen. Etwas später als das offizielle Datum, am Samstag, 29. November 2025 ab 17 Uhr in der Bulgarischen Botschaft in Berlin, werden die 35 Jahre nach der Wiedervereinigung wirklich bejubelt: denn so lange existiert dann auch die Reisejournalisten-Vereinigung CTOUR, die sich aus den DDR-Berufszwängen mit der Gründung Ende November 1990 befreien wollte.. Am Anfang war der in Berlin von DDR-Journalist*innen gegründete weitestgehend regionale Club tatsächlich geradezu ein Selbstläufer. Endlich Reisefreiheit. Endlich Artikel aus aller Welt schreiben können, die nicht vor Veröffentlichung mit vielen „helfenden Hinweisen“ von oben auf Staatslinie gebracht wurden. Denn Reise zu DDR Zeiten durfte natürlich nicht zu träumerisch-verführerisch beschrieben werden, um keinen Kontrast zur Misswirtschaft des eigenen Landes herauszuarbeiten. Da waren schon „saftig-aromatische Tomaten“ in Bulgarien ein Grund zur Zensur.  Und auch die westlich dominierte Reise-Industrie war voller Wohlwollen gegenüber dem neuen Club. Seine Mitglieder brachten die frohe Kunde der weiten Welt schließlich – selbst permanent begeistert von der neuen Erfahrung – flächendeckend in die Neuen Bundesländer, wo man einen unheimlich hohen Reise-Nachholbedarf hatte. Win-Win. Ehrenpräsidenten unter sich… (li) Jürgen Drensek, VDRJ, Produzent von WAS MIT REISEN, (re) Hans-Peter Gaul, CTOUR Ich bin ja „von der anderen Seite“… Seit vielen Jahrzehnten im Vorstand der traditionellen bundesweiten Vereinigung der Deutschen Reisejournalisten (VDRJ), ein Jahrzehnt deren Vorsitzender und und jetzt Ehrenpräsident. Ich habe natürlich auch die Konflikte mitbekommen. Gerade am Anfang, als West-Journalisten sich schon ihren Ost-Kolleginnen gegenüber in der Berufsauffassung sehr überlegen fühlten. Und nicht selten ziemlich arrogant mit ihrer Weltgewandtheit kokettierten, die doch nötig sei, um authentisch berichten zu können. Es waren aus heutigem zeitlichen Abstand gesehen unnötige Hahnenkämpfe. Jeder hatte seine medialen Kunden mit ihren individuellen Ansprüchen. Und vielleicht war es so, dass der West-Leser eher das fein geschliffene, etwas philosophische Essay über eine wandernde Selbstfindung in den Bergen goutierte, während der Ost-Konsument sich mehr über handfeste Service-Ratgeber freute, wie man in Palma zur Kathedrale kommt und wo es einen günstigen Kaffee gibt… Der Köder muss schließlich dem Fisch schmecken, und nicht dem Angler. Nun, über die Jahrzehnte hinweg hat sich aus dem anfänglichen Fremdeln zwischen CTOUR und VDRJ ein freundliches Nebeneinander entwickelt. Den Umständen war es geschuldet. Denn die Goldenen Jahre im Tourismus und seinem Verhältnis generell gegenüber dem Journalismus sind vorbei. Zusätzlich zum Druck von Seiten der Medien, die entweder gar nicht mehr existieren (und damit kein Ort mehr sind, um journalistische Arbeiten überhaupt zu veröffentlichen), oder deren Honorarangebote mittlerweile ins absolut Unanständige abgestürzt sind. Alle Journalisten kämpfen also mit denselben Problemen. Das schweisst irgendwie zusammen. Ich, als Ehrenpräsident der „großen“ bundesweit agierenden VDJR, lebe und arbeite nun in Berlin. Nach wie vor dem Stammsitz von CTOUR, dessen Mitglieder bis heute weitestgehend aus Berlin und weit um Berlin herum kommen. So hat sich im Laufe der Jahre ein vertrauensvolles Verhältnis bei vielen Treffen ergeben. Und nach wie vor bin ich etwas neidisch, wie gut bei CTOUR der soziale Aspekt, nämlich das Vereinsleben mit realen Treffen funktioniert.  