Europa hat schwache Trümpfe | Von Rüdiger Rauls
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vor 6 Tagen
Der Streit zwischen Belgien und der EU-Kommission um die
Enteignung des russischen Vermögens spitzt sich zu. Der Ukraine
geht bald das Geld aus. Die Europäer selbst sind inzwischen auch
knapp bei Kasse. Die Amerikaner drängen zum Frieden, doch am Ende
entscheidet Russland.
Ein Standpunkt von Rüdiger Rauls.
Zweimal Brüssel
Am 3. Dezember war die belgische Hauptstadt Gast zweier Treffen,
die besser die Lage der Europäer nicht hätten beschreiben können.
Im Hauptquartier der NATO trafen sich die Außenminister der
Allianz. Wenige Kilometer entfernt beriet im Sitz der
EU-Kommission Ursula von der Leyen mit den Spitzen der
Kommission, wie die belgische Regierung unter Bart de Wever dazu
gebracht werden könne, das beschlagnahmte russische
Staatsvermögen für ein Reparationsdarlehen zugunsten der Ukraine
freizugeben.
Beide Treffen wurden bestimmt durch die Schwierigkeiten, die den
Europäern durch den Kriegsverlauf, den neuen Friedensplan der USA
(28-Punkte-Plan) und die nachlassende Finanzkraft der EU für die
weitere Entwicklung entstehen. Eines ist unübersehbar: Die
Bedeutung der Europäer schmilzt wie Schnee in der Sonne. Dieser
Bedeutungsverlust wurde ihnen eindrücklich dadurch vorgeführt,
dass erstmals seit 2003 der amerikanische Kollege am Treffen der
NATO-Außenminister nicht teilnahm. Marco Rubio hatte „offenbar
Wichtigeres in Washington zu tun“ (1).
Die offizielle Begründung für sein Fernbleiben lautete, dass
„Rubio schon Dutzende Treffen mit NATO-Verbündeten absolviert
habe und es völlig unrealistisch sei, ihn bei jedem Treffen zu
erwarten.“(2). Das zeigt: Für die USA hat Europa nur noch
untergeordnete Bedeutung, im Vordergrund stehen die Verhandlungen
mit Russland. Denn in Washington weiß man, „das Ende des
Ukraine-Krieges hängt von Russland ab“(3). Und Trump will
ein baldiges Ende. Dabei stören die Europäer nur. Denn nicht
nur Russland ist überzeugt, dass die Europäer keinen
konstruktiven Beitrag zur Beendigung des Krieges leisten.
Trump winken gute Geschäfte mit Russland aufgrund der „enormen
Aussichten einer russisch-amerikanischen
Wirtschaftszusammenarbeit“(4) und aus den Rohstoffabkommen mit
der Ukraine. Dabei sind die Europäer mit ihren Vorstellungen über
das Kriegsende im Wege. Vergeblich versuchen sie mit zahnlosen
Drohungen gegenüber Russland, der Selbstüberschätzung der eigenen
Möglichkeiten und Fähigkeiten sowie der Unterwürfigkeit und
Speichelleckerei gegenüber Trump den Gang der Dinge zu
beeinflussen.
Hürden und Fallstricke
In Verkennung der Wirklichkeit betont Merz kraftmeierisch: „Wir
Europäer entscheiden und gestalten, was auf unserem Kontinent
geschieht.“(5). Glaubt er wirklich, Putin beeindrucken zu können
mit der Behauptung, „dass eine Fortsetzung dieses Angriffskrieges
sinnlos ist“(6)? Dem Bundeskanzler ist offenbar bisher nicht
aufgefallen, dass der politische Westen seit vier Jahren mit
solchen Belehrungen keinen Erfolg hatte. Das Gegenteil vielmehr
ist der Fall.
Vielleicht glaubt Merz ja selbst seinen eigenen Verlautbarungen.
Aber der russische Präsident zeigt sich davon unbeeindruckt.
Er sieht, dass seine Truppen immer weiter nach Westen
vorankommen. Er sieht auch, dass die Europäer nicht einmal mehr
in der Lage sind, die Ukraine aus eigener Kraft finanziell zu
unterstützen. Selbst dazu brauchen sie noch das russische Geld,
das bei Euroclear und den europäischen Banken eingefroren ist.
Mit den USA ist der größte Geldgeber aus dem Krieg ausgestiegen.
Die Gestaltungsmöglichkeiten, die Merz im Brustton tiefster
Überzeugung für die Europäer reklamiert, hängen also stark
ab von Russlands Geld. Diesem Thema galt das zweite Treffen in
Brüssel: Wie kann die Enteignung des russischen Vermögens so
rechtssicher gemacht werden, dass auch die belgische Regierung
sowie der Zahlungsabwickler Euroclear dieser Maßnahme zustimmen?
Welche Garantien können gegeben werden, damit Belgien nach einem
russischen Sieg mit den Risiken dieses Enteignungsvorhabens
nicht alleine dasteht und für die Folgen aufkommen muss?
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