Literatur vereinfachen – mit KI? Digitalität und kulturelle Teilhabe

Literatur vereinfachen – mit KI? Digitalität und kulturelle Teilhabe

Mit Thomas Kater von der Universität Münster
43 Minuten

Beschreibung

vor 6 Monaten
Kulturelle Teilhabe auch an Literatur ist ein Menschenrecht. Der
Zugang zu Kulturgütern und Kunstwerken – die nicht nur individuell
bereichernd sein können, sondern prägend für unsere Gesellschaft
sind – soll möglichst vielen Menschen offen sein. „Zugang“ meint
dabei einerseits die sinnliche Erfahrbarkeit für das Werk
wesentlicher Aspekte, aber auch die Möglichkeit eines Verstehens
dessen, womit man sich dabei konfrontiert. Im Fall der Literatur
stellt anspruchsvolle Schriftsprache allerdings für viele Menschen
ein Hindernis dar. Bis zu 17 Millionen Erwachsene haben laut
Studien in Deutschland aus ganz unterschiedlichen Gründen eine
Beeinträchtigung des Leseverstehens, der ihnen den Zugang zu
Literatur erschwert oder ganz verstellt. Soll man hier eingreifen,
indem man die literarischen Werke selbst – vielleicht sogar mittels
KI – verändert? Um den Ansatz, Literatur in Wortschatz, Grammatik,
inhaltlicher Komplexität und Bedeutung zum Teil radikal zu
vereinfachen, ist jedenfalls eine leidenschaftliche Kontroverse
entstanden. Auf der einen Seite gibt es auf dem Markt eine
Nachfrage nach vereinfachten Klassikern – mitunter verbunden mit
der Einforderung des Menschenrechts auf kulturelle Teilhabe. Auf
der anderen Seite steht nicht bloß die Würde großer Kunstwerke,
sondern vor allem die Frage, ob die Vereinfachung von Literatur
überhaupt das leistet, was sie verspricht: Ist ein Kunstwerk,
dessen Komplexität reduziert wurde, noch erfahrbar, oder liegen bei
dem, was als vereinfachte Literatur publiziert wird, schlicht
andere, neue Texte vor, die ihren Vorlagen in Witz und Wirkung kaum
noch gleichen? In dieses Bild tritt nun generative KI, denn erste
Verlage und Online-Communities erzeugen auch mithilfe großer
Sprachmodelle vereinfachte Versionen literarischer Werke – die
Vorstellung einer „Vereinfachung auf Knopfdruck“ scheint greifbar.
Was die einen als vielversprechende Hilfestellung auffassen, lehnen
andere als Kulturfrevel kategorisch ab, während Dritte befinden,
generative KI sei rein technisch sowie aus im Wesen der Literatur
selbst liegenden Gründen überhaupt nicht geeignet für diese Art von
Aufgabe. Thomas Kater ist Literaturwissenschaftler, hat
Germanistik, Philosophie und katholische Theologie studiert und
forscht zurzeit an der Universität Münster als Senior Fellow in der
Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen
Wandel“. Im Digitalgespräch erklärt der Experte, welche
Eigenschaften literarischer Werke Hürden in der Rezeption
darstellen und wie man versucht, sie abzubauen, und vor welchem
Dilemma diejenigen stehen, die mittels Vereinfachung von Werken
kulturelle Teilhabe ermöglichen wollen. Er schildert, wer hier
diskutiert und was zentrale Argumente sind, welche Aspekte von
Digitalität eine Rolle spielen, wenn es um Teilhabe an Literatur
und dem Literaturbetrieb geht, und welche rechtlichen und
praktischen Fragen dabei relevant sind. Mit den Gastgeberinnen
Marlene Görger und Petra Gehring diskutiert Kater, wie Digitalität
die Publikationspraxis verändert, welche neuen Akteure sich dabei
für kulturelle Teilhabe einsetzen, wie sich Schriftsteller:innen
positionieren, an welche Kernfragen der Literaturwissenschaft der
Streit um Vereinfachung von Literatur führt, ob der Einsatz von KI
zur Übertragung in leichte und einfache Sprache wirklich ein
plausibler Ansatz ist, um in kurzer Zeit wichtige literarische
Werke einem bisher ausgeschlossenen Publikum zugänglich zu machen –
und welche alternativen Zugänge neben der Vereinfachung Teilhabe
ermöglichen können. Link zum Originalbeitrag:
https://zevedi.de/digitalgespraech-064-thomas-kater Link zur
Webseite der Kolleg-Gruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im
digitalen Wandel“:
https://www.uni-muenster.de/KFG-Zugang/forschung/index.html

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