Vor allem mit Hans-Peter Gaul, dem Spiritus Rector und unermüdlichem Organisator aller Aktivitäten von CTOUR hat sich mit der Zeit eine wirkliche berufliche Freundschaft entwickelt. Nur durch Zuhören lernt man, Dinge besser einordnen zu können und Lebensläufe zu würdigen, die aus meiner westlichen Sozialisierung und beruflichen Prägung zunächst fremd und wenig attraktiv erschienen. Und so habe ich mich gefreut, dass Hans-Peter Gaul – mittlerweile auch Ehrenpräsident – nun zusagte, sich mit mir für den „Was mit Reisen“ Podcast, das erste Reiseradio in Deutschland, zu treffen und über die Vergangenheit zu plaudern, aus der heraus dann sein „Baby“ CTOUR entstehen konnte. Es wurde eine sehr interessante, journalistische Geschichtsstunde. Wenn Sie den Podcast hören möchten, bitte auf den PLAY Button oben im Titel-Bild klicken     Links CTOUR Der Beitrag Reise-Journalismus in der DDR Hans-Peter Gaul über 35 Jahre CTOUR Entwicklung danach erschien zuerst auf Was mit Reisen.
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Tourismus mag keine Kritik? Travelholics Podcast mit mir auf den VIR Innovationstagen 2025
03.07.2025
44 Minuten
Nach dem Sturm im Wasserglas nach der ZDF Insider Doku über die TUI hoffe ich einfach mal, dass man mir es abnimmt, Insider zu sein nach über 40 Jahren Reise-Fach-Journalismus – auch, wenn ich keinen falschen Bart trage oder eine mottige Perücke…  Ich  nehme als These bewusst diese eigentlich wirklich harmlose ZDF Sendung, weil sie aktuell so deutlich macht, wie Kritikunfähig die Branche geworden ist. OK, wir sind uns einig: das war kein Pulitzer-Preis-verdächtiger Journalismus. Dazu noch etwas reisserisch aufgemotzt. Wichtig ist nur: da war bis auf Nuancen nichts drin, das das Etikett „falsche Anschuldigungen“ rechtfertigen würde. Jeder, der im Tourismus arbeitet, weiss, dass alle gemachten Vorwürfe im Kern stimmen. Von daher kann sich eigentlich nur die TUI grämen, dass sie stellvertretend zum Watschen-August gemacht wurde. Als Marktführer sollte man so etwas aushalten. Was aber folgte, vor allem auf der Webseite der fvw, das hat mich schon umgehauen. Mit welchem Hass auf Medien da teilweise gekübelt wurde – Lumpenjournalismus, Schmierentheater, Gebühren Missbrauch, Journalisten-Bestrafung… Selbst die TUI gerierte sich als beleidigte Leberwurst und raunte etwas von angeblichen Insidern, die für ihre Aussagen honoriert worden seien. Was natürlich Quatsch ist, wie das ZDF mittlerweile klargestellt hat. Und dann gab es im Pressetext der TUI die „richtigen Antworten“ – die in der Regel aber nichts anderes waren, als PR-Geschwurbel ohne Fakten-Basis. Bei der fvw gab es eine Umfrage. Und nur etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer war der Ansicht, so etwas müsse sich die Reisebranche gefallen lassen. Die andere Hälfte fand es ganz unmöglich, obwohl sie fachlich wissen, dass die Vorwürfe nicht aus der Luft gegriffen waren. Wie kann es sein, dass das weltweit führende Kreuzfahrt-Unternehmen Carnival auf eine berechtigte Video-Kritik von zwei britischen Cruise-Vloggern nicht souverän reagiert mit dem Eingeständnis, dass ihr Produkt einfach zum Zeitpunkt der Aufnahmen schlecht war (und sich bei den Kunden entschuldigt)… – sondern