127 — Nicht einmal die Schweiz ist neutral...

127 — Nicht einmal die Schweiz ist neutral...

20 Minuten

Beschreibung

vor 5 Monaten

Der Titel dieser kurzen Episode ist »Nicht einmal die Schweiz ist
neutral...«, was können wir dann von Wissenschaftern,
Journalisten und anderen öffentlichen Denkern und Kommentatoren
erwarten? Es ist aufs Neue eine Episode die zum Nachdenken und
Widerspruch anregen soll. 


Der Auslöser dieser Episode ist ein Tweet, wo mir vorgeworfen
wurde, ich würde meiner Glaubwürdigkeit schaden, weil ich eine
bestimmte Position in einer Sachfrage vertrete und einen
diesbezüglichen Tweet retweetet hätte. Es geht hier nicht um
diese Sache an sich, sondern um die dahinterliegende Frage, die
ich für gerechtfertigt halte.


Zunächst einmal stellt sich die Frage: Ist Neutralität überhaupt
ein Ziel?


Noch grundsätzlicher gedacht: Niemand ist neutral. Damit haben
wir eine Überschneidung mit dem Titel der letzten Episode. Sie
erinnern sich vielleicht an den Kohlenkeller. Das Zitat von Karl
Popper  lautete:


»Wissenschaft ist, wenn man schwarz gekleidet in einem dunklen
Kohlenkeller nach einer schwarzen Katze sucht, von der man gar
nicht weiß, ob sie existiert.«


Wie sollte eine solche Neutralität auch aussehen? Wozu dürfte ich
mich äußern? Ist Neutralität auf der individuellen Ebene in
Wahrheit unmöglich?


An dieser Stelle möchte ich wieder zwei meiner Lieblingszitate
von Karl Popper aus dem Buch »Auf der Suche nach einer besseren
Welt« aus dem Jahr 1987 bringen:


»Klarheit ist ein intellektueller Wert an sich; Genauigkeit und
Präzision aber sind es nicht.« und »Wir dürfen nie vorgeben zu
wissen, und dürfen nie große Worte gebrauchen«


Leider wird das oftmals nicht gemacht und Popper folgert:


»Das Verfahren – wo die Argumente fehlen, da ersetze man sie
durch den Wortschwall – war erfolgreich.«


Wann und wie sollte man sich also in der Öffentlichkeit äußern?
Welches Risiko eingehen? Verliert man Freunde oder Kollegen, wenn
man seine Ansicht äußert? Was sagt das über unsere Gesellschaft?
Sind wir in Geiselhaft einer kleinen, aber aggressiven und
illiberalen Elite?


»When you are the smartes person in the room, you are in the
wrong room.«


Aber es gibt nicht nur die individuelle Ebene. Gibt es einen
fundamentalen und wichtig zu verstehenden Unterschied zwischen
Individuum und Organisation/Gruppe? Was sollten wir hier
bedenken?


»Strongly held convictions that are prior to research often seem
to be a precondition for success in the sciences.«, Thomas S.
Kuhn


Die Suche nach Erkenntnis und Wahrheit ist ein ewiger Kampf. Ein
Kampf, der sich nicht delegieren lässt. Nur Diktatoren behaupten,
dieses Problem lösen zu können; behaupten Organisationen zu
haben, die Missinformation (was immer das konkret bedeuten soll)
erkennen und verhindern.


Ich bin davon überzeugt, dass autoritäre, paternalistische und
totalitäre Ideen immer schreckliche Folgen haben. Niemand ist
neutral, niemand hat die Wahrheit gepachtet. Versuchen wir also,
unsere unterschiedlichen Ansichten fundiert und nachvollziehbar
darzustellen und in den kritischen Diskurs zu gehen.


Referenzen


Andere Episoden


Episode 126: Schwarz gekleidet im dunklen Kohlekeller. Ein
Gespräch mit Axel Bojanowski

Episode 121: Künstliche Unintelligenz

Episode 118: Science and Decision Making under Uncertainty, A
Conversation with Prof. John Ioannidis

Episode 117: Der humpelnde Staat, ein Gespräch mit Prof.
Christoph Kletzer

Episode 116: Science and Politics, A Conversation with Prof.
Jessica Weinkle

Episode 106: Wissenschaft als Ersatzreligion? Ein Gespräch
mit  Manfred Glauninger

Episode 96: Ist der heutigen Welt nur mehr mit Komödie
beizukommen? Ein Gespräch mit Vince Ebert

Episode 88: Liberalismus und Freiheitsgrade, ein Gespräch mit
Prof. Christoph Möllers

Episode 84: (Epistemische) Krisen? Ein Gespräch mit Jan David
Zimmermann

Episode 1: Zukunft Denken – eine gemeinsame Reise



Fachliche Referenzen


Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt (1987)

Thomas S. Kuhn, The Function of Dogma in Scientific Research,
in A.C. Crombie, ed. Scientific Change: Historical Studies in the
Intellectual, Social and Technical Conditions for Scientific
Discovery and Technical Invention, From Antiquity to the Present.
New York: Basic Books, pp. 347-69. (1963)

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