Von Sängern und Hohepriestern | Von Roberto de Lapuente
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Beschreibung
vor 1 Woche
Dieter Bohlen äußert sich zur politischen Situation in
Deutschland, und das Internet schreit: „Wer ist er, dass er sich
das anmaßt“ — offenbar keiner derjenigen Experten, die in der
Demokratie das Recht innehaben, sich zu Wort zu melden.
Was hat er sich nur dabei gedacht? Spricht der doch
wirklich von Demokratie und Brandmauer, von den Sorgen, die er
sich um sein Heimatland macht – und von Russland, das als Partner
Deutschlands wünschenswert wäre. Dieter Bohlen sprach letzte
Woche im Interview mit Dominik Kettner diese und noch andere
Themen an. Dass ihm das wenig Zuspruch einbringen würde, lag auf
der Hand. Selbst in den Mainstreammedien fanden seine Statements
zum zeitgenössischen Deutschland Beachtung – wenn auch keine
wohlwollende.
Ein Standpunkt von Roberto de Lapuente.
Der mediale Abriss seiner Aussagen war wie gewohnt nicht sehr
phantasievoll; man ordnete das Interview zusammengefasst wie
folgt ein: Goldhändler spricht mit Pop-Titan – denn das Gespräch
wurde für den Kanal von Kettner Edelmetalle geführt.
Nun kann man durchaus kritisieren, wenn Werbung und Geschäft mit
journalistischer Arbeit vermischt werden – wie es auf jenem Kanal
offenbar der Fall ist. Wesentlich weniger Bedenken zeigen diese
Kritiker der Stunde allerdings, wenn irgendein an sich
unpolitischer Influencer etwas zum Besten gibt, dessen Botschaft
man gern weit verbreitet sehen möchte (AfD-Verbot, „Lass dich
impfen“, „Stay with the Ukraine“ und ähnliche Botschaften) – dann
schaut man darüber hinweg, dass dessen Aussage durchaus als
Werbestrategie für sich und seine Werbekunden genutzt wird.
Dennoch stimmt es natürlich: Kettner Edelmetalle dürfte
Journalismus und Werbegeschäft gleichermaßen bedienen. Doch das
ist auch nicht die Problematik, die man dem Interviewer Bohlens
jetzt anhängen möchte. Etwas anderes soll damit ausgedrückt
werden: Dass ein Goldhändler sich überhaupt politisch inszeniert,
hält man für untragbar. Und Bohlen bekam in den Netzwerken
denselben Vorwurf zu hören– zusammengefasst in folgender
Frage: Wer ist er eigentlich, um so eine Meinung kundtun zu
dürfen?
Über Demokratie spricht man nicht
Das waren gleichwohl sogar noch die freundlicheren Widerworte,
die Dieter Bohlen erfuhr. Viele Kommentatoren bei X rückten
Bohlen umgehend in die Nähe der Nationalsozialisten – ja, er
würde sprechen wie jene, die 1946 in Nürnberg vor Gericht
saßen. Der Musiker soll also tatsächlich sein wie Ernst
Kaltenbrunner oder Julius Streicher, also wie zum Tode
verurteilte Verbrecher gegen die Menschlichkeit? Oder waren die
beiden genannten Nationalsozialisten auch nur unterhaltsame,
manchmal leicht krawallige, aber an sich ganz brave und biedere
Männer wie jener Pop-Titan? Wenn das so wäre, müsste man sich
doch gar nicht so sehr fürchten vor der vermeintlichen Rückkehr
der Nazis – oder wie muss man diese Gleichsetzung jetzt werten?
Es ist schon erstaunlich, wie jene Massenpsychose, die reflexhaft
jeden kritischen Geist sofort zu „nazifizieren“ trachtet, alles
abräumt, was vorher in der Erinnerungskultur von Bedeutung war.
Der Nationalsozialismus galt als singulär in der deutschen
Geschichte – nun kann offenbar jeder Musiker, der ein launiges
Interview gibt, schon einer sein, der bei der SS anheuern könnte.
Früher hätte man so ein Gebaren noch als Relativierung des
Nationalsozialismus eingeordnet.
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