Beate Baum: Kunstgerecht
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Beschreibung
vor 3 Monaten
Oft schweifen wir im Studio B mit unseren Rezensionen
verschiedener Romane in die Ferne und widmen uns dabei Autorinnen
verschiedenster Länder. Zwar kommt es, wie kürzlich geschehen,
vor, dass uns dabei gelegentlich auch deutsche
Schriftstellerinnen unterkommen, doch das Werk einer Autorin aus
Dresden haben wir bzw. ich – soweit ich mich erinnern kann – erst
einmal besprochen. Dabei passt ein bisschen Lokalkolorit ja
eigentlich ganz gut zum Studio B, waren die Sendungen doch, bevor
es Substack, Spotify und Co. gab, zuerst beim in Dresden
ansässigen Radiosender coloRadio zu hören und sind es auch immer
noch. Beate Baum, deren Roman Kunstgerecht ich im Folgenden
besprechen möchte, ist Schriftstellerin und Journalistin und
unter anderem bei den Dresdner Neueste Nachrichten als freie
Mitarbeiterin tätig. Zwar stammt sie gebürtig aus Dortmund, doch
wie ich ihrer Webseite entnehme, lebt sie bereits seit 1998 in
Dresden. Wie sehr sie sich selbst mit der Stadt verbunden fühlt,
wird nicht zuletzt aus ihrer Reihe der Dresden-Krimis deutlich,
in denen sie sich mit ihrer Protagonistin Kirsten Bertram ein
Alter Ego geschaffen hat. Kunstgerecht stellt dabei schon den
zehnten und aktuellen Band dar, der in diesem Jahr veröffentlicht
wurde.
Es mag nun etwas merkwürdig anmuten, wenn ich sage, dass ich
keinen der anderen vorhergehenden Teile bisher gelesen habe und
Herr Falschgold schlägt angesichts solchen Verhaltens im
Normalfall die Hände über dem Kopf zusammen. Ich ging also
unbedarft an die Lektüre und dachte mir, wenn eine Reihe gut
geschrieben ist, werden sich die Zusammenhänge und Figuren,
zumindest bis zu einem gewissen und notwendigen Grad, der Leserin
auch so erschließen. Und so war es auch.
Kirsten Bertram, die Protagonistin des Romans, arbeitet als
Journalistin bei einer Dresdner Zeitung und lebt zusammen mit
ihrem Mann Andreas Rönn, der als freischaffender Journalist tätig
ist, in der Dresdner Neustadt. Den Ausgangspunkt des Romans
bildet ein Treffen zwischen Kirsten und ihrem guten Freund
Victor, in dem er ihr berichtet, dass sich im Besitz seiner
Nachbarin, Marion Schneider, ein Bild des bekannten Künstlers und
ehemaligen Geliebten Markus Zwönitz befindet, welches sie
verkaufen möchte. Grund dafür sind eine Erkrankung und ihre
Minirente, von der sie ihr Leben bestreitet und die sie sich
durch die Veräußerung des bisher unbekannten Kunstwerks
aufzubessern erhofft. Dies gestaltet sich aber insofern
schwierig, da der Künstler sehr zurückgezogen lebt und schwer
greifbar ist und all seine geschäftlichen Angelegenheiten über
seinen Privatsekretär Dietmar Heldt vollzogen werden. Auch Heldt
wird als nicht sehr umgänglich beschrieben und Victors Bitte an
seine Freundin Kirsten besteht im Grunde darin, dass sie aufgrund
ihres Hintergrunds als Kulturredakteurin zwischen den Parteien
vermitteln soll. Zumal das besagte Kunstwerk bereits als echt
verifiziert und von einer Galerie geschätzt wurde.
