Die Symptome der Borderline Störung #4
11 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Monat
In dieser Folge von Erzähl mal setzen wir unsere Reihe zur
Borderline-Störung fort – diesmal mit einem Blick auf zwei
Symptome, die häufig missverstanden werden, aber entscheidend zum
Verständnis des Krankheitsbildes beitragen:
Dissoziation und psychosenahe
Erlebensweisen. Beide Phänomene zeigen, wie tief die
frühe strukturelle Störung in Wahrnehmung, Beziehung und
Selbstempfinden eingreift.
Wir beginnen mit der Dissoziation – einer
frühen, unbewussten Schutzreaktion des Nervensystems. Wenn
Gefühle wie Angst, Wut oder Scham so intensiv werden, dass sie
nicht mehr aushaltbar sind, „schaltet“ der Körper auf Notbetrieb.
Die Betroffenen wirken dann wie „weggebeamt“: Blick starr,
Pupillen weit, kaum Ansprechbarkeit. Das Gehirn trennt das
emotionale Erleben vom Hier und Jetzt, um Überwältigung zu
vermeiden. Diese Form des inneren Rückzugs schützt kurzfristig,
führt aber langfristig zu Isolation, Entfremdung und dem Gefühl
innerer Leere.
Um der Leere zu entkommen, werden häufig starke Reize gesucht:
Selbstverletzung, Substanzkonsum, provokative Konflikte oder
riskantes Verhalten. Paradox, aber funktional – denn Schmerz,
Streit oder Gefahr schaffen wenigstens das Gefühl, etwas zu
spüren. Dissoziation wird so zu einem Teufelskreis: Sie schützt
vor Überflutung, verstärkt aber die Trennung von sich selbst und
anderen.
Ein zweites zentrales Thema dieser Episode sind
psychosenahe Symptome. Wenn die Ich-Struktur –
also das innere Gerüst, das zwischen „Ich“ und „Du“, zwischen
innen und außen unterscheidet – nicht stabil ausgebildet ist,
kann es zu Phänomenen kommen, die an Psychosen erinnern:
Misstrauen, paranoide Gedanken („Die reden über mich“, „Die
wollen mir etwas“), übersteigerte Selbstbezüge oder kurzzeitige
Sinnestäuschungen wie Stimmenhören oder das Gefühl, berührt zu
werden. Diese Symptome entstehen nicht aus Wahn, sondern aus der
Durchlässigkeit der Ich-Grenzen – dem Verlust der inneren Dichte,
die normalerweise Sicherheit und Realitätsgefühl vermittelt.
Oft bestehen dabei Überlappungen zwischen
Borderline-Störung und Traumafolgestörungen.
Dissoziation ist auch bei Traumatisierungen ein zentrales
Symptom, und viele Menschen mit Borderline-Struktur haben
zusätzlich traumatische Erfahrungen gemacht. Das erschwert die
Behandlung, weil Trauma- und Beziehungsthemen sich gegenseitig
triggern: Sobald Nähe entsteht, tauchen Erinnerungen auf; sobald
man Distanz schafft, kehrt die Leere zurück. Therapie bedeutet
hier, Balance zu lernen – zwischen Fühlen und Aushalten, Nähe und
Schutz.
Trotz der Komplexität endet diese Folge mit einer wichtigen
Botschaft: Die Prognose hat sich verbessert.
Durch spezialisierte Therapieformen, besseres Verständnis der
zugrunde liegenden Mechanismen und tragfähige therapeutische
Beziehungen ist heute deutlich mehr möglich als noch vor wenigen
Jahrzehnten.
Wir laden euch ein, mitzudenken, zu hinterfragen und
mitzuschreiben. Welche Beschreibungen helfen beim Verstehen, wo
bleibt Unklarheit? Schickt uns eure Fragen und Erfahrungen –
denn: Vor jedem „Erzähl mal“ steht ein „Ich hör mal“.
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