»Du dumme Sau!« | Von Tom-Oliver Regenauer

»Du dumme Sau!« | Von Tom-Oliver Regenauer

20 Minuten

Beschreibung

vor 2 Wochen

»Ich verlange die Freiheit, die ein Schriftsteller, ja
ein Dichter für sich in Anspruch nimmt.« (Klaus
Kinski)


Ein Standpunkt von Tom-Oliver Regenauer.


Klaus Kinski war, ist und bleibt eine kontroverse Figur. Ein
zumeist unerträglicher Gesprächspartner. Rüpelhaft, laut,
abfällig, ignorant und arrogant. Stets unter Strom. Und sofort in
Rage. Besucher seiner Auftritte beschimpfte er in sehenswerten
Wutausbrüchen schon mal als »dumme Sau« (ab 7:50 Min.) und
»Gesindel«. Und Journalisten als »Analphabeten«. Weil er wusste –
oder zumindest vorgab zu wissen –, wie schlecht es um
Gesellschaft, Medien, Politik und auch ihn selbst bestellt war.
Und weil er die Fassaden-Façon der Synthetik-Sause, die Max
Mustermann seit einer gefühlten Ewigkeit als Realität akzeptiert,
einfach nicht ertragen konnte. Weil er sich selbst nicht ertragen
konnte. Kinski reagierte ungefiltert. Schroff. Unkontrolliert. Er
war ein Egomane. Dramatisierte alles. Ein »Tyrann«. Aber genau
deswegen irgendwie auch frei. Und genau damit konnte kaum jemand
umgehen. Am wenigsten die Medien. 


Nun sind Kraftausdrücke, Ignoranz und Respektlosigkeit natürlich
noch keine Gewalt. Auch wenn das Geschwafel von »Hassrede« und
artverwandten Neologismen des wertewestlichen Neusprech uns vom
Gegenteil überzeugen wollen. 


Man muss sich so etwas nicht anhören, sich die Ausraster und
Tiraden von Menschen wie Kinski nicht anschauen, wenn man nicht
will. Denn auch das steht jedem frei. Doch wer die Wirkung von
Kinskis mithin manischen Manifestationen verfolgt, stellt bald
fest, dass das Reservoir, in dem so fragile Gewächse wie
Meinungsfreiheit und Kunst gedeihen können, nur über solche
Schockmomente zu verteidigen ist. Mit unterwürfig
verständnisvollen Konsenskonvoluten hat noch niemand die Welt
verändert. Irgendein »Wahnsinniger« muss den verbalen, visuellen
oder tonalen Sprengsatz platzieren, der das Bühnenbild der
»Truman Show« bei Detonation zumindest kurzzeitig wanken und
damit für jeden sichtbar werden lässt. Dann machen es vielleicht
auch andere.


Wenn die von den Sittenwächtern des Nachhaltigkeitskorporatismus
kontrollierten, zusehends totalitären Strukturen des
Konsumkonformismus nicht kontinuierlich bloßgestellt werden –
damit sie von einer Gesellschaft autonomer Individuen hinterfragt
und über die Reibungshitze konstruktiver Auseinandersetzung
rekalibriert werden können –, wachsen sie unaufhaltsam weiter.
Die postmodernen Monstrositäten müssen dazu gebracht werden, die
Fassung zu verlieren. Und das lässt sich oft nur über einen Eklat
erreichen. Über den Skandal. Denn den bekommen auch unaufmerksame
Zeitgenossen mit. 
»Ja, ich habe Gewalt in mir. Aber keine negative. Wenn ein
Tiger seinen Dompteur zerreißt, so sagt man, der Tiger sei
gewalttätig und jagt ihm eine Kugel in den Kopf. Meine Gewalt ist
die Gewalt des Freien, der sich weigert, sich zu unterwerfen. Die
Schöpfung ist gewaltsam. Leben ist gewaltsam. Geburt ist ein
gewaltsamer Vorgang. Ein Sturm, ein Erdbeben sind gewaltsame
Bewegungen der Natur. Meine Gewalt ist die Gewalt des Lebens. Es
ist keine Gewalt wider die Natur, wie die Gewalt des Staates, der
eure Kinder ins Schlachthaus schickt, eure Gehirne verblödet und
eure Seelen austreibt!« (Klaus Kinski)




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