Podcaster
Episoden
09.11.2025
1 Stunde 1 Minute
Es ist absehbar, dass die Computerkultur eine tiefe Erschütterung
unserer Arbeitswelt darstellt, ja, dass vieles, was uns derzeit
als wertvolle Arbeitsleistung erscheint, im Museum der Arbeit
verschwinden wird. Schon ist dies ein Grund, sich eingehend mit
der Thematik zu beschäftigen. Dass hierzulande vor allem die
Skepsis vorherrscht, mag einer gewissen, urdeutschen
Risikoaversion zuzuschreiben sein, aber dass auch im Silicon
Valley sich eine Art Doomstalk etabliert hat, verrät, dass sich
die Disruption der Künstlichen Intelligenz in die Folge jener
großen kulturellen Demütigungen einreiht, über die Freud schon in
seinem „Unbehagen in der Kultur“ geschrieben hat. Wie aber sieht
die Zukunft aus, wenn man sich nicht mit der Beschwörung von
dystopischen oder utopischen Zukunfstbildern, mit Fluch und Segen
aufhalten möchte? Dass mein Blick hier auf Pero Mićić gefallen
ist, hat damit zu tun, dass man es hier mit jemandem zu tun hat,
der sich nicht bloß theoretisch, sondern höchst praktisch mit
diesen Fragen beschäftigt, sei es als Investor in diversen
Startups, als Autor und Redner – oder als Hochschulprofessor, der
seine Studenten in Foresight and Strategy unterrichtet.
Tatsächlich versteht sich Mićić, auch wenn er Gründungsmitglied
der US-amerikanischen Association of Professional Futurists ist,
nicht als Futurologe, sondern als Zukunftsmanager, d.h. als
jemand, der, von den Annahmen ausgehend, die wir über unsere
Technologie haben, sich mit der praktischen Gestaltung der
Zukunft befasst.
Pero Mićić ist als Zukunftsmanager, Investor, Redner und
Buchautor tätig. Nebenher lehrt er an der Steinbeis-Hochschule
Berlin.
Pero Mićić hat (u.a.) veröffentlicht
Themenverwandt
Get full access to Ex nihilo - Martin Burckhardt at
martinburckhardt.substack.com/subscribe
Mehr
08.10.2025
57 Minuten
Manchmal hält das Leben wirkliche Überraschungen bereit – und
diese sind umso denkwürdiger, je weniger man im vorhinein darüber
nachgedacht hat. So wie ich, als ich bei einer Tagung die
Gelegenheit hatte, am ersten Yoga-Kurs meines Lebens
teilzunehmen– nur um ein paar Tage später, auf dem Rückflug nach
Berlin, einen Essay zu lesen, der davon erzählte, dass ein Teil
der berühmten Yoga-Stellungen nicht auf die Weisheit Indiens und
eine Geschichte von fünftausend Jahren zurückgehen, sondern auf
das dänische Ollerup. Und unversehens ist man damit in einem
Städtchen von 1.2000 Menschen gelandet, wo in den 20er Jahren des
letzten Jahrhunderts der dänische Erzieher Niels Bukh, ein
bekennender Nationalsozialist, eine Gymnastikschule aufmachte, in
der, mit deutlich homoerotischem Einschlag, junge Männer ihrem
körperlichen Selbstertüchtigungsbegehren freien, nein, überaus
kontrollierten Lauf lassen konnten. Und weil man im fraglichen
Essay über den Satz stolpert: »Nicht Europa hatte während der
Kolonialzeiten die Weisheit Indiens entdeckt, sondern: Indien
hatte den Westen entdeckt«, gerät man in ein geistiges
Spiegelkabinett hinein, wo Begriffe wie Orientalismus, kulturelle
Appropriation udgl. keinen Sinn mehr ergeben – wo stattdessen die
Neugierde dominiert, was es mit diesem sonderbaren Amalgam aus
indischer Weisheit, Ollerupscher Körperbeherrschung und
Nationalsozialismus auf sich hat. Abgesehen einmal davon, dass
eine solch denkwürdige Mischung die intellektuelle Neugierde auf
den Plan ruft, wurde diese Empfindung noch dadurch gesteigert,
dass der Name des Verfassers, obgleich in einer
englischsprachigen Publikation erschienen, eine deutsche, fast
ikonische Prägung auswies: Carl von Siemens. Und weil er ein
durchaus bekannter Reiseschriftsteller ist, tauschten wir ein
paar Mails miteinander aus und verabredeten uns zu einem
Gespräch. Herausgekommen ist eine anregende Unterhaltung, die
nicht nur die Geschichte des Niels Bukh erzählt, sondern auch die
Frage berührt, was dies mit der Biopolitik Foucaultscher Prägung
zu tun haben könnte, und was das Leben der australischen
Aborigines Australiens mit der Erfahrung des Techno verbindet.
