Architekturbiennale 2025

Architekturbiennale 2025

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Beschreibung

vor 4 Monaten

Ich war mal wieder auf der Biennale in Venedig, die nach dem
Zeigen von (hervorragender) Kunst in 2024, in diesem Jahr
architekturinteressierte Besucher anlocken möchte, um die
Stadtkassen zu füllen; 10 € Eintritt kostet Venedig aktuell pro
Person, die Biennale 25 € . Man könnte fast meinen, das Studio B
Kollektiv reihe sich absichtlich Jahr für Jahr ein in den Tross
der Venedig-Biennalebesucherinnen: die Männer uniformiert in
weißen Leinenhosen und Panamahüten, die weiblich gelesenen
Kulturmenschen in wehenden floralgemusterten Sommergewändern mit
einem Sonnenschirm in der Hand, den man post-sale mit einem
bequem vertretbaren politischen Statement hat beschriften lassen.


Alles falsch gedacht, waren Teile der Lob- und Verrissbrigade
doch einfach nur in der Emilia-Romagna, genauer in ihrem
kulinarischen Epizentrum Bologna, in dem alles, wirklich alles,
schmeckt, wie in der Werbung; außer der Bolognese, die man noch
so edel "Ragù" nennen kann und die doch eine unterwürzte
Hackfleischsoße bleibt, egal auf welchem Restaurantniveau man
sich bewegt. Das ist aber kein Beinbruch, getraut sich doch kein
Bologneser, ein Restaurant zu eröffnen, ohne selbstgemachte
Tagliatelle (und Unterarten) auf den Tisch zu bringen oder ein
Kotelett à la Bolognese (suuuuuperdünnes Kalbskotelett mit
Parmaschinken und Parmesan überbacken in, really, Soße), kurz:
man kann ohne verstärkte Besuche des lokalen Fitnessklubs vor und
nach dem Urlaub einen solchen nicht angehen. Unterstützend sollte
es schon vor Ort und zwischen den Fressereien heißen: Bewegung,
Bewegung, Bewegung! Aber das ist in Bologna kein Aufruf, das ist
ein Imperativ, existieren große Teile der Innenstadt doch heute
noch in ihrer mittelalterlichen Struktur. Und dennoch versucht
man 10 Buslinien durch die engen Straßen zu jagen, was
spektakulär fehlschlägt: wenn man nicht gerade mit einem Koffer
unterwegs ist, ist man schneller zu Fuß.


Das wird erleichtert durch eine 1288 eingeführte städtebauliche
Vorschrift, die besagt, dass jedes in Bologna neu zu bauende Haus
mit einer Arkade versehen werden muss. Die Portici, wie sie in
der heimischen Zunge heißen, sind ein architektonisches Feature,
bei dem die erste Etage eines an einer Straße stehenden Hauses
den Fußweg überdacht. Damit das hält, baut man also Säulen unter
den ersten Stock, vorn an der Straße, und fertig ist der
ganzjährige Sonnen- und Regenschutz. Der Fußweg wurde dann im
Allgemeinen noch mit Marmormosaiken gepflastert und verschliffen
und so wandert man durch die ganze cirka 2x2km große Innenstadt
wie in einem einzigen marmorierten Korridor, was die Sache auch
bei klimakatastrophalen 35 Grad erträglich und durch häufige
Stopps an den absurd großartigen Eisläden gar zum Vergnügen
macht.


Wir waren also eher zufällig perfekt auf das Motto der dieses
Jahr in Venedig stattfindenden Architekturbiennale vorbereitet:


Intelligens. Natural. Artificial. Collective.


Ähm. Genau.


Intelligens meint laut eigener Aussage: "Eine Kombination aus
„Intelligenz" und Gemeinschaft; verweist sowohl auf
technologische als auch auf soziale Aspekte der Architektur."
Dieses Portmanteau funktioniert nur für Inhaber eines kleinen
Latinum, denn nur auf Latein heißt *gens "*Volk, Gemeinschaft,
ethnische Gruppe". Entsprechend wirr und mit dem Hammer passend
gemacht erklären sich auch die anderen Worte: AI ist dabei,
Umwelt natürlich und das Collective meint wohl, dass man auch als
Architekturlaie mit palavern kann. Nichts wie hin!


