Prof. Dr. Dirk Lanzerath: „Wir neigen dazu, unsere Probleme zu medikamentieren“

Prof. Dr. Dirk Lanzerath: „Wir neigen dazu, unsere Probleme zu medikamentieren“

Prof. Dr. Dirk Lanzerath, Direktor des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE), im Hypothese-Podcast der Uni Bonn
32 Minuten
Podcast
Podcaster
Der Expert*innenpodcast der Uni Bonn zu aktuellen Themen.

Beschreibung

vor 4 Wochen

Prüfungsstress, Lampenfieber und Trauer nach einem Todesfall:
Neigt unsere Gesellschaft dazu, solche Probleme wie eine
Erkrankung mit Medikamenten kurieren zu wollen? Diese Frage
treibt Prof. Dr. Dirk Lanzerath, Direktor des Deutschen
Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) an der
Universität Bonn, um. In der neuen Folge des Hypothese-Podcasts
diskutiert er mit Moderator Denis Nasser die These „Wir neigen
dazu, unsere Probleme zu medikamentieren“.


Wer Prüfungsstress oder Lampenfieber hat, versucht dies teils mit
Betablockern in den Griff zu bekommen. Wer wenige Wochen nach
einem Todesfall noch trauert, dem wird unter Umständen eine
Depression diagnostiziert und entsprechend medikamentös
behandelt. Dies bezeichnet Prof. Dirk Lanzerath als
„Medikalisierung“ eines lebensweltlichen Problems: Obwohl es
nicht in erster Linie mit Medizin zu tun hat, wird versucht, es
mit medizinischer Hilfe zu lösen.


„Natürlich ist es richtig, diese Probleme in den Griff zu
bekommen und Hilfe anzubieten“, sagt Lanzerath. „Wir müssen aber
aufpassen, dass nicht jedes soziale Problem zu einem
medizinischen wird.“ Medikalisierung allein werde der Komplexität
unserer Gesellschaft nicht gerecht und schränke unsere
Möglichkeiten ein, nach Ursachen und passenden Lösungen zu
suchen.


„Die Aussicht, ein Problem durch ein Medikament schnell und
einfach zu lösen, erscheint bequem“, sagt Lanzerath. Denn
natürlich ist es aufwendiger, etwa seine Ernährung umzustellen
oder Sport zu treiben, als morgens eine Pille zu nehmen. Auch
Trauer nach einem Todesfall werde heute viel früher als
Depression angesehen und behandelt. „Wir sind eine Gesellschaft,
in der wir funktionieren müssen. Deshalb wollen wir solche
negativen Gefühle loswerden.“ Dabei gilt: Trauern erfüllt eine
wichtige Funktion.


In der neuen Folge des Hypothese-Podcasts diskutiert Prof. Dr.
Dirk Lanzerath mit Moderator Denis Nasser die These „Wir neigen
dazu, unsere Probleme zu medikamentieren“. Ob der Wissenschaftler
sie verifiziert (als wahr bestätigt) oder falsifiziert
(widerlegt), hören Sie hier.


Dirk Lanzerath leitet seit 2022 das Deutsche Referenzzentrum für
Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) und ist seit 2002 dessen
Geschäftsführer. Das DRZE ist eine zentrale wissenschaftliche
Einrichtung der Universität Bonn und Arbeitsstelle der Akademie
der Wissenschaften und der Künste des Landes Nordrhein-Westfalen.
2024 ist er zum Vorsitzenden der Ethikkommission der
Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft (JRF) gewählt worden sowie
für die Amtsperiode 2023-25 zum stellvertretenden Vorsitzenden
der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer (ZEKO).
Seit 2012 ist er Mitglied des Vorstands und Generalsekretär des
Europäischen Netzwerks der Forschungsethikkommissionen (EUREC).


Zugespitzt und wissenschaftsnah


Zugespitzt und wissenschaftsnah – das ist der „Hypothese“-Podcast
der Uni Bonn. Jeden ersten Donnerstag im Monat stellen sich
renommierte Gäste einer zugespitzten Hypothese zu einem
gesellschaftlich relevanten Thema. Moderiert von dem Journalisten
Denis Nasser wägt jeweils eine Expertin oder ein Experte den
Wahrheitsgehalt der Titelaussage ab und gibt abschließend ein
Votum ab, ob die finale Einschätzung eher in Richtung
„verifiziert“ (also als „wahr bestätigt“) oder falsifiziert (als
„unwahr“ bestätigt) gehen würde.


 Ihr habt Fragen, Anmerkungen oder einen Themenvorschlag?
Wir freuen uns, von Euch zu hören unter
wissenschaftskommunikation@uni-bonn.de!

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