Im Gespräch mit ... Bernhard Krötz
1 Stunde 43 Minuten
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Beschreibung
vor 6 Monaten
Es passiert nicht allzu häufig, dass jemand, der eigentlich in
der höheren Mathematik zuhause ist (und sich dort mit reellen
sphärischen Räumen, Liu-Gruppen und Fragen der Spektralanalyse
beschäftigt), sich in die Niederungen unseres Bildungssystems
hinein verirrt, mehr noch, dass er den Schulunterricht darauf
befragt, ob er das, was zu leisten er vorgibt, tatsächlich
abliefert. Dass Bernhard Krötz sich diesem Exerzitium unterzogen
hat, mag damit zu tun haben, dass ihn die Corona-Krise, als Vater
eines heranwachsenden Sohnes, in die häusliche Lehre hinein
nötigte. In jedem Fall bespricht Krötz seit dem Jahr 2021 auf
seinem YouTube-Kanal den real existierenden Mathematikunterricht.
Und weil seinen Videos ein großer Zuspruch beschieden ist,
erreichten ihn die Berichte von verzweifelten Eltern und
Schülern, die einen nicht-enden-wollenden Strom von
Anschauungsmaterial darüber lieferten, wie eine Mathematik ohne
Mathematik – und eine Physik ohne Physik – tatsächlich aussehen
kann. Wenn Georg Picht in den 60er Jahren eine
Bildungskatastrophe ausgerufen hat, fragt sich, welch passendes
Wort sich für den heutigen Niedergang finden ließe. Klar ist
lediglich: Dieser Qualitätsabstieg hat wenig mit dem grandiosen
Selbstbild der Bildungsrepublik Deutschland zu tun. Sonderbarer
ist, dass ein Land, das in Ermangelung der entsprechenden
Bodenschätze vor allem auf die intellektuellen Leistungen des
eigenen Nachwuchses angewiesen ist, hier so schlagend versagt;
und dies ist umso erstaunlicher, als das Versagen begleitet wird
von einem Chor unermüdlicher Bildungsreformer. Und weil dies eine
Frage ist, der ich selbst seit langer Zeit nachhänge, bin ich auf
Bernhard Krötz gestoßen, der mit großer Genauigkeit die
Sinnwidrigkeiten der schulischen Praxis zergliedert. Versucht man
ein Muster herauszupräparieren, könnte man sagen, dass sich hier,
dem schönen Bonmot gemäß, nach dem der Weg zur Hölle mit guten
Vorsätzen gepflastert ist, hehre Absichten an die Stelle einer
wirksamen Pädagogik gesetzt haben. Wenn sich diese bei genauerem
Hinschauen als Schildbürgerstreiche höherer Ordnung entpuppen,
stellt sich die Frage, was man leisten muss, um die eigene
Torheit nicht zur Kenntnis zu nehmen - was eine andere
Betrachtungsweise darauf ist, was sich heutzutage als Aktivismus
gebärdet. Sicher ist nur: Wo Wörter Realitäten ersetzen, ist der
Weg zur ideologischen Verblendung nicht fern. Und weil diese
Entwicklung auf den Zauber des digitalen Zeitalters trifft, mögen
die Verantwortlichen auch fürderhin davon träumen, dass man, nach
dem Modell des Nürnberger Trichters, den Schülern mit dem Erwerb
von iPads das Weltwissen einträufeln kann – und es vor allem
darauf ankommt, sie mit einer zeitgemäßen Moralität auszurüsten.
Wie wenig diese „weiße Pädagogik“ wirklich mit einer überlegenen
Moral zu tun hat, hat Bernhard Krötz am eigenen Leib erfahren
müssen. Unversehens nämlich sah er sich, einer flapsigen, nicht
weiter ernstgemeinten Bemerkung wegen, den wüstesten
Beschimpfungen selbsternannter Tugendwächter ausgesetzt. Aber
weil ihn dies nicht im Geringsten hat erlahmen lassen, haben wir
uns zu einem anregenden Gespräch zusammenfinden können.
Bernhard Krötz lehrt Mathematik an der Hochschule Paderborn. Für
seine wissenschaftlichen Arbeiten wurde er mit dem ERC Advanced
Grant des European Research Councils ausgezeichnet, dem höchsten
europäischen Forschungspreis. Auf seinem YouTube Kanal seziert er
mit beißendem Humor die Schildbürgerstreiche, welche sich die
Mathematik- und Physikdidaktiker so einfallen lassen.
Bernhard Krötz - Homepage
Bernard Krötz - YouTube-Kanal
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