Der Vorteil an Bologna ist, neben den erwähnten epikuräischen
Wohltaten, dass es verkehrstechnisch im Zentrum Norditaliens
liegt. Für 5 € und eine Stunde Zeit kommt man von Bologna aus mit
der S-Bahn nach Modena, Ravenna, Parma und wenn man den Fernzug
für ein paar Euro mehr nimmt, in der gleichen Zeit bis nach
Mailand oder Venedig. Also macht man das natürlich: auf in das
Venedig Italiens!


Wie gesagt, 2025 ist "nur" die Architekturbiennale am Start und
man ahnt, dass das nicht ganz so der Publikumsmagnet ist, wenn
man am Giardini des Biennale um 11:00 Uhr, zur täglichen
Eröffnung, nicht anstehen muss - zur Kunstbiennale ein tägliches
Ritual.


Warum das so ist, wird klar, wenn man den Bruchteil des Aufwands
betrachtet, der in den Zwischenjahren in die Bespielung der
Pavillons im Giardini fließt: Die ČSSR (die es dort noch gibt,
denn ihr Haus wurde 1926 gebaut) macht gleich ganz zu, genauso
wie Venezuela. Dem Russen wird wie schon letztes Jahr das Haus
weggenommen und mit Didaktischem bespielt, der Schweizer stellt
Holzwände in den Pavillon, die irgendwas mit Umwelt zu tun haben.
Das führt dann dazu, dass ratlose ältere Männer diese Holzwände
beklopfen und so Sachen sagen wie: "Ja, nachhaltig isses scho'".
Die "Nordic Countries" (Finland, Sweden, Norway) luden ein paar
Künstler ein, deren Output eher dem inklusiven Laienanspruch des
diesjährigen Biennalemottos entsprach. Man versuchte zum Thema
"was zu machen" und was rauskommt, wenn man einem Künstler sagt,
wozu er was machen soll, ist halt ein verrostetes Auto und wirre
Erklärtafeln mit den Buzzwords der Saison von Ökologie bis
Transsexualität, weil, verrostetes Auto! Skjønner? Förstår?!
Ymmärrän?!!


Wie letztes Jahr zur Kunstbiennale stach auch dieses Jahr
Großbritannien hervor, auch diesmal wieder seiner kolonialen
Geschichte gegenübertretend, nur mit geringerem Budget, was
angesichts der monumentalen Videoinstallation in 2024 keine Kunst
ist. Die verschiedenen Räume sind an ehemals kolonial
Unterdrückte vermietet und diese zeigen zum Beispiel in einer
raumfüllenden Balkengrafik, welches Land wie viele Umweltschäden
in ihrer Geschichte angesammelt hat. Dass ich, um das zu
verstehen, die zwei verschiedenen Erklärungen zweimal lesen und
mir zusätzlich nochmal verbal erklären lassen musste, lag an mir,
klar. Umhüllt war das britische Haus von einem Vorhang aus
kleinen Glocken aus Ton und Kohle, Materialien, die seit
zigtausenden Jahren in Afrika verwendet werden, um Kälte wie
Wärme zu speichern und da man die Dinger bei 35 Grad im Schatten
anfassen konnte, war der Effekt erfühlbar. So geht intelligentes
Ausstellungsdesign.


Im Verhältnis regelrecht oppulent bespielt war der deutsche
Pavillon, man hatte einen Raum zur Wärmekammer umgestaltet, bei
der man als Begehende die zukünftigen Temperaturen in unseren
Städten am eigenen Leib erfahren konnte, dazu gab es
geschmackvolle Statistiken an die Wand projiziert und die übliche
Space Age Music. Viel Infotafel brauchte man nicht, um die
Message zu verstehen, aber dass sich Deutschland als einzige
Nation selbstverleugnend den Tafeltext in der Landessprache spart
und nur in italienisch und englisch erklärt ist.. keine Ahnung
was es ist.. bekloppt? Dabei sprach im Pavillon ein jeder
deutsch, wie gefühlt auf der ganzen Biennale die Hälfte. Macht
das Publikum zur Kunstbiennale einen auf Bohème, trifft sich zur
Architekturbiennale stabil die deutsche Mittelschicht mit Papa im
mittleren Management, Mutti irgendwas Soziales und den
obligatorischen zwei Teenagertöchtern am Handy. Das andere
Besuchermodell war der geschiedene Vater ohne Sorgerecht, der,
obwohl gerade entlassen, weil AI (nein, weil er zu oft Montags
gefehlt), das noch für sich behält und die ETFs angezapft hat, um
den 14-jährigen Sohn drei Tage durch Venedig zu schleifen, wobei
er vergeblich versucht, mit ihm per Mansplaining zu bonden. Der
Balg rennt mit neutraler Miene hinterm Papa her und nickt und
versucht verstohlen, mit den Teenagerinnen in Blickkontakt zu
kommen. Das funktioniert leider gar nicht, denn die riechen den
Odor des Verlierer-Vaters am Sohn. Bitter.