Carl von Siemens ist ein deutscher
Schriftsteller und Journalist. Nach einer Ausbildung zum Dr.
publ. oec., die den jungen Mann wohl für eine Karriere im
Siemens-Konzern präparieren sollte, begeisterte er sich für den
Techno, bereiste die Welt und schrieb einige Reisebücher, die er
selbst dem Genre der Autofiktion zurechnet. Neben Artikeln für
Die Zeit, Die Welt und den Rolling Stone, schrieb er auch für das
hochintellektuelle Publikum von Lettre International.
Carl von Siemens hat (u.a.) veröffentlicht
Themenverwandt
Get full access to Ex nihilo - Martin Burckhardt at
martinburckhardt.substack.com/subscribe
Mehr
28.09.2025
1 Stunde 30 Minuten
Man muss weder Prophet noch Marxist sein, um zu der Diagnose zu
gelangen, dass der Kapitalismus seit geraumer Zeit schon an einer
Systemkrise leidet – und diese hat nicht unwesentlich mit den
Erschütterungen zu tun, die mit der Digitalisierung einhergehen.
Wenn der Influencer zur Sehnsuchtsfigur wird, ja, zum
Persönlichkeitsmodell, dem die jungen Menschen nacheifern, stellt
sich die Frage, ob der Hintern von Kim Kardashian das Maß aller
Dinge darstellt und ob die Aufmerksamkeitsökonomie, zuende
gedacht, nicht auf das hinausläuft, was Nietzsche die Entwertung
der Werte genannt hat. Aber weil uns dies als Trash-Faktor längst
zur Alltäglichkeit geworden ist, ist klar, dass ein bloß
kulturkritischer Ansatz an der Frage vorbeigehen muss, dass man
sich stattdessen den strukturellen Veränderungen zuwenden muss.
Genau dies ist ein Grund, sich mit Philipp Staab zu unterhalten,
der sich die Frage des Digitalen Kapitalismus vorgenommen hat.
Sind die Ökonomen über lange Zeit davon ausgegangen, dass der
Mensch auf dem Stern der Knappheit lebt, hat Staab diesen
Betrachtungswinkel umgedreht. Denn er fragt sich, wie sich die
Ökonomie der Unknappheit auf die Märkte und
Herrschaftsverhältnisse auswirkt. Wie lebt es sich in der
Überflussgesellschaft, wenn der Preis für all die wunderbaren
Annehmlichkeiten darin besteht, dass nicht mehr die Politik,
sondern die Tech-Giganten darüber befinden, was Sache ist – und
folglich res publica?
Philipp Staab ist ein deutscher Soziologe, der am Institut für
Sozialwissenschaften der Humboldt Universität zur Zukunft der
Arbeit lehrt und forscht. Zugleich ist er Fellow des Einstein
Zentrum Digitale Zukunft.
Philipp Staab hat veröffentlicht
Themenverwandt
Get full access to Ex nihilo - Martin Burckhardt at
martinburckhardt.substack.com/subscribe
Mehr
14.09.2025
53 Minuten
Zweifellos markiert der 7. Oktober eine historische
Wasserscheide, haben die öffentlichen Feiern des Hamas-Pogroms
doch deutlich gemacht, dass das »Nie-Wieder« der deutschen
Erinnerungskultur frommes Wunschdenken ist. Eines der größten
Rätsel dabei ist, wie und warum ausgerechnet Universitäten, die
im letzten Jahrzehnt sich alle Mühe gegeben haben, sich als safe
spaces zu etablieren, zu Horten eines neuen, nicht selten
militanten Antisemitismus werden konnten. Dass mein Blick hier
auf Franziska Sittig gefallen ist, ist insofern nicht
erstaunlich, als sie als Studentin an der Columbia University aus
nächster Nähe – und mit großer Verwunderung - hat beobachten
können, wie noch am Folgetag studentische Hamas-Unterstützer sich
auf dem Campus zusammenrotteten, unterstützt von einigen
Mitgliedern der Professorenschar selbst. Und weil sie diese
Ereignisse für verschiedene Zeitungen und Magazine aufnotiert
hat, haben wir uns zu einem Gespräch darüber zusammengefunden.