Was Beate Baum aus dieser anfänglichen Story entwickelt, ist aber
kein Krimi, wie ich ihn klassischerweise erwartet hätte. Zwar
finden sich im Fortgang der Geschichte Motive wie ein Mord für
den Kirstens Freund Victor in Untersuchungshaft genommen wird,
was Kirsten wiederum dazu veranlasst, eigene Recherchen
anzustellen, die dem Geschehen ihre Dynamik verleihen. Dabei geht
es aber nicht allein darum, ein Verbrechen aufzuklären, vielmehr
ist es die Verknüpfung verschiedener Thematiken. Da wäre zum
Einen die Arbeit als Journalistin. Während Kirsten normalerweise
eher in ihrer Redaktion tätig ist, arbeitet ihr Mann Andreas als
freier, investigativer Journalist, der sich in seinen Artikeln
viel mit dem rechten Spektrum befasst, wodurch er und auch seine
Frau, allein schon weil sie zusammen leben, sehr realen Gefahren
ausgesetzt sind, die sich beispielsweise in Drohungen, aber auch
Übergriffen und Sachbeschädigung äußern. Lassen wir dieser Tage
unseren Blick beispielsweise nach Israel schweifen, wird umso
deutlicher, dass diese Beschreibungen keineswegs fiktiv sind,
sondern Mitarbeitende der Presse gezielt attackiert werden und
ihre Arbeit teilweise unter Lebensgefahr ausüben. Welche
Auswirkungen diese extremen Stresssituationen haben können,
beschreibt Beate Baum exemplarisch an ihrem Protagonisten
Andreas, der in Folge eines Herzinfarkts zunächst auf die
Intensivstation und anschließend zur Reha muss. Dies verknüpft
sie gleichfalls mit der Frage nach einer gesunden Lebensweise,
denn, so ehrlich müssen wir sein, ist der Grund für seinen
gesundheitlichen Zustand auch ein wenig hausgemacht.
Ein weiteres Thema entfaltet sich um den Maler Markus Zwönitz und
seine in der DDR aktive und subversive Künstlergruppe Abseits,
welche gemeinsam Ausstellungen organisierte, in Dresden Bedeutung
erlangte und sich wenig um Konventionen scherte, letztlich aber
auseinanderfiel und im Roman bis zum Schluss Grund für
Spekulationen liefert, was neben den bekannten Fakten zum
Konflikt der einzelnen Mitglieder insbesondere zu dem am meisten
zu Ruhm gelangten Zwönitz führte. Auch in diesem Punkt fällt es
nicht schwer, reale Bezüge zu knüpfen. Ebenso wenig wie zu
Motiven, die immer wieder mehr oder weniger eingestreut werden
und sich auf Themen wie Gentrifizierung, soziale Gerechtigkeit
und Miteinander und das Erstarken von rechten Parteien beziehen
und die unausweichlich Einfluss auf unser Leben haben.
Schauplatz dieser verschiedenen Komplexe und Handlungen ist die
Stadt Dresden und teilweise auch das Umland, genauer gesagt Bad
Schandau. Dabei beschreibt Beate Baum vor allem das Leben in der
Neustadt mit den realen Orten wie Bars, Restaurants,
Kultureinrichtungen usw. originalgetreu, so dass jeder, der diese
Plätze kennt, sie sofort vor Augen hat und keine Imagination
braucht. Für jene, die sie nicht kennen, bleiben sie
möglicherweise etwas gestaltlos, oder wurden in den neun Bänden
vorher schon beschrieben, die ich nicht gelesen habe und als
Bewohnerin der Stadt glücklicherweise auch nicht brauche, um sie
mir vorzustellen. Atmosphärisch eingebettet ist das Geschehen in
einen heißen Sommer, dessen Tage mit drückender Hitze und Nächte,
die wenig Abkühlung versprechen, durch viele kleine
Beschreibungen beim Lesen nahezu spürbar werden.
Letztlich ist Kunstgerecht ein gut durchdachter Roman, der die
eine oder andere Wendung bereit hält, thematisch vielschichtig
ist, ohne seine Leichtigkeit zu verlieren und sicherlich für in
Dresden lebenden Menschen und alle, die die Stadt gut kennen,
noch einmal einen besonderen Reiz hat. Und für alle, die sich
über den Titel wundern und es wie ich nicht wussten: Kunstgerecht
ist ein Adjektiv, das so viel wie fachmännisch oder genau in der
richtigen Weise bedeutet. Ob das wohl die Intension von Beate
Baum war? Lest selbst.
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