Affe der Macht oder Retter der Verfolgten?

Affe der Macht oder Retter der Verfolgten?

Gustaf Gründgens
9 Minuten
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Beschreibung

vor 8 Monaten

Affe der Macht oder Retter der Verfolgten?


Sein mimisches Talent war herausragend, seine Erfolge waren
triumphal, seine Inszenierungen setzten Maßstäbe. Seine Person
jedoch war hoch umstritten, sein Leben unglücklich. Gustaf
Gründgens wurde 1899 in Düsseldorf geboren.


 


Als er 1934 Intendant des Preußischen Staatsschauspiels in Berlin
wurde, hatte Gustaf Gründgens, alles erreicht, was ein
Theatermann in Deutschland erreichen konnte. Die staatlichen
Bühnen führte er zu ungeahntem Glanz. Genau das war der Ehrgeiz
des Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring, dem die
Staatstheater direkt unterstanden. Göring, der wenig später die
Schauspielerin Emmy Sonnemann heiratete, hatte das Amt des
Intendanten dem Schauspieler Gründgens angeboten, den er
bewunderte, und ließ ihm viele Freiheiten. Seine Rolle als
Künstler im Dienst der Nazidiktatur ist krass zwiespältig, die
Ambivalenz lässt sich nicht auflösen.


 


Einerseits konnte er als Protegé des mächtigen Göring manchen
Schauspielerkollegen helfen, die entweder Juden oder mit einer
Jüdin verheiratet oder als Regimegegner gefährdet waren. 1943
erreichte Gründgens, dass der Sänger und Schauspieler Ernst
Busch, ein Kommunist, nicht zum Tode verurteilt wurde, sondern zu
vier Jahren Zuchthaus. Der Anteil der Nazis im
Staatsschauspiel-Ensemble war gering. Die Bühne unter der
Diktatur war für den Intendanten ein geschützter, berechenbarer
Raum. Rückblickend sprach er von einem „Planquadrat“, auf dem er
genau wusste, „wenn ich den Satz sage, geht hinten eine Tür auf,
und eine Dame in einem grünen Kleid kommt herein – und nicht ein
SS-Mann“.


 


Andererseits verhalf er den mörderischen Machthabern zu einem
beachtlichen kulturellem Renommee und machte sie damit ein Stück
weit salonfähig. Dabei war Gründgens selbst schon allein wegen
seiner Homosexualität eindeutig gefährdet. Es war ein Tanz „auf
dem Rasiermesser“, stellte Carl Zuckmayer später fest. Die Heirat
mit der Kollegin Marianne Hoppe 1936 sollte dem Gerede über seine
sexuelle Orientierung entgegenwirken. Mit begrenztem Erfolg, wie
der Spottvers zeigt, der damals entstand: „Hoppe hoppe Gründgens,
die kriegen keine Kindgens, und wenn die Hoppe Kindgens kriegt,
dann sind sie nicht von Gründgens nicht.“


 


Klaus Mann, ältester Sohn von Thomas Mann, kannte Gründgens gut,
denn dieser war von 1926 bis 1929 mit seiner Schwester Erika
verheiratet gewesen. In dem Roman „Mephisto“, 1936 im Exil
erschienen, gibt Klaus Mann dem Schauspieler Hendrik Höfgen
deutliche Züge seines vormaligen Schwagers. Und nach einer
erfolgreichen Hamlet-Premiere lässt er in einem inneren Monolog
den Hamlet zu seinem Darsteller sagen, er sei „ein Affe der Macht
und ein Clown zur Zerstreuung der Mörder“. 


 


Der Theaterwissenschaftler und Gründgens-Biograf Thomas Blubacher
spricht von einem „schillernd widersprüchlichen Menschen, der
sicher als Nutznießer des Dritten Reiches betrachtet werden kann,
der sich aber auch erfolgreich für Kollegen eingesetzt hat“.


 


Gerade in solchem Einsatz sieht Klaus Mann in seinem Roman
egoistische Motive: Sie beruhigen nicht nur das Gewissen des
Karrieristen Höfgen alias Gründgens, sondern sind auch
„Rückversicherungen“, die er „sich ohne gar zu große Risiken
leisten durfte“: für seine Reinwaschung, wenn das NS-Regime eines
Tages nicht mehr bestehen sollte. Tatsächlich war es 1946 Ernst
Busch und anderen zu verdanken, dass Gründgens nach neun Monaten
aus einem sowjetischen Internierungslager entlassen wurde. Nun
konnte er in der Bundesrepublik erneut eine glänzende Karriere
beginnen.