Als Boomer lernt man durchaus Erstaunliches dabei: dass man
heutzutage von Zionazis spricht und auf TikTok Videoshorts
zirkulieren, die sich die Leugnung des Holocaust zur Aufgabe
gemacht haben.
Franziska Sittig ist Collegiate Associate am Manhattan Institute.
Sie studierte in Heidelberg und an der Columbia University in New
York City. Sie veröffentlichte Beiträge für die Frankfurter
Allgemeine Zeitung, für die Zeit, die Jüdische Allgemeine, Focus
Money, Cicero sowie das US-amerikanische City Journal.
Franziska Sittig hat veröffentlicht
Themenverwandt
Get full access to Ex nihilo - Martin Burckhardt at
martinburckhardt.substack.com/subscribe
Mehr
24.08.2025
1 Stunde 10 Minuten
Wohl kein Thema hat die Öffentlichkeit in den letzten Jahren
stärker verstört als die Migration, die, im Namen der
Menschlichkeit, letztlich in eine Form der inneren Zwietracht,
ja, des symbolischen Bürgerkriegs eingemündet ist. Hätte schon
die Kölner Silvesternacht die Anhänger der Willkommenskultur
lehren können, dass man in Gestalt unzähliger Neubürger durchaus
neuartige Probleme gewärtigen muss (wie den Taharrusch dschama'i
beispielsweise), war die Verführung, sich dem Rausch des moral
grandstanding hinzugeben, doch allzu groß. So groß jedenfalls,
dass die classe politique sich kurzerhand weigerte, die
selbstgeschaffenen Realitäten zur Kenntnis zu nehmen – während
auf der anderen Seite das vielgescholtene „Pack“, in einer
verstockten Schweigespirale befangen, sich dem Populismus ergab
oder sich damit begnügte, in Leserbriefen das double speak des
Einmann zu zergliedern. Die Folgen des gesellschaftlichen
Schismas sind allüberall zu besichtigen: Invektiven sind zu einer
politischen Währung geworden, während bürgerliche Tugenden in den
Hintergrund gerückt sind. In jedem Fall muss der politische
Beobachter diagnostizieren, dass der Verlust der äußeren Grenzen
die innere Ausgrenzung zur Folge gehabt hat. Dass in dieser noch
immer aufgeheizten Debatte mein Blick auf Frank Urbaniok gefallen
ist, hat damit zu tun, dass sich hier jemand zu Wort meldet, der,
aller xenophoben Neigung unverdächtig, die Entstehung des
Problems aus nächster Nähe – und mit professioneller Distanz -
hat verfolgen können. Denn als Psychiater, der zuallererst mit
persönlichkeitsgestörten Sexualstraftätern beschäftigt war, kann
man sich nicht mit der moralischen Verurteilung begnügen, sondern
gilt es zuvörderst zu verstehen, was den Betreffenden zu seinem
Handeln veranlasst. Dass Urbaniok, der in seiner Eigenschaft als
Chefarzt des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes in Zürich,
aber auch als Supervisor und Gutachter Tausende von Straftätern
kennengelernt hat, sich der Frage der Migration zuwandte, hatte
damit zu tun, dass er zunehmend mit Tätern zu tun hatte, deren
Handeln eine kulturelle Prägung aufwies. Mehr noch als dies aber
frappierte ihn das dröhnende Schweigen seiner Kollegenschar -
dass Kriminologen und Migrationsforscher, statt unangenehme
Realitäten zur Kenntnis zu nehmen, dem den Schleier des
Nichtwissenwollens vorziehen konnten. Genau dies hat ihn
veranlasst, ein Buch zu den Schattenseiten der Migration zu
verfassen, ein Buch, in das die Erfahrungen eines langen
Berufsleben eingeflossen sind.
Frank Urbaniok ist ein deutsch-schweizerischer forensischer
Psychiater. Er war in den Jahren 1997 bis 2018 Chefarzt des
Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes des Kantons Zürich. Zudem
lehrt er an der Universität Konstanz Forensische Psychiatrie.
Themenverwandt
Get full access to Ex nihilo - Martin Burckhardt at
martinburckhardt.substack.com/subscribe
Mehr
Über diesen Podcast
Dieser Podcast präsentiert Buchkapitel, die sich zu Audiostücke
gewandelt haben, aber wird auch Gespräche mit anderen Autoren
enthalten.
martinburckhardt.substack.com
Kommentare (0)