Ist Armut erblich, Jutta Allmendinger?

Ist Armut erblich, Jutta Allmendinger?

1 Stunde 52 Minuten

Beschreibung

vor 3 Wochen

Die Soziologin Jutta Allmendinger spricht bei “Nur eine Frage”
über die vielen Formen von Armut und erklärt, warum Erben
unproduktiv macht. Jutta Allmendinger ist Deutschlands
bekannteste Soziologin und leitete viele Jahre lang das
Wissenschaftszentrum Berlin.


Seit Jahrzehnten erforscht sie das Thema soziale Ungleichheit.
Sie ist die ehemalige Präsidentin des Wissenschaftszentrums
Berlin, war Direktorin am Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung und hat viele deutsche Regierungen beraten. Heute
ist sie Mitglied des Ethikrats und des Wissenschaftsrats.


Im ZEIT-Podcast Nur eine Frage stellt ZEIT-Chefredakteur Jochen
Wegner einfache, aber grundlegende Fragen, die viele von uns
umtreiben, auf die eine klare Antwort aber oft schwer zu finden
ist. Wir befragen die bestmögliche Expertin, den bestmöglichen
Experten, den wir für das jeweilige Thema finden können – in
dieser Ausgabe haben wir Jutta Allmendinger gefragt: Ist Armut
erblich?


Armut werde meist relativ gemessen und meist werde dabei nur auf
das Einkommen geschaut, so Allmendinger: Wer weniger als 60
Prozent des mittleren Einkommens besitzt, gilt als
armutsgefährdet. Bei den Einkommen gebe es in Deutschland große
Ungleichheit, noch viel ausgeprägter aber sei sie beim Vermögen.
Diese Ungleichheit hemme wirtschaftliche Dynamik, da Erben oft
wenig investieren und ärmere Gruppen wenig Chancen zum Aufstieg
sehen.


Früher hätten Katastrophen und Kriege Ungleichheit reduziert,
heute aber fehle es an politischen Maßnahmen wie einer höheren
Erbschaftssteuer. Die politischen Folgen wachsender Ungleichheit
bereiten Allmendinger Sorge, da diese populistische und extreme
politische Kräfte stärkt. Sie fordert eine bessere
Integrationspolitik und einen positiven Umgang mit Migration,
denn ihr verdanke Deutschland seinen Wohlstand.


Aber es geht nicht nur ums Geld. Jutta Allmendinger prägte
erstmals den Begriff der Bildungsarmut und betont in dem
Gespräch, wie wichtig eine frühkindliche Bildung ist, um Armut
vorzubeugen. Hier sieht Allmendinger großen Handlungsbedarf. Das
deutsche Bildungssystem berücksichtige die unterschiedlichen
sozialen Hintergründe der Kinder unzureichend.


Frühkindliche Bildung müsse dringend gestärkt werden, Corona habe
die Ungleichheit zusätzlich verschärft. Jedes zweite Kind in
Deutschland erfülle nicht das Mindestmaß der Kompetenzen beim
Lesen und Rechnen. Doch Armut hat noch mehr Facetten: Wohnen,
Gesundheit, Beziehungen, Lebenserwartung kann von Armut geprägt
sein. Besondere Sorge bereitet Allmendinger die Wohnungsarmut,
die insbesondere junge Menschen trifft, da Wohnraum knapp und
teuer ist. Junge Generationen hätten kaum noch Möglichkeiten,
Eigentum zu erwerben.


Als weitere konkrete Maßnahmen gegen die Ungleichheit schlägt sie
ein Grundstockkapital für junge Erwachsene abhängig vom
Elternhaus, einen höheren Mindestlohn sowie die Reduzierung von
Minijobs vor. Ein Grundeinkommen lehnt sie nicht ab, hält Bildung
und Erwerbsarbeit aber für wichtiger. Der beste Weg zur
Bekämpfung von Armut sei jedoch eine langfristige Investition in
frühkindliche Bildung.


 


Produktion: Pool Artists


Redaktion: Jens Lubbadeh


Videoproduktion: Claudius Dobs


Animation: Axel Rudolph


 


Alle Folgen unseres Podcasts finden Sie hier:
https://t1p.de/ncx2p Fragen, Kritik, Anregungen? Schreiben Sie
eine Mail an n1f@zeit.de


 


[ANZEIGE] Mehr hören? Dann testen Sie unser Podcastabo mit
Zugriff auf alle Dokupodcasts und unser Podcastarchiv. Jetzt 4
Wochen kostenlos testen: https://t1p.de/iikdn

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15