vielmehr lapidar ohne weitere Erläuterung die beiden Überbringer der schlechten Nachricht fünf Jahre von sämtlichen Schiffen der gesamten Gruppe verbannen will?! Mittlerweile merkt man auch bei Carnival, dass man mit dieser Strafaktion mächtig ins Klo (offenbar eben sehr ungereinigt auf manchen Schiffen) gegriffen hat, und versucht nach massivem Protest Schadensbegrenzung. Wie kann es so weit kommen? Der Versuch eines Rückfalls in finstere Zensur-Zeiten, weil Trump und Co es schließlich vormachen, wie man mit den „Feinden des Volkes“ umzugehen hat? Das war mein Ansatz, als mich Michael Buller bat, bei den VIR Innovationstagen in einem Journalistenpanel den Blick von außen auf die Branche zu wagen: ist das gerechtfertigt, dass Touristiker sich benehmen, wie eine hysterische Diva, sobald es eine negative Kritik gibt? Und warum ist die Branche der Profi-Gastgeber so unentspannt geworden? Zusammen mit den beiden Kollegen Tom Nebe von der dpa und Mauritius Kloft von t-online stelle ich mich den Fragen von Roman Borch, der unsere Podiumsdiskussion auch gleich für seinen travelholics Podcast live vor Publikum aufgezeichnet hat.   Um den Podcast zu hören, bitte auf das KOPFHÖRER Symbol oben im Foto klicken. Der Beitrag Tourismus mag keine Kritik? Travelholics Podcast mit mir auf den VIR Innovationstagen 2025 erschien zuerst auf Was mit Reisen.
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Ich muss zuversichtlich bleiben Michael Müller über Zukunft der Reiseführer
16.02.2025
23 Minuten
  https://wasmitreisen.com/wp-content/uploads/2020/03/Reiseradio-mit-Michael-Mueller-final-20230216.mp3   Ein Gespräch mit Michael Müller. Beim Namen allein klingeln jetzt bei Ihnen vielleicht noch nicht die Erkenntnisse. Aber wenn ich dazu sage: ich unterhalte mich mit dem Reisebuch-Verleger Michael Müller, dann ist das sicher ganz anders. Seit 1977 gibt es seine Reiseführer, die für viele, die individuell unterwegs sein wollen, so etwas, wie die Backpacker Bibeln sind. Das erste Büchlein, das Michael Müller über sein geliebtes Portugal schrieb, wurde noch auf einer Kugelkopf-Schreibmaschine getippt und hatte selbst gemalte Karten drin zur Orientierung.  Davon sind die Reiseführer heute, mittlerweile über 250, natürlich Universen entfernt. Und sie bieten Information und Inspiration auch für diejenigen, die pauschal an einen Urlaubsort gelangen. Aber dort mehr entdecken möchten, als die All-Inklusive Ferienanlage am Strand. Die Mitglieder der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten VDRJ haben bei Ihrer letzten Hauptversammlung in geheimer Abstimmung entschieden, Michael Müller für sein Lebenswerk, aber auch für seine Neugierde, neue digitale Formen für zukunftsfähige Reiseführer zu entwickeln, den Ehrenpreis für herausragende Verdienste um den Tourismus anzutragen. Reisebuch-Verleger Michael Müller (li) mit VDRJ-Ehrenpräsident Jürgen Drensek – Foto Marina Noble Bei der Preisverleihung in Erlangen, am Sitz des Verlages, hatte ich Gelegenheit, mit dem rührigen Verleger dieses Gespräch für das Reiseradio zu führen.   Bitte mit Klick auf den Player den Reiseradio-Podcast starten   Hintergrund zum Ehrenpreisträger Michael Müller Laudatio von Marina Noble auf Michael Müller     Der Beitrag Ich muss zuversichtlich bleiben Michael Müller über Zukunft der Reiseführer erschien zuerst auf Was mit Reisen.
