Die Justiz in Deutschland – SG 313
13 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Tag
Mit Anfang 20 habe ich bei einer Zeitung gearbeitet. Eine meiner
Aufgaben war es, über Gerichtsverfahren zu berichten. Ich bin
also zum Amtsgericht gegangen, habe mich in eine Verhandlung
gesetzt und zugehört. Danach habe ich darüber einen Artikel
geschrieben. Ich fand diese Termine immer besonders interessant.
Wieso begehen Menschen Straftaten? Was bringt sie dazu? Heute
geht es also um die Justiz in Deutschland.
Die Justiz in Deutschland kümmert sich um Recht und
Gerechtigkeit. Sie soll dafür sorgen, dass Konflikte friedlich
gelöst werden und dass sich alle an die Gesetze halten. Trotzdem
besteht die Justiz nicht nur aus strengen Richtern, sondern aus
vielen verschiedenen Personen mit unterschiedlichen Aufgaben.
Zunächst mal ein Blick zurück. Schon sehr früh in der Geschichte
gab es in den deutschen Gebieten Regeln und Gerichte. Im
Mittelalter hatten Könige, Fürsten und Städte ihre eigenen
Gerichte. Oft war Recht damals nicht gleich Recht. Arme Menschen
hatten schlechtere Chancen als reiche. Manchmal entschieden auch
Aberglaube oder Macht über Schuld oder Unschuld. Es gab zum
Beispiel Gottesurteile. Dabei musste eine Person eine schwere
Prüfung bestehen, etwa über glühende Kohlen laufen. Überlebte
sie, galt sie als unschuldig. Aus heutiger Sicht wirkt das sehr
grausam und unfair.
Im 19. Jahrhundert änderte sich vieles. Es entstanden moderne
Gesetze, und der Staat übernahm mehr Verantwortung. Nach der
Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 wurden viele Regeln
vereinheitlicht. Gerichte arbeiteten nach festen Verfahren, und
Urteile sollten besser begründet sein. In der Zeit des
Nationalsozialismus wurden Gerichte missbraucht. Viele Richter
folgten der Politik und sprachen ungerechte Urteile. Nach dem
Zweiten Weltkrieg war deshalb klar: Eine neue, unabhängige Justiz
ist sehr wichtig.
Heute basiert die Justiz in Deutschland auf dem Grundgesetz.
Darin steht, dass alle Menschen gleich sind vor dem Gesetz.
Richter sind unabhängig. Das bedeutet, sie dürfen keine Befehle
von der Politik annehmen. Sie sollen nur nach dem Gesetz und nach
ihrem Gewissen entscheiden. Das ist ein zentraler Gedanke des
Rechtsstaates.
In einem Gerichtsverfahren gibt es verschiedene Rollen. Der
Richter oder die Richterin leitet die Verhandlung und spricht am
Ende das Urteil. Richter haben lange studiert und eine spezielle
Ausbildung gemacht. Sie sollen ruhig bleiben und beide Seiten
anhören. In manchen Verfahren sitzen neben dem Richter auch
Schöffen. Schöffen sind normale Bürgerinnen und Bürger ohne
Jura-Studium. Sie bringen die Sicht der Gesellschaft ein und
entscheiden gemeinsam mit dem Richter. Schöffen machen das
ehrenamtlich, also ohne Geld dafür zu bekommen. Sie werden für
fünf Jahre gewählt. Warum es sie gibt, steht im Grundgesetz. Dort
heißt es: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Also darf
das Volk – in diesem Fall vertreten durch einzelne Menschen –
auch mitentscheiden.
Welche Personen gibt es noch im Gerichtssaal? Der Staatsanwalt
vertritt den Staat. Er ermittelt bei Verdacht auf eine Straftat
und bringt den Fall vor Gericht. Oft nennt man ihn auch
„Ankläger“. Er soll nicht nur belastende, sondern auch
entlastende Fakten suchen. In Filmen wirkt der Staatsanwalt
manchmal sehr aggressiv, aber in Wirklichkeit hat er eine
sachliche Aufgabe. Er soll helfen, die Wahrheit zu finden.
Der Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin vertritt eine Partei.
Das kann der Angeklagte sein oder auch ein Opfer. Anwälte beraten
ihre Mandanten, erklären das Gesetz und sprechen vor Gericht für
sie. Manchmal versuchen sie, einen guten Vergleich zu finden,
damit es gar nicht zu einem langen Prozess kommt. In Deutschland
darf jeder Beschuldigte einen Anwalt haben. Das ist ein wichtiges
Recht. Wenn jemand kein Geld hat, kann er unter bestimmten
Bedingungen Hilfe bekommen.
