Reise-Journalismus in der DDR Hans-Peter Gaul über 35 Jahre CTOUR Entwicklung danach
Es ist sicher keines der üblichen Jahres-Jubiläen, wo man ganz
einfach silbrige gestanzte Papier-Zahlen umkränzt von Ehrenlaub im
Schreibwarenladen kaufen kann. Es ist nur eine aufsteigende Nummer.
35 Jahre sind West- und Ostdeutschland jetzt wieder ve...
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vor 3 Monaten
Es ist sicher keines der üblichen Jahres-Jubiläen, wo man ganz
einfach silbrige gestanzte Papier-Zahlen umkränzt von Ehrenlaub
im Schreibwarenladen kaufen kann. Es ist nur eine aufsteigende
Nummer. 35 Jahre sind West- und Ostdeutschland jetzt wieder
vereinigt. Und, wenn alles so glatt gegangen wäre, wie es die
erste Euphorie versprach zwischen der Mauer-Öffnung und der
Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, dann wäre es wirklich jedes
Jahr auch außerhalb eines runden Jubiläums ein Datum der
gemeinsamen Deutschland-weiten Freude, und kein etwas krampfiges,
von oben verordnetes Fest in zumindest einem der Bundesländer.
Leider fühlt es sich für viele aber so an, als ob das Fremdeln
zwischen Ost und West noch nie so stark war, wie aktuell. Leider
auch, und das interessiert uns an dieser Stelle ja besonders, im
Tourismus. War man in den frühen 90er Jahren noch voller
Hoffnung, dass all die Neuen Bundesländer mit ihren wirklichen
landschaftlichen Schönheiten und der Weite als Urlaubsdestination
par excellence würden punkten können (vielleicht nicht ganz
freiwillig, da die nicht konkurrenzfähige produzierende Industrie
ja weitgehend abgewickelt wurde), konstatieren heute in vielen
Landstrichen die Touristiker eine gewisse Ernüchterung. Ja klar,
es gibt die nach wie vor beliebte Ostsee-Küste. Die ist ein
Selbstläufer, und brachte sogar die Erfolgs-verwöhnten Bayern in
der Beliebtheitsskala der deutschen Urlaubsdestinationen zur
Schnapp-Atmung. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass abseits der
Leuchtturm-Regionen bereits 20 Kilometer landeinwärts und
entfernt von den wenigen landschaftlichen oder kulturellen
Highlights die Besucher immer noch weitgehend – aus touristischer
Erwartungshaltung heraus – eine Service-Öde empfängt. Da ist viel
Schwung aus der Anfangszeit verloren gegangen, und man hat sich
innerlich wohl damit arrangiert, dass Besucher wenn, dann vor
allem aus der Region kommen, und nicht von weit her. Mehr noch:
Es gibt Landstriche außerhalb der Ballungsräume, die – man muss
es leider klar sagen – mittlerweile Besuchern das Gefühl
vermitteln, rechtsextremes Gedankengut sei salonfähig auf offener
Strasse. So etwas wirkt logischerweise abschreckend auf
Urlauber.
Tourismus im Osten Deutschlands ist also leider nicht die
Erfolgsstory, die man sich erhofft hat. Und damit auch kein
dankbares Objekt für die, die professionell darüber berichten
könnten. Vor allem also Menschen, die – da einheimisch – sich am
besten auskennen vor Ort und wunderbare Geschichten entwickeln
könnten.
Und trotzdem haben die Reisejournalistinnen und Journalisten aus
der früheren DDR in diesem Herbst ein Datum, das sie aus Herzen
feiern wollen. Etwas später als das offizielle Datum, am
Samstag, 29. November 2025 ab 17 Uhr in der Bulgarischen
Botschaft in Berlin, werden die 35 Jahre nach der
Wiedervereinigung wirklich bejubelt: denn so lange existiert dann
auch die Reisejournalisten-Vereinigung CTOUR, die sich aus den
DDR-Berufszwängen mit der Gründung Ende November 1990 befreien
wollte..
Am Anfang war der in Berlin von DDR-Journalist*innen gegründete
weitestgehend regionale Club tatsächlich geradezu ein
Selbstläufer. Endlich Reisefreiheit. Endlich Artikel aus aller
Welt schreiben können, die nicht vor Veröffentlichung mit vielen
„helfenden Hinweisen“ von oben auf Staatslinie gebracht wurden.