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Pauschal gesagt: gute Reise Interview mit DRV-Präsident Norbert Fiebig
10.10.2024
21 Minuten
Die beruhigendste Vision für die Reisebranche kam auf dem Hauptstadt-Kongress des DRV ausgerechnet von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er sei sich sicher: immer mehr Deutsche würden in Zukunft reisen. Hört sich erst mal harmlos an. Was man eben so an Nettigkeiten sagt, wenn man auf einem Branchentreffen spricht.  Aber mit so einer Aussage müsste der Vize-Kanzler sicher derzeit bei etlichen anderen Branchen vorsichtig sein. Immer mehr Menschen werden in Zukunft deutsche Autos kaufen? Eher nein. Immer mehr Menschen werden in Zukunft hochpräzise, mechanische deutsche Industriegüter erwerben..? No! Zahnräder und Co haben den Zenit des Sexy-seins schon längst überschritten… So, wie fast alles, was in heimischen Fabriken leider zu hohen Preisen gefertigt werden muss.  Die Wirtschaft der Zukunft wird sich auch in Deutschland immer mehr verschieben vom Blaumann und dem Schraubenschlüssel, hin zur Dienstleistung. Und Tourismus ist in Deutschland nun mal die Dienstleistungs-Branche schlechthin; auch bei der Zahl der Beschäftigten. Für Habeck ist das Reisen eine gewünschte politische Kraft. Nicht nur eine Kraft-Quelle. Ohne Reisen sei eine moderne Welt für ihn nicht mehr vorstellbar. Das Reisen sei geradezu der Gegenentwurf zu Krieg, kulturellem Missverständnis und aggressiven Vorurteilen.  Und doch findet diese organisierte Landverschickung nicht in einer vor der realen Welt schützenden Blase statt. Die Reise-Industrie wird seit Jahren extrem gebeutelt durch äußere Einflüsse. Waffen-Konflikte, Terrorismus, Klima-Katastrophen, Pandemien und – selbst verursacht – Over-Tourism, der die Freude vor Ort verdirbt. Und mehr noch. Sie sieht ihr Geschäftsmodell permanent missverstanden in der bürokratischen Regulierungswut seitens Brüssel. Stichwort: Fragwürdige Überarbeitung der Pauschalreise-Richtlinie, gewollte Ausdehnung des kompletten Verbraucher-Schutzes auch auf Einzel-Leistungen, hemmende, nicht effektive Verordnungen und Gebühren-Belastungen, die die Wettbewerbsfähigkeit angreifen gegenüber Playern aus den nicht-europäischen Ausland. Das ist die aktuelle Gemengelage. Ja, man ist selbst erstaunt darüber, dass die Menschen in einem Maße Urlaub machen, wie man es sich vor einem Jahr nicht erhoffen wollte angesichts der prognostizierten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen. Rahmen-Bedingungen. Der unbedingte  Reisewunsch scheint einfach in der DNA der Deutschen zu liegen.  Aber ist er resilient, wenn die Gesamt-Situation sich weiter eher negativ entwickelt? Da ist auch Norbert Fiebig, der Präsident des Deutschen Reise Verbandes, eher vorsichtig zurückhaltend. Mit ihm unterhielt ich mich am Rande des Kongresses in Berlin. Den Podcast hören Sie nach Klick auf den PLAY Button im Titelbild. Der Beitrag Pauschal gesagt: gute Reise Interview mit DRV-Präsident Norbert Fiebig erschien zuerst auf Was mit Reisen.