 


Gründgens und später sein Erbe haben jahrzehntelang juristisch
verhindert, dass das Buch in Westdeutschland erscheinen konnte.
Das geschah erst 1980. Doch Klaus Mann hatte beteuert, sein
„Mephisto“ sei kein Schlüsselroman: „Mir lag nicht daran, die
Geschichte eines bestimmten Menschen zu erzählen […] Mir lag
daran, einen Typus darzustellen und mit ihm die verschiedenen
Milieus (mein Roman spielt keineswegs nur im ‚braunen‘), die
soziologischen und geistigen Voraussetzungen, die solchen
Aufstieg erst möglich machten.“ Dennoch: Die Übereinstimmungen
bis ins Detail, nicht nur mit der Hauptfigur, liegen auf der
Hand. Aber trotzdem, erklärt Thomas Blubacher, „erzählt der Roman
beispielhaft etwas Allgemeingültiges“. 


 


Wie aber konnte Gründgens im Faschismus künstlerisch bestehen?
Hat er seinen Anspruch verraten? Keineswegs, meint Blubacher.
Seine „werkintegren“ Klassikerinszenierungen in Verbindung mit
höchster handwerklicher Professionalität waren ihm „eine
Möglichkeit, den ‚heiligen Raum‘ des Theaters freizuhalten von
nationalsozialistisch-propagandistischer Indienstnahme“, so der
Experte. Sein „hoher und strenger Stil“ habe durchaus ins System
gepasst. Er musste sich also gar nicht in den Dienst des plumpen
„Überwältigungtheaters“ der Nazis stellen – anerkennend urteilte
später der Kollege Fritz Kortner, der als Jude vor den Nazis
fliehen musste, Gründgens habe zu den „Widerstandskämpfern gegen
den Hitlerstil“ gehört.


 


Die Rolle seines Lebens aber war der Böse in Person:
Mephistopheles in Goethes „Faust“, den er erstmals 1932 und im
Lauf seines Lebens rund 600-mal spielte. Schon vorher war er
immer wieder als durchtriebener Schurke auf der Bühne erfolgreich
gewesen, auch im Film: als Schränker, Geldschrankknacker, in „M –
Eine Stadt sucht einen Mörder“ von Fritz Lang (1931). Dem Teufel
aber, der mit Faust einen Pakt schließt, verlieh er schalkhafte,
witzige Züge. 1957 kam in Hamburg „Faust I“ mit Gründgens als
Mephisto heraus – seine berühmteste Inszenierung, die 1960
verfilmt wurde.


 


Von Anfang an strebte er energisch nach oben. Nach Engagements in
Halberstadt, Kiel, Hamburg, kam er 1928 in die Kulturmetropole
Berlin. Immer verhandelte er hart und entschlossen um hohe Gagen.
Sein luxuriöser Lebensstil verschlang viel Geld. Der Arbeit
ordnete Gründgens alles andere unter – menschliche Beziehungen
und die eigene Gesundheit. „Ein Fanatiker der Präzision“, schrieb
er über sich selbst, „ist er ein geschworener Feind alles
Zufälligen, Unklaren und Unkontrollierbaren. Der Zuschauer soll
verstehen, was der Schauspieler sagt. Der Schauspieler soll
verstehen, was der Dichter sagt, und der Dichter soll verstehen,
was er selber sagt.“


 


Als Chef, so Thomas Blubacher, zeigte er „enorme
Führungsqualitäten und eine stupende Menschenkenntnis, setzte auf
Respekt und Disziplin, forderte Einsatz und Höchstleistungen von
allen und duldete nicht die kleinste Nachlässigkeit.“ Seine
wirtschaftliche Bilanz war beeindruckend: Unter Gründgens‘
Intendanz waren die Häuser voll, spielten die Theater den
allergrößten Teil ihrer Kosten ein.


 


Nach dem Krieg wurde er in seiner Heimatstadt Düsseldorf
Generalintendant des neu eröffneten Schauspielhauses, dann des
Deutschen Schauspielhauses in Hamburg.


 


Am 7. Oktober 1963 starb Gustaf Gründgens auf einer Weltreise in
der philippinischen Hauptstadt Manila an einer Überdosis
Schlaftabletten.

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