Denn Reise zu DDR Zeiten durfte natürlich nicht zu
träumerisch-verführerisch beschrieben werden, um keinen Kontrast
zur Misswirtschaft des eigenen Landes herauszuarbeiten. Da waren
schon „saftig-aromatische Tomaten“ in Bulgarien ein Grund zur
Zensur.
Und auch die westlich dominierte Reise-Industrie war voller
Wohlwollen gegenüber dem neuen Club. Seine Mitglieder brachten
die frohe Kunde der weiten Welt schließlich – selbst permanent
begeistert von der neuen Erfahrung – flächendeckend in die Neuen
Bundesländer, wo man einen unheimlich hohen Reise-Nachholbedarf
hatte. Win-Win.
Ehrenpräsidenten unter sich… (li) Jürgen Drensek, VDRJ,
Produzent von WAS MIT REISEN, (re) Hans-Peter Gaul, CTOUR
Ich bin ja „von der anderen Seite“… Seit vielen Jahrzehnten im
Vorstand der traditionellen bundesweiten Vereinigung der
Deutschen Reisejournalisten (VDRJ), ein Jahrzehnt deren
Vorsitzender und und jetzt Ehrenpräsident. Ich habe natürlich
auch die Konflikte mitbekommen. Gerade am Anfang, als
West-Journalisten sich schon ihren Ost-Kolleginnen gegenüber in
der Berufsauffassung sehr überlegen fühlten. Und nicht selten
ziemlich arrogant mit ihrer Weltgewandtheit kokettierten, die
doch nötig sei, um authentisch berichten zu können. Es waren aus
heutigem zeitlichen Abstand gesehen unnötige Hahnenkämpfe. Jeder
hatte seine medialen Kunden mit ihren individuellen Ansprüchen.
Und vielleicht war es so, dass der West-Leser eher das fein
geschliffene, etwas philosophische Essay über eine wandernde
Selbstfindung in den Bergen goutierte, während der Ost-Konsument
sich mehr über handfeste Service-Ratgeber freute, wie man in
Palma zur Kathedrale kommt und wo es einen günstigen Kaffee gibt…
Der Köder muss schließlich dem Fisch schmecken, und nicht dem
Angler.
Nun, über die Jahrzehnte hinweg hat sich aus dem anfänglichen
Fremdeln zwischen CTOUR und VDRJ ein freundliches Nebeneinander
entwickelt. Den Umständen war es geschuldet. Denn die Goldenen
Jahre im Tourismus und seinem Verhältnis generell gegenüber dem
Journalismus sind vorbei. Zusätzlich zum Druck von Seiten der
Medien, die entweder gar nicht mehr existieren (und damit kein
Ort mehr sind, um journalistische Arbeiten überhaupt zu
veröffentlichen), oder deren Honorarangebote mittlerweile ins
absolut Unanständige abgestürzt sind. Alle Journalisten kämpfen
also mit denselben Problemen. Das schweisst irgendwie zusammen.
Ich, als Ehrenpräsident der „großen“ bundesweit agierenden VDJR,
lebe und arbeite nun in Berlin. Nach wie vor dem Stammsitz von
CTOUR, dessen Mitglieder bis heute weitestgehend aus Berlin und
weit um Berlin herum kommen. So hat sich im Laufe der Jahre ein
vertrauensvolles Verhältnis bei vielen Treffen ergeben. Und nach
wie vor bin ich etwas neidisch, wie gut bei CTOUR der soziale
Aspekt, nämlich das Vereinsleben mit realen Treffen
funktioniert.
Vor allem mit Hans-Peter Gaul, dem Spiritus Rector und
unermüdlichem Organisator aller Aktivitäten von CTOUR hat sich
mit der Zeit eine wirkliche berufliche Freundschaft entwickelt.
Nur durch Zuhören lernt man, Dinge besser einordnen zu können und
Lebensläufe zu würdigen, die aus meiner westlichen Sozialisierung
und beruflichen Prägung zunächst fremd und wenig attraktiv
erschienen.
Und so habe ich mich gefreut, dass Hans-Peter Gaul – mittlerweile
auch Ehrenpräsident – nun zusagte, sich mit mir für den „Was mit
Reisen“ Podcast, das erste Reiseradio in Deutschland, zu treffen
und über die Vergangenheit zu plaudern, aus der heraus dann sein
„Baby“ CTOUR entstehen konnte. Es wurde eine sehr interessante,
journalistische Geschichtsstunde.
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