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Blind sehend durch die Welt VDRJ-Ehrenpreis an Reise-Journalist Ammann
23.02.2024
21 Minuten
Ich muss zugeben, ich hatte schon ein mulmiges Gefühl bei der Vorbereitung dieses Reiseradio-Podcasts. Ein Gespräch mit einem Kollegen über die empfundene Qualität des Reisejournalismus ist ja eh eine heikle Angelegenheit. Denn wer ist schon selbst frei von Fehlern? Aber bei Christoph Ammann, meinem Gesprächspartner aus der Schweiz, kommt noch ein Faktor hinzu, der geradezu unglaublich klingt: Christoph verlor 2011 sein Augenlicht, und ist seitdem ein blinder Reisejournalist. Geht das überhaupt?  Wie sollen wir für unsere Leser, Hörer oder Zuschauer die Welt entdecken, als Vor-Reiser, als kompetente Berater und seriöse Reisebegleiter, wenn wir sie nicht sehen, sondern uns auf unsere anderen Sinne beschränken müssen? Für mich als hauptberuflichen Filmer natürlich eine unmögliche Vorstellung. Eine solche Diagnose hätte bei mir zwangsläufig das berufliche Ende bedeutet. Aber je mehr ich mich mit der Situation auseinander setzte – was würde ich denn als schreibender Journalist tun? – desto mehr Chancen erkannte ich für spannende Zeilen.  Wir können uns zum Beispiel an Gerüche viel länger und viel intensiver erinnern, als an jedes Bild. Wie würde ich einen Markt in Indien mit all seinen Düften und dem Geschnatter drumherum beschreiben? Und würde das nicht viel intensiver, als das Formulieren der visuellen Wuseligkeit? Was passiert mit uns an der Küste, an einem Hafen? Salzluft, Tang, Algen, die Brandung im Sturm, die das Gesicht kribbeln lässt? Und schnell merkte ich, dass das, was zunächst als ein Ding der Unmöglichkeit scheint, als Reisejournalist blind zu sein, auch zu ganz intensiven Erlebnissen für meine Leser führen könnte. Mal abgesehen davon, dass Reisejournalismus ja viel mehr Facetten hat, als „nur“ die Beschreibung einer Destination. So, wie ich in meinem Reiseradio der Fachjournalist bin in den Gesprächen mit den Movern & Shakern der Touristik, kann man die touristische Welt auch wunderbar durch Begegnungen mit Menschen und ihren Geschichten erzählen.  Also verwandelte sich die Mulmigkeit vor dem Gespräch mit Christoph, mit meinen Fragen vielleicht mühsam unterdrückte Wunden aufzureissen, in neugierige Erwartung.   Ehrenpreis-Träger Christoph Ammann im Gespräch mit VDRJ-Ehrenpräsident Jürgen Drensek (Foto Marina Noble) Und warum das Gespräch ausgerechnet jetzt, wo die Erblindung doch bereits 2011 erfolgte? Die Vereinigung Deutscher Reisejournalisten, VDRJ, deren Ehrenpräsident ich sein darf, wählt jedes Jahr in einer geheimen Abstimmung eine Persönlichkeit, der der Columbus Ehrenpreis für herausragende Leistungen im Tourismus verliehen wird. In der Regel sind es bedeutende Touristiker*innen, die in den vergangenen Jahrzehnten Großes geleistet haben für die Reisefreiheit.  Dieses Jahr wollten die Mitglieder der VDRJ aber ein Zeichen setzen, vor dem Hintergrund des Sterbens so vieler Print-Reiseredaktionen, dass es eben auch bei allen neuen Buchungswegen und dem vermeintlich grenzenlosen Informationsangebot in der Vorbereitung einer Reise wichtiger ist, denn je, dass die Reisenden verlässliche, professionelle, journalistisch-fundiierte Einordnungen und Inspirationen erhalten können. Noch nie war das, angesichts all der Pseudo-Information und Instagramisierung der Urlaubswelt – aka Schleichwerbung – in den Sozialen Medien so wertvoll wie heute. https://wasmitreisen.com/wp-content/uploads/2020/03/Christoph-Ammann-VDRJ-Ehrenpreistraeger-2024-Reiseradio-Podcast.mp3 Um den Podcast mit Christoph Ammann zu hören, bitte hier auf PLAY klicken Informationen zum Preisträger Christoph Amman: Begründung der Verleihung des VDRJ Ehrenpreises 2024 Interview von Marina Noble mit dem Preisträger     Check Information Inspiration Gesprächsführung Hörvergnügen Leserwertung2 Bewertungen 4.6 Der Beitrag Blind sehend durch die Welt VDRJ-Ehrenpreis an Reise-Journalist Ammann erschien zuerst auf Was mit Reisen.
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