Im Gespräch mit ... Gerd Koenen

Im Gespräch mit ... Gerd Koenen

1 Stunde 45 Minuten

Beschreibung

vor 5 Monaten

Es gibt nur wenige Zeitgenossen, die sich mit den
historisch-untergründigen Geistesströmungen beschäftigen, welche
uns in die gegenwärtigen Kalamitäten hineingeführt haben – eine
Welt, in welcher der Krieg zu einem Mittel der Politik geworden
ist, der starke Mann zu einer Sehnsuchtsfigur – und autoritäre
Gedankenfiguren eine bizarre Wiederauferstehung erleben. Mag
sein, dass der Grund, der Gerd Koenen zur Anamnese unserer
Gegenwart gebracht hat, mit der persönlichen Erfahrung der
Kulturrevolution verwoben ist. Als Mitglied des SDS und des
Kommunistischen Bundes Westdeutschlands, dessen Kommunistische
Volkszeitung er als Redakteur betreute, befand er sich gleichsam
im Zentrum des Geschehens - und konnte nach seinem Ausstieg aus
der Bewegung, wie kaum ein anderer, die Geschichte der 68er
Revolte nachzeichnen. In dieser Erzählung wird deutlich, wie die
Traumpfade der Weltrevolution in einen geistigen Tunnel
hineingeführt haben, in dem die Phantasmen der Stadtindianer in
die Gewalttaten der RAF eingemündet sind. Als Historiker, der mit
einer Psychoanalytikerin aus dem ehemaligen Ostblock verheiratet
ist, darüber hinaus vielfältige Kontakte zur Solidarność und zu
ausgebürgerten Dissidenten unterhielt (wie etwa Lew Kopelew),
führte ihn die Problematik des real-existierenden Kommunismus zu
der Frage, wie die politische Ökonomie eines Karl Marx in eine
totalitäre Staats- und Gesellschaftsform umschlagen konnte. Weil
aus dieser langen Beschäftigung mit der Frage des Kommunismus ein
intensives Verhältnis zu Russland entstand, ist Koenen zum
Chronisten auch jenes Wandels geworden, der uns heute in Gestalt
des bellizistischen Putin-Russlands gegenübersteht. Und genau
hier setzt unsere Unterhaltung an, die eine große geschichtliche
tour de force geworden ist – und sich mit jenen gedanklichen
Hohlräumen beschäftigt, die uns noch heute umtreiben. Dies mag
der Frage gelten, ob der Marsch durch die Institutionen zu ihrer
sukzessiven Aushöhlung geführt hat – und ob diese Form der
politischen Evakuierung zum Erstarken antidemokratischer, ja,
bellizistischer Grundhaltungen geführt hat, aber ebenso steht die
Politik des Ressentiments und des gegenwärtigen Nihilismus auf
dem Tablett.


Gerd Koenen, 1944 geboren, war in jungen Jahren Mitglied des SDS
und der KBW, nach seinem Austritt aus der Bewegung Redakteur des
Pflasterstrands. Ihm verdankt sich eine wunderbare Chronik dieser
Zeit: Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution
1967–1977. In der Folge hat er sich als Historiker in mehreren
Büchern mit der Geschichte des utopischen Denkens und des
Kommunismus beschäftigt – wobei zunächst das deutsche Verhältnis
zu Russland, dann Russland selbst in den Vordergrund getreten
ist.


Von Gerd Koenen sind (u.a.) erschienen


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