Finanzkrise Runde 2: Wenn Staaten ihren Kredit verlieren

Finanzkrise Runde 2: Wenn Staaten ihren Kredit verlieren

1 Stunde 55 Minuten

Beschreibung

vor 15 Jahren

Wenn Staaten ihren Kredit verlieren …


• … sieht das so aus, dass ganz Europa täglich neu darum bangt,
dass Ungarn, Rumänien, Spanien, Italien und viele andere auf
internationalen Kapitalmärkten Käufer für neue
Staatsschuldpapiere finden – und ob ihnen das zu bezahlbaren
Zinsen gelingt. Denn wenn Staaten ihre Schulden nicht mehr
vermarkten können, sind sie pleite und das Geld, das sie
schöpfen, mit dem ihre Gesellschaften wirtschaften und das ihre
Bürger besitzen, ist entwertet. Das droht heute nicht exotischen
Dritt-Welt-Geldern, sondern etablierten Weltwährungen wie dem
Euro, dem britischen Pfund; und ob der US-Dollar und der
japanische Yen besser dastehen, ist auch noch die Frage. Auf
einmal wird deutlich, dass der Kredit, den die Staaten als
Schuldner bei internationalen Kapitalanlegern genießen,
tatsächlich der Reichtum dieser Nationen ist und dass ihr Geld
nur so viel wert ist, wie ihre Schulden.


• … dann ist etwas Grundsätzliches kaputt: eine der Säulen
nämlich, auf denen der Kapitalismus seit dem 2. Weltkrieg
gegründet war: die innige Gemeinschaft der großen westlichen
Staaten mit dem Finanzkapital. Das gegenseitige Stützen und
Bestätigen des privaten und des staatlichen Kredits schlägt um in
gegenseitige Schädigung, wenn die Internationale der
Geldkapitalisten im Interesse der Rettung der eigenen Vermögen
den großen, bisher kapitalkräftigen Staaten Kredit verweigert und
ihr Kapital aus deren Währungen abzieht. Der Anker des ganzen
Geld- und Kreditsystems, und zugleich die größte Verrücktheit der
gesamten Wirtschaftsordnung, sitzt nicht mehr felsenfest: Dass
nämlich Schulden, wenn Staaten sie machen, Geld, und zwar sich
vermehrendes Geld, Kapital, sind.


• … dann haben wir alle über unsere Verhältnisse gelebt. Es ist
beeindruckend, wie direkt die Regierung von ihrem Problem zur
Diagnose und zur Therapie findet. Ihr Problem ist, dass die
Schulden der Euro-Staaten von den Gläubigern plötzlich nicht mehr
als bombensichere Kapitalanlagen, sondern als zweifelhafte
Schulden angesehen werden. Dass sie nun schlechte Schulden haben,
erklären sich die EU-Regierungen damit, dass sie zu viele
Schulden gemacht, also dem Staatshaushalt zu viele Ausgaben
zugemutet haben. Und wenn sie ihren Haushalt nach nötigen und
verzichtbaren Ausgaben sortieren, dann finden sie ganz schnell
heraus, welche ihrer Ausgaben eigentlich „zu viel“ sind und wer
von „uns“ so richtig über seine Verhältnisse gelebt hat: Es sind
diejenigen am unteren Ende der sozialen Hierarchie, die schon
immer unter den durchschnittlichen Verhältnissen haben leben
müssen: Arbeitslose, Rentner und arme Familien.


Genau genommen stimmt an dieser Wirkungskette gar nichts. Aber
darauf kommt es nicht an. Aufs Ganze gesehen enthält sie nämlich
eine interessante Auskunft über die „Verhältnisse“, über die wir
gelebt haben: Schlecht sollen die europäischen Staatsschulden
sein, weil sie zu viele sind, zu viel für das Wachstum des
Kapitals in Euro-Land und die daraus entstehenden Staatseinkünfte
aus Steuern. Die reichen nicht aus, um den Gläubigern das nötige
Vertrauen in die unerschütterliche Finanzkraft ihrer Schuldner
einzuflößen; Vertrauen, das nötig wäre, damit sie ihnen das immer
neue Schuldenmachen erlauben, an dem sie bestens verdienen. Das
Wachstum des Kapitals, die Bereicherung der Klasse der
Kapitaleigner, ist zu klein für die finanziellen Aktivitäten des
Staates. Oder andersherum: Der Staat – mit seinen Ausgaben und
dem Leben des Volkes, das daran hängt – ist zu teuer für die
Geschäftswelt. Das Kapital definiert die „Verhältnisse“, an die
„wir“ uns zu halten haben. Jetzt soll eine wachsende Armut der
„Sozial Schwachen“ den Haushalt des Staates in Ordnung bringen
und aus seinen schlechten Schulden wieder gute machen.


Teil 1: Vorbemerkung
Teil 2: Die Natur der Krisenlage
Teil 3+4: Wie die Staaten sie zur Kenntnis nehmen und wie sie
dagegen ankämpfen - Konkurrenz
Teil 5: Diskussion
Teil 6: Nachtrag: Was die Armut der Armen als Mittel der
Krisenbewältigung taugt und was nicht; warum sie trotzdem
„alternativlos“ ist

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