August 1914: Der verzerrte Ursprung unserer Gegenwart - Teil 3 | Von Wolfgang Effenberger
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Beschreibung
vor 3 Monaten
Die deutsche Ur-Angst vor einem neuen Dreißigjährigen
Krieg (1618-48)
Ein Standpunkt von Wolfgang
Effenberger.
Die deutsche „Ur-Angst“ vor einem neuen Dreißigjährigen Krieg ist
ein tief verankertes kulturelles und historisches Phänomen; sie
speist sich aus den traumatischen Erfahrungen des 17.
Jahrhunderts und durchzieht bis heute kollektives Bewusstsein und
politische Kultur in Deutschland. (1)
Im September 1941 sprach der französische General Charles de
Gaulle in einer Radioansprache in London zu den französischen
Befreiungskräften von einem neuen Dreißigjährigen Krieg („la
nouvelle Guerre de Trente Ans“),(2) und der britische
Premier Winston Churchill schrieb 1944
an Stalin von einem „dreißigjährigen Krieg von 1914
an“.(3) Wenn auch in Deutschland das schreckliche Bild des
Dreißigjährigen Kriegs an Konturen verloren hat, so war er im
Zweiten Weltkrieg bei de Gaulle und Churchill noch durchaus
präsent – wohl weniger wegen des Leids, sondern wegen der
geopolitischen Bedeutung: das katholische Frankreich konnte mit
Hilfe des protestantischen Schwedens die Gebiete
Elsaß-Lothringens im und nach dem Dreißigjährigen Krieg (ab 1633)
erobern, England kannte sich freuen, dass während der
Dreißigjährige Krieg endgültig den Handelsraum der
Hanse-Kaufleute zerstörte.
Seit Beginn der 1940er Jahre wurde der Begriff vom Zweiten
"Dreißigjährigen Krieg" vor allem außerhalb Deutschlands
verwendet (4) - Raymond Aron benutzte den Vergleich mit dem
Krieg zwischen 1618 und 1648 und dem Westfälischen Frieden in den
1950er Jahren zur Beschreibung des Weltkriegsgeschehens
1914–1945. (5) Erst 1988 wurde der Begriff systematisch in
die geschichtswissenschaftliche Diskussion eingeführt.
Der amerikanische Historiker Arno J. Mayer machte ihn
zum Gegenstand einer ausführlichen Diskussion und Definition mit
dem Anspruch auf erstmalige wissenschaftliche Einführung; 2003
wurde er vom deutschen Historiker Hans-Ulrich
Wehler aufgegriffen (6) und im Spiegel,
Nr. 8/04, zum Titelthema gemacht, 2005 bei Ian
Kershaw unter Bezug auf Mayer zum Hauptthema in der
englischen Zeitschrift History Today aufgewertet. (7)
Bei dem US-Historiker Fritz Stern war 2007
Vortragsgegenstand sowohl in Deutschland (Jena Center) wie in den
USA (Universität von Indiana). Auch bei Ralf
Dahrendorf und Eric Hobsbawm findet er Verwendung.
Neuerdings wird er bei Enzo Traverso neben dem Begriff
des "Europäischen Bürgerkriegs 1914–1945" zur Beschreibung der
europäischen Krise verwendet. In neuerer Forschung wird das
Konzept auch als Weltbürgerkrieg gefasst.(9)
Arno Mayer fasste die Kräfte der Vorkriegs-Regime so zusammen:
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