Juristische Auslöschung ohne Urteil | Von Sabiene Jahn
31 Minuten
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Beschreibung
vor 6 Monaten
Zwischen Wahrheit und Willkür – über Alina Lipp, ihre
Berichterstattung und die europäische Realität
Ein Standpunkt von Sabiene Jahn.
Am 20. Mai 2025 will die Europäische Union das 17. Sanktionspaket
verabschieden. Es ist ein Vorgang von historischer Tragweite –
nicht wegen seiner Größe, sondern wegen seines Charakters. Denn
diesmal betrifft es keine Staaten, keine Konzerne, keine
Waffenlieferanten. Es betrifft eigene Bürger, Journalisten und
Blogger. Menschen, die schreiben, was nicht gesagt werden soll –
oder nicht mehr gesagt werden darf. Die Namen, die in einem
geleakten Entwurf von Correktiv genannt wurden, lauten Thomas
Röper und Alina Lipp. Beide berichten aus Russland. Beide haben
sich Reichweiten erarbeitet, die aus dem Stand - außerhalb der
Systempresse - kaum jemand zu erreichen vermag: Alinas Kanal
„Neues aus Russland“ zählt rund 200.000 Abonnenten Thomas Röpers
Plattform Anti-Spiegel wird täglich tausendfach aufgerufen, weil
sie das tut, was deutsche Medien nicht mehr leisten:
Originalquellen lesen, übersetzen, kontextualisieren. Und genau
das scheint das Problem zu sein. Denn wer heute eine starke
Stimme hat – auf Telegram, YouTube, Webseiten – und das sagt, was
im offiziellen Diskurs nicht vorgesehen ist, der wird nicht mehr
widerlegt. Er wird aussortiert. Isoliert. Sanktioniert. Es geht
nicht um Inhalte. Es geht um Kontrolle.
Was diese Journalisten tun, ist unbequem – aber legitim. Sie
publizieren Reden der russischen Führung, Kommentare russischer
Wirtschaftsexperten, Philosophien, Feldberichte. Nicht, um zu
gefallen, sondern um zu ergänzen. Um ein Bild zu zeigen, das mehr
ist als ein westlicher Ausschnitt. Doch in einer EU, die längst
den Operationsplan Deutschland entworfen hat – zur
zivil-militärischen Vorbereitung eines möglichen Krieges gegen
Russland –, passt diese Vielstimmigkeit nicht mehr ins Konzept.
Man will niemanden mehr, der Frieden denkt. Stattdessen erleben
wir ein Klima, in dem Künstler mit Auftrittsverboten belegt
werden, Unternehmen Formulare unterschreiben müssen, dass sie
nicht mit russischen Firmen zusammenarbeiten – und nun auch
Journalisten ins Visier geraten, die der Zensur nicht durch
Selbstzensur zuvorkommen. Wenn diese Logik durchgeht, ist nicht
nur das Sanktionsrecht entgleist.
Treue zu dem, was stimmig ist
Wenn Entscheidungen fallen, dann geschieht das oft nicht
öffentlich, nicht laut, nicht aus Pose. Es sind leise,
verdichtete Momente, in denen etwas in einem selbst unüberhörbar
wird. Man kann das Intuition nennen oder schlicht: innere
Notwendigkeit. Ich habe solche Momente erlebt. Und ich erkenne
sie bei anderen wieder – etwa bei meiner Kollegin und Freundin
Alina Lipp. Unsere Geschichten verlaufen nicht parallel, aber sie
berühren sich in einem entscheidenden Punkt: Wir haben uns nie
mit dem abgefunden, was sich als alternativlos ausgab. Und wir
wussten, dass man für eine solche Haltung manchmal den Preis
zahlt – nicht später, sondern sofort. Ich war 18 Jahre alt, als
ich mich entschied, ein Volontariat in einem der angesehensten
DDR-Medienhäuser zu beenden. Nicht, weil ich scheiterte. Sondern,
weil man von mir verlangte, mich zu entscheiden: für den
Journalismus oder für die Musik. Ich sollte meine künstlerische
Tätigkeit – die Bandauftritte, das Zusammenspiel mit Musikern der
Dessauer Philharmonie – aufgeben, um „voll bei der Sache“ zu
sein. Die Entscheidung kam nicht aus mir, sie wurde mir
abverlangt. Von einer Funktionärin mit grauvioletter Haarpracht,
die meinte, über meine Leistungsfähigkeit besser Bescheid zu
wissen als ich selbst. Doch ich wusste: Wenn ich mich hier beuge,
beuge ich mich nicht nur vor einer Anweisung – ich verliere
etwas, das mich selbst ausmacht. Also sprach ich. Vor
versammelter Chefredaktion. Ich sagte nicht trotzig, sondern mit
ruhiger Klarheit: Ich gehe. ...hier weiterlesen:
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