Wählen ist verkehrt! Alternativ wählen auch. Die Grünen: Endlich "Volkspartei"! Ökologisch. Sozial. Prokapitalistisch. Herrschaftsfähig.

Wählen ist verkehrt! Alternativ wählen auch. Die Grünen: Endlich "Volkspartei"! Ökologisch. Sozial. Prokapitalistisch. Herrschaftsfähig.

1 Stunde 37 Minuten

Beschreibung

vor 14 Jahren

30 Jahre nach ihrer Gründung sind die Grünen da, wo sie hin
wollten: an den Schalthebeln der Macht. Nach langem „Marsch durch
die Institutionen“ haben sie einen schwäbischen
Ministerpräsidenten, bald vielleicht die erste Regierende
Bürgermeisterin Berlins, gar einen Kanzlerkandidaten. Der Spiegel
begrüßt „Die neue deutsche Volkspartei“ im Club
schwarz-rot-goldener Herrschaftsalternativen; Linke halten Künast
& Trittin eher für Verräter alter Kampfziele und Ideale;
genüsslich oder enttäuscht zitiert man Karrieren von Ex-68ern und
Friedensbewegten zu Ministerinnen und Kriegshetzern: Seht her,
wie das Amt den Menschen verändert!


Von wegen. Die Wandlung vom Anwalt verletzter Bürgerinteressen
zum nationalistischen Wahlverein ist die Leistung der Grünen
selber. Die bürgerliche Weisheit, dass sie dem Volke dienen,
indem man es gut regiert, haben sie sich einleuchten lassen und
ihren Willen zum menschenfreundlichen Gebrauch der Staatsmacht
sachgerecht fortentwickelt – nicht eben geradlinig, aber durchaus
konsequent.


1. Zur Anpassung an die herrschenden „Sachzwänge“ hat die Grünen
nichts und niemand genötigt: Sie haben sich geändert, und zwar
weniger als „Menschen“ denn in ihrer politischen Kritik. Es liegt
schon daran, was sie an dieser Nation auszusetzen haben, dass es
sie zu deren konstruktiver Gestaltung drängt:


- Wer Lebensmittelskandale und Umweltkatastrophen oder das
Aufstellen von AKWs und Raketen immerzu fehlender Verantwortung
von Konzernen oder Machthabern anlastet, der übernimmt selbige
gern und will den deutschen Kapitalismus und Imperialismus durch
„eine andere Politik“ gründlich verbessern.


- Wer für alle „Probleme“ der freien Marktwirtschaft eine
Alternative parat hält (erklärtermaßen nicht zu, sondern in ihr),
der will seinen Beitrag zum Erfolg „unseres“ Gemeinwesens leisten
und „Lösungen“ bieten: Das geht tatsächlich nur an der Macht,
nicht auf den Barrikaden.


So mausert sich das Sprachrohr betroffener Bürger langsam, aber
sicher zur oppositionellen Heimatpartei und von da zum Wahlverein
regierungsfähiger Standort-Nationalisten.


2. Ihre Ideale haben sie dieser Entwicklung angepasst, aber
keinesfalls weggeworfen: Die „Versöhnung von Ökologie und
Ökonomie“ ist Programm; gegen die kapitalistischen Ursachen des
Umweltdrecks vorzugehen, war nie versprochen. Und mit ihrer
Alternative machen die Grünen nicht nur Werbung, sondern ernst:


- Als Pioniere des Umweltschutzes sind sie bei jeder Sauerei auf
Seite der Geschädigten: Deren Klage kann vertreten werden, und
zwar hier & heute! Schadstoff- und Nahrungskontrollen
schützen die Volksgesundheit; als Ressource des Reichtums sollen
Mensch und Natur „nachhaltig“ benutzbar bleiben.


- Im Namen des mündigen Verbrauchers sind sie parlamentarischer
Arm aller Bewegungen. Atomkraft oder S21: Grüne sagen nicht nur
„Nein danke!“; längst steht das Markenzeichen Öko nicht mehr für
Behinderung, sondern für die „Zukunft“ nationalen Wachstums in
der Staatenkonkurrenz.


So haben die Grünen das Image bloßer „Idealisten“ abgelegt: Als
Energie-, Bildungs-, Sozial- oder Wehr-Experten haben sie zu
jeder staatlichen Herrschaftsaufgabe einen sturzvernünftigen,
sprich: realistischen und natürlich finanzierbaren
Verbesserungsvorschlag – und als Landesväter
generationenübergreifend Erfolg bei den Wählern der deutschen
Klassengesellschaft.


3. Der Aufstieg der Protest- zur Volkspartei ist das letzte
Kapitel, an dem sich die patriotische Produktivkraft
demokratischer Willensbildung studieren lässt: Jede Betroffenheit
gilt als („eigentlich“ unnötiges) Resultat „bürgerferner Politik“
und ruft nach volksnahen Herren; an der Adresse ist jeder Einwand
prima aufgehoben. Auch Grüne bemühen das „Gemeinwohl“, von dem
wir gleichermaßen abhängen und profitieren, um Opfer wie
Nutznießer Deutschlands zum Ermächtigen neuer Führer zu bewegen:
Die Wahl, wer soll mich regieren, ist eben immer noch die
schönste Form von Zustimmung.


Diese Thesen wurden anlässlich der Berliner Senatswahlen per
Vortrag zur Diskussion gestellt.


Weitere Publikationen zum Thema:


Die Wahloffensive der GRÜNEN im Wahljahr 2011 in Gegenstandpunkt
1-11


Weitere Artikel zur Partei der Grünen finden sich im Archiv des
GegenStandpunk-Verlages

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