Hohepriester statt Maschinenbauer | Von Roberto De Lapuente

Hohepriester statt Maschinenbauer | Von Roberto De Lapuente

12 Minuten

Beschreibung

vor 3 Monaten

Die europäische Wirtschaft wird abgewickelt, aber
Deutschland hat noch einen Exportschlager — vor zwei Wochen
konnte man diesen in Berlin beobachten.


Um festzustellen, dass es der deutschen Wirtschaft seit Jahren
schlecht geht, braucht eigentlich niemand eine Statistik.
Praktischerweise gibt es jetzt dennoch eine, und diese belegt,
dass es schon bergab ging, als medial noch Entwarnung postuliert
wurde. Das Gütesiegel „Made in Germany“ bedeutet immer weniger,
zumindest was Autos und Industrieprodukte angeht. Ein letztes
Pferd aber bleibt der Bundesrepublik: queerer Aktivismus.


Ein Standpunkt von Roberto De Lapuente.


Wobei man das in der Öffentlichkeit gar nicht genau weiß. Das
Statistische Bundesamt passte letzte Woche die Quartalszahlen zum
Bruttoinlandsprodukt (BIP) der letzten drei Jahre an. Siehe da,
die Rezession war längst da. Sie hat sich nur nicht in der
Statistik ausgebreitet. Die Statistiker und das
Bundeswirtschaftsministerium sprechen unisono von einem völlig
normalen Vorgehen, man würde stets die bestmöglichen Datenquellen
nutzen, die später dann durch die tatsächlichen Zahlen ersetzt
würden, Fehlberechnungen seien das aber keine. Und politisch
unabhängig sei das Statistische Bundesamt selbstverständlich
auch: Nicht, dass da jemand auf falsche Gedanken kommt — ein
Bundeswirtschaftsminister ist schließlich kein Schwachkopf und
belügt nicht willentlich die Leute.


Wirtschaftlich läuft es also mehr als bescheiden. Nur ein
Wirtschaftszweig boomt mehr denn je, nur in einer Branche scheint
Deutschland Weltmarktführer. Beim CSD in Berlin neulich konnte
man das sehen.


Die Wirtschaft darbt


Aber nochmal zurück zum Skandal, der keiner ist, der keiner sein
soll, weil sich kaum einer damit befasst — außer
vielleicht Heiner Flassbeck: Sieben Quartale in Folge
stagnierte die deutsche Wirtschaft nach neuester Zahlenlage; es
war also Rezession, aber keine sprach es aus, musste ja auch
keiner aussprechen, weil die Zahlen glücklicherweise etwas
anderes sagten. Das aber hätte eine andere Wirtschaftspolitik
nötig gemacht — eine, die es in Wirklichkeit nie gab, weil die
Quartalszahlen zwar nicht berauschend waren, aber eben auch nicht
rezessiv aufblinkten. Ob es freilich eine andere
Wirtschaftspolitik gegeben hätte, bleibt auch fraglich, denn die
Qualitäten zeitgenössischer Politiker und ihrer auf Zuruf
reagierenden Volkswirte lässt viele Zweifel offen. Man könnte es
jedoch auch so sehen: Die amtierende Kriegswirtschaft scheint die
neue Wirtschaftspolitik und damit die Antwort der Eliten auf die
herrschende Misswirtschaft zu sein.


Auf dieser rezessiven Grundlage wäre vielleicht auch eine
gesellschaftliche Debatte in Schwung gekommen, wie man es weiter
mit der Ukraine und den Milliarden halten sollte, die außer
Landes gebracht werden. Denn wenn die eigene Wirtschaft darbt,
wenn sie schrumpft und der generierte und zu verteilende
Wohlstand klein und kleiner ausfällt, wird es schwieriger, von
der Schrumpfungsmasse etwas sachfremd zu verteilen — möchte man
jedenfalls meinen.


Wir steckten also in einer dramatischen wirtschaftlichen
Situation, einer Abwärtsbewegung, wussten es aber nicht, weil die
offiziellen Statistiken es nicht auswiesen. Wobei: Natürlich
wussten wir es; jeder im Lande, der sich in den letzten Jahren
den Rest einer Wahrnehmung gegönnt hat, spürte das am eigenen
Leib.


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