Von Bußgeld bis Kiss-Cam-Skandal

Von Bußgeld bis Kiss-Cam-Skandal

Mit Holger Bleich und Joerg Heidrich
57 Minuten

Beschreibung

vor 4 Monaten
Die Sommerflaute nutzen die beiden Hosts für einen bunten Ritt
durch die Datenschutzwelt. Holger und Joerg Heidrich präsentieren
in Episode 139 ihre persönliche Auswahl aktueller Fälle und
Entwicklungen. Den Auftakt macht das obligatorische "Bußgeld der
Woche", diesmal aus Italien: Die Autostrade per l'Italia muss
420.000 Euro zahlen, weil sie private Facebook-Posts und
WhatsApp-Nachrichten einer Mitarbeiterin für ein
Disziplinarverfahren verwendet hatte. Die italienische
Datenschutzbehörde Garante betont, dass online verfügbare Daten
nicht automatisch für jeden Zweck genutzt werden dürfen. Die
Behörde sah darin einen Verstoß gegen die Zweckbindung
personenbezogener Daten. Holger und Joerg diskutieren, ob zumindest
öffentliche Social-Media-Posts tatsächlich nicht für andere Zwecke
verwendet werden dürfen. Einiges Rumoren in der
Datenschutz-Community erzeugt ein Urteil des Landgerichts (LG)
Leipzig: 5000 Euro Schadensersatz sprach es einem Nutzer zu, der
sich von den Meta-Business-Tools im Web überwacht fühlt. Viele
Website-Betreiber nutzen diese Tools, etwa in form von
Social-Plug-ins. Meta könne damit allerdings "jeden Nutzer zu jeder
Zeit individuell erkennbar [machen], sobald er sich auf
Drittwebseiten bewegt oder eine App benutzt hat, auch wenn er sich
nicht über den Instagram- oder Facebook-Account angemeldet hat", so
das Gericht. Die Höhe des Schmerzensgeldes nach Art. 82 DSGVO müsse
demnach über die in der nationalen Rechtsprechungspraxis
etablierten Beträge hinausgehen. Das Gericht sieht eine
systematische Überwachung und spricht von einem Signal gegen Meta.
Die Hosts zeigen sich überrascht von der Höhe des Schadensersatzes,
der ohne konkrete Schadensdarlegung allein auf Basis eines
"Überwachungsgefühls" zugesprochen wurde. Dies könne für Meta
tatsächlich gravierende Folgen haben, wenn sich die Ansicht des LG
Leipzig an anderen Gerichten durchsetzen sollte. Derweil gerät
Microsoft in Erklärungsnot: Nachdem der Konzern vollmundig eine
undurchlässige "EU Data Boundary" für der Kundschaft in der EU
versprochen hatte, räumte der französische Chefjustiziar nun ein,
dass US-Behörden über den Cloud Act weiterhin auf europäische
Kundendaten zugreifen können. Holger zeigt sich wenig überrascht,
aber verärgert über die irreführenden Versprechen. Ein weiteres Mal
stehe die Glaubwürdigkeit von Datenschutzversprechen großer
US-Tech-Konzerne in Frage. Die Hosts widmen sich außerdem einem
viralen Privacy-Desaster: Bei einem Konzert der Popband Coldplay
wurden zwei Personen von der "Kiss Cam" in einer intimen Situation
erfasst. Als die beiden sich selbst auf der Leinwand im Saal
erkannten, schlug die Frau die Hände vors Gesicht, der Mann ging in
die Hocke und versteckte sich. Das Video verbreitete sich rasant im
Netz, die Betroffenen wurden identifiziert und öffentlich
bloßgestellt, mit schwerwiegenden persönlichen Konsequenzen.
Unbeteiligte mit ähnlichen Namen gerieten ins Visier des
Internet-Mobs. Bleich findet das "eklig" und kritisiert die
Post-Privacy-Gesellschaft scharf. Joerg erläutert anhand des
Beispiels überdies die rechtlichen Aspekte solcher Aufnahmen bei
Großveranstaltungen. Als Ferienlektüre empfiehlt Holger
zuguterletzt den aktuellen Tätigkeitsbericht des Katholischen
Datenschutzzentrums (siehe Shownotes) - mit skurrilen Fällen wie
falsch etikettierten Plazenten und datenschutzrechtlichen Fragen
bei Teufelsaustreibungen.

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