Raus aus diesen deprimierenden Bienalegärten also. Gehen wir ins
Arsenale, dem zweiten großen Ausstellungskomplex in den
ehemaligen Schiffswerften der Stadt. Hier wird richtiges Geld
verbraten und man sieht es. Zunächst geht es wieder durch einen
Raum, der uns zeigen soll, wie sich Erderwärmung anfühlt. Wir
haben es verstanden. Danach zeigt die Biennale, wie man
Ausstellung macht. Nicht nach Ländern geordnet wie in den
Kunstjahren wird hier alles gemixt und gematcht, derer man
international habhaft werden kann, so dass die Qualität der
Objekte unter der Quantität manchmal leidet. Das Thema ist immer
noch "Irgendwas mit AI und Umwelt" und hier wird zum Glück
größtenteils nicht versucht, Kunst zu machen, sondern Information
zu vermitteln. Mit der Proliferation von Beamern und
Flachbildschirmen ist das ein leicht anstrengendes
Multimediaspektakel, bis man bemerkt, dass zwischen all dem
Geflimmer immer gleich und doch leicht unterschiedlich
aussehender "Krempel" steht. Nun: Die Erfindung und
Kommodifizierung des 3-D-Druckers ermöglicht, eine solche
Ausstellung in unvorstellbarer Geschwindigkeit mit mehr oder
weniger passenden Objekten vollzukacken. Der 3-D-Drucker ist der
neue Flachbildschirm. Was Architekten früher in mühevoller
Klebearbeit hergestellt haben, macht jetzt der Printer und es ist
meist nicht wirklich hilfreich.


Ansonsten gibt es Tafeln, Filme, Installationen mit Ideen, wie
man die Welt besser machen kann, die aber, so mein Gefühl, zu 90%
die Welt nicht retten werden, da sie nicht skalieren. Den wohl
größten Beitrag zum Umweltschutz leistet die 2025er Biennale mit
dem Feature, die langen Ausstellungstexte, die, machen wir uns
ehrlich, zu großen Teilen mit Hilfe von AI erzeugt wurden,
wiederum mithilfe von AI auf einen Absatz zusammenzufassen und
diesen unter den ausführlichen Text zu drucken. Ich hab die
Zusammenfassungen letztes Jahr noch umweltschädigend selbst per
Handyfoto und ChatGPT erzeugt, das sollte Schule machen!


Damit so eine Bienale auch ästhetisch packt, zeigen uns
eingesprengelt große Architekturbüros in teuren 3D-Animationen
zum Beispiel wie man "organisch" Holzhäuser in den Jungle bauen
könnte, ohne diesen zu beschädigen, das sieht dann aus wie Avatar
in grün und keiner kommt auf die Idee zu fragen, warum man
irgendwelche Scheiß-Häuser in den Jungle bauen sollte. Irgendwie
hat man das Gefühl, dass das alles die Hobbyprojekte
überbezahlter Architekten sind, die kein einziges Problem lösen
außer dem der eigenen Steuererklärung, denn natürlich kann man
diese Ausgaben ganz prima gegen den Gewinn der Agentur rechnen.


Die tollen Objekte kommen fast immer aus überraschenden Ecken,
Holzschnitzer aus Buthan teilen sich eine riesige traditionelle
Schnitzarbeit mit einem Roboter (der natürlich "AI" genannt wird)
und man steigt um das 10x10 Meter große Ding und rätselt, was
schnitzte Mensch, was Maschine.


Oder das Objekt "Calculating Empires", eine Timeline
interdisziplinärer Entwicklungen der letzten 500 Jahre in einem
parallelen Zeitstrahl, begehbar auf dreißig Metern.


Diese Grafik gibt es hochauflösend und zum reinzoomen auf einer
Website und die ist jetzt gebookmarked, denn wie Entdeckungen und
technische Entwicklungen zusammenhängen, habe ich selten
begreifbarer gesehen, es schärft aus der Perspektive der
Vergangenheit den Blick für die Gegenwart und so fällt einem dann
beim abschließenden Besuch des Hong-Konger Pavillion auf, dass
dort Bücher über Architektur ausliegen. Richtige Bücher. Über die
Architektur Pekings.


Willkommen in 2025.


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