Warnsignale überhört? Teil 1 | Von Wolfgang Effenberger
37 Minuten
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Beschreibung
vor 4 Monaten
Von Sarajevo nach heute: gefährliche Ruhe vor dem
Sturm
Ein Standpunkt von Wolfgang
Effenberger.
Trotz der politischen Spannungen nach dem Attentat von Sarajevo
am 28. Juni 1914 war die Stimmungslage in der ersten
Julihälfte 1914 geprägt von Urlaubsstimmung und einer
trügerischen Normalität – an einen unmittelbar bevorstehenden
Krieg dachte kaum jemand.
Angesichts der Furcht vor weiteren Anschlägen ist die
Betroffenheit vieler monarchistischer Repräsentanten nach der
Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand durchaus nachvollziehbar
(keine 24 Stunden später war der Mordanschlag auf den am Zarenhof
tätigen Friedensapostel und Wunderheiler Rasputin in Sibirien
erfolgt). (1)
Nicht nur in Europa wurde der Anschlag auf Franz Ferdinand als
terroristischer Akt verurteilt, der Österreich-Ungarn das Recht
auf Satisfaktion gab. In Wien hatte man eindeutige Hinweise, dass
Belgrad für den Mord verantwortlich war. In der Tat hatte der
Chef des serbischen Geheimdienstes, Dragutin Dimitrijevic-Apis,
den Attentätern die Waffen geliefert, und auch der serbische
Ministerpräsident, Nikola Pašic, hatte die Attentatspläne aktiv
unterstütz (siehe Pašic-Handzettel mit der Anweisung, den
Schülern Bomben und Revolver zu übergeben). (2)
So forderte Kaiser Wilhelm II. unnachgiebige Bestrafung der
Drahtzieher und schloss auch eine Strafaktion gegen Serbien nicht
aus. Für ihn war es wahrscheinlich ausgeschlossen, dass daraus
ein europäischer Krieg werden könnte: Waren doch in den
vorhergegangenen Jahren so viele Balkan-Spannungen vorangegangen
und 1912 und 1913 sogar zwei Balkankriege geführt worden, in
denen sich Deutschland und Österreich-Ungarn um Verständigung
bemüht hatten. Hatte man nicht noch vor einem Jahr das
Jubiläumsfest und Friedensfest des deutschen Kaisers mit den
fremden Souveränen und den herzlichen Wünschen des Präsidenten
der Französischen Republik gefeiert? Obwohl sich Wilhelm II. nach
Wien zur Teilnahme an der Beisetzung angemeldet hatte, sagte er –
auf Rat seines Kanzlers eine Erkältung vorschützend - wieder ab.
Hatte er Angst, dass jene „berufsmäßigen Königsmörder“ nach
seinem Leben trachten würden? Innerlich hoffte er, dass der
Anschlag auf Franz Ferdinand die Monarchen Europas mit ihren
Staaten und Völkern fester gegen die imaginären
„Anarchistenmörder“ zusammenhalten würden und ein europäischer
Krieg auszuschließen sei.
Am 5. Juli, einen Tag vor Antritt der gewohnten Nordlandreise,
gab Wilhelm II dem österreichisch-ungarischen Botschafter in
Berlin, Ladislaus von Szögyény-Marich, – unter Vorbehalt einer
Beratung mit dem Reichskanzler – spontan die Zusicherung, dass
"Deutschland in gewohnter Bundestreue an unserer Seite stehen
werde".(3)
Einen Tag später bestätigte Reichskanzler Theobald von Bethmann
Hollweg in einem Telegramm an den österreichisch-ungarischen
Außenminister Leopold Graf Berchtold die Zusage Deutschlands, „im
Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten
Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns zu stehen“. (4)
Zum Vergleich: 28. Juni 1914 – 11. September
2001
Hatte der Kaiser eine Woche nach dem Anschlag und dem
vorliegenden Nachweis, dass die Spur der Attentäter nach Belgrad
führte, seine Zusage gegeben, erklärte der damalige Bundeskanzler
Gerhard Schröder keine 24 Stunden nach den Terroranschlägen im
Deutschen Bundestag den USA die „uneingeschränkte Solidarität“
Deutschlands.
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