Dann gibt es natürlich noch Zeugen. Die Zeugen sind Menschen, die
die Tat gesehen haben oder den Angeklagten gut kennen. Sie dürfen
nicht lügen und müssen alle Fragen korrekt beantworten.
Allerdings wurde wissenschaftlich gezeigt, dass man den Aussagen
von Zeugen nicht immer vertrauen kann. Gerade was das Aussehen
eines Täters angeht, spielt uns da das Gedächtnis manchmal einen
Streich.
Es gibt übrigens verschiedene Arten von Gerichten. Strafgerichte
beschäftigen sich mit Straftaten wie Diebstahl oder Betrug.
Zivilgerichte entscheiden bei Streit über Verträge, Geld oder
Nachbarschaftsprobleme. Verwaltungsgerichte befassen sich mit
Konflikten zwischen Bürgern und dem Staat, zum Beispiel bei
Bauprojekten.
Machen wir es noch genauer. Fangen wir an beim Zivilrecht. Das
sind also Streitigkeiten unter Bürgern. Zum Beispiel nach einem
Verkehrsunfall oder bei einem Streit unter Nachbarn. Ich war
damals bei der Zeitung wie gesagt am Amtsgericht. Das Amtsgericht
ist zuständig für Streitigkeiten mit einem Wert bis 5000 Euro.
Beim Landgericht geht es um Fälle über 5000 Euro Streitwert. Zwei
höhere Instanzen sorgen dann für Überprüfungen oder Beschwerden.
Dann gibt es noch Strafverfahren. Da geht es also nicht um
Streitigkeiten, sondern zum Beispiel darum, dass die Polizei
einen Täter gefasst hat. Zum Beispiel einen Einbrecher.
Die Justiz arbeitet oft langsam. Viele Menschen klagen darüber.
Verfahren können Monate oder sogar Jahre dauern. Das liegt an
vielen Regeln, an sorgfältiger Prüfung und an der großen Zahl von
Fällen. Und es ist auch ein Problem, dass es sehr viel Bürokratie
in diesem Bereich gibt.
Auch die Sprache im Gericht ist besonders. Sie ist oft
kompliziert und schwer zu verstehen. Deshalb versuchen manche
Gerichte heute, einfacher zu sprechen und besser zu erklären.
Denn Gerechtigkeit funktioniert nur dann gut, wenn die Menschen
auch verstehen, was passiert.
Noch ein Wort möchte ich dir in diesem Zusammenhang beibringen:
Bewährung. Angenommen, ein Mann steht vor Gericht. Dann gibt es
mehrere Möglichkeiten, was passiert: Es kann einen Freispruch
geben, wenn das Gericht ihn für nicht schuldig hält oder es nicht
genügend Beweise gegen ihn gab. Er kann auch verurteilt werden zu
einer Gefängnisstrafe. Gefängnis heißt korrekt
Justizvollzugsanstalt. Und dann gibt es noch die Bewährung. Wenn
die Freiheitsstrafe, also die Zeit im Gefängnis, unter zwei
Jahren ist, kann das Gericht sie auf Bewährung aussetzen. Der
Richter muss also überlegen, wie es mit dem Täter weitergeht. War
es eine Tat, die er wahrscheinlich nicht wiederholen wird? Dann
kann die Strafe auf Bewährung erfolgen. Das heißt: Er kommt nicht
ins Gefängnis. Er darf aber auch nicht wieder etwas ähnliches
machen, sonst muss er eben doch ins Gefängnis. Wenn der Täter auf
Bewährung frei lebt, muss er sich an bestimmte Regeln halten.
Mich hat besonders fasziniert, wenn Jugendliche vor Gericht
standen. Die Richter waren in diesen Fällen sehr streng, aber
auch verständnisvoll. Sie haben nicht versucht, zu bestrafen,
sondern bei den Jugendlichen wirklich Verständnis für ihre Tat zu
wecken. Damit sie es eben nicht wieder tun.
Wahrscheinlich könnte man noch viel mehr zu diesem Thema sagen –
aber die Folge ist jetzt schon lang. Ich hoffe jedenfalls, dass
ihr nie mit dem Gericht in Konflikt kommt.
Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg313kurz.pdf
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