Die Wahl - Eine Sternstunde demokratischer Herrschaft

Die Wahl - Eine Sternstunde demokratischer Herrschaft

2 Stunden 10 Minuten

Beschreibung

vor 16 Jahren

In der demokratischen Öffentlichkeit ist von Krisenwahl nichts zu
merken. Journalisten bewerten den Wahlkampf vielmehr höchst
luxuriös nach seinem Unterhaltungswert und klagen über die
Langeweile, die er bei ihnen auslöst  „Yes we gähn!“
(Bild-Zeitung). Haben sie Wahlkämpfer früher dafür kritisiert,
dass sie nur Wahlkampfgetöse statt seriöser Politik produzieren,
so machen sie ihnen nun den interessanten Vorwurf, „eine
sachliche Diskussion“ zu führen, anstatt sich so richtig zu
fetzen (ARD-Runde 13.9.) Die Meinungsmacher vermissen scharfe
Gegensätze, echte Alternativen – und geben damit zu erkennen,
dass sie selbst weder Einwände gegen die Berliner Politik noch
Alternativen zu ihr beizusteuern haben; in dem Fall würden sie
nämlich ihre Ideen verfechten anstatt über einen langweiligen
Wahlkampf zu klagen. Gerade ihre demokratie-methodischen Vorwürfe
demonstrieren, wie alternativlos sie selbst die Politik im
Krisenjahr finden; wie wenig es also, ihrer Meinung nach, für den
Bürger auszuwählen und zu entscheiden gibt. Sie verlangen von den
Wahlkämpfern, einen Schein von Gegensatz aufzubauen, damit das
Wahlvolk aufhorcht und zum Urnengang stimuliert wird; damit die
Wahlbeteiligung steigt und die Linke nicht noch mehr Stimmen
gewinnt.
Die beiden Kanzlerkandidaten inszenieren das harmonische
Erscheinungsbild freilich ganz gezielt. Sie wollen dafür gewählt
werden, dass sie „gute Arbeit geleistet“ und in der schlimmsten
ökonomischen Katastrophe seit 1929 den Zusammenbruch des
Finanzsektors und des ganzen Kapitalismus gestoppt haben. Sie
machen auf Optimismus und demonstrieren, dass sie die Krise im
Griff haben, indem sie von ihr im Wahlkampf kaum mehr reden. Man
streitet ein bisschen über Atomkraft, ein bisschen über
Afghanistan; die Wirtschaft ist nur noch ein Thema unter vielen.
Bei ihr kommt es jetzt auf eine nationale Kraftanstrengung für
den Aufschwung an, damit „Wir gestärkt aus der Krise hervorgehen“
(Merkel). Was die Sanierung der Wirtschaft und die Anstrengung,
Deutschland in der Weltmarktkonkurrenz noch besser zu
positionieren, an menschlichen Kosten verursacht − darüber lohnt
es sich nicht zu reden; das steht sowieso fest. Jeder, der es
wissen will, weiß, dass im Herbst die Konkurse zunehmen, die
Sonderregelung zum Kurzarbeitsgeld im nächsten Jahr ausläuft,
Arbeitslosigkeit und Armut wachsen; dass zur Sanierung des
Staatshaushalts, der sich für die Rettung der Banken gigantisch
verschuldet, Steuern erhöht und staatliche Leistungen gestrichen
werden.
Krisenbewältigung und Aufschwung − das ist das Angebot an die
Millionen lohnabhängiger Wähler, denen man nicht erst im
Krisenjahr, in dem aber ganz besonders, einpaukt, dass ihre
Arbeitsplätze und Einkommen bedroht sind, wenn die Wirtschaft
nicht wächst und die Reichen einmal nicht reicher werden. Die
Bürger sollen am Kapitalismus die Krise furchtbar finden und auf
seinen normalen Gang hoffen. Die Opfer, die ihnen Krise wie
Aufschwung abverlangen, sollen sie als Preis für den Erhalt ihrer
Lebensgrundlage abbuchen. Die  Kandidaten jedenfalls wollen
sich am Wahlsonntag das Mandat dafür abholen, die Erfordernisse
von Krisenbewältigung und Aufschwung gegen alle Privatinteressen
durchzusetzen, die dabei im Weg stehen. Die Bürger dürfen und
sollen sich frei heraussuchen, wem sie die versprochene
Rücksichtslosigkeit am meisten zutrauen. 
Das ist Demokratie.


Teil 1. Einleitung - Was steht bei der Wahl überhaupt zur Wahl
und was nicht?
Teil 2. Die Wahl: Was findet da statt: Was ist der Inhalt dieser
Veranstaltung?
Teil 3+4. Der Wahlkampf: Mit welcher Art Argumenten werden die
Wähler zum Wählen agitiert?
Teil 5. Fazit und Nachträge


Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:


Das Buch "Der bürgerliche Staat" beim GegenStandpunkt-Verlag


Das Buch „Demokratie Die perfekte Form bürgerlicher Herrschaft“
beim GegenStandpunkt-Verlag

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