Patria o muerte? Zur Rettung ihres Staates ist für die KP Kubas der Sozialismus gestorben

Patria o muerte? Zur Rettung ihres Staates ist für die KP Kubas der Sozialismus gestorben

2 Stunden 25 Minuten

Beschreibung

vor 13 Jahren

50 Jahre nach ihrer Revolution hat die Kommunistische Partei
Kubas ihren Feinden und Verächtern die Genugtuung bereitet, dass
sie selber in ihrem neuen Programm verkündet, zum Fortbestand
ihres Staates bliebe ihr nur noch ein Ausweg: möglichst viel
Kapitalismus zur Effektivierung und Verwohlfeilerung ihres
Volkes! Dabei bleiben sich die alten Kämpfer um die Castro Brüder
in ihrem kämpferischen Pathos treu:


• die Entlassung von bis zu einer Millionen Staatsbediensteten,
die sich künftig in der erheblich ausgeweiteten privaten
Kleinwirtschaft auf eigene Rechnung durchschlagen sollen;


• die Abschaffung der ohnehin immer armseligeren staatlich
garantierten Grundversorgung;


• die Verpflichtung der Betriebe auf gewinnorientierte
Produktionsmaßstäbe;


• mehr Leistungslohnanreize und -vorgaben;


• mehr selbstwirtschaftende Kleinbauern und


• mehr freier Handel mit den knappen Lebensmitteln;


• staatliche Planung vorrangig für die Entwicklung Devisen
bringender Wirtschaftszweige – insbesondere Tourismus und
Rohstoffförderung;


• und schließlich mehr Freizügigkeit für ausländisches Kapital.


Diese lineamentos der Partei werden dem kubanischen Werktätigen
mitnichten als Übergang zu einem stinknormalen
Dritte-Welt-Kapitalismus nahegebracht, sondern vom amtierenden
Oberkommandanten allen Ernstes als Rettung des Sozialismus auf
Kuba gefeiert:


„Wir sind davon überzeugt, dass wir die elementare Pflicht haben,
die Fehler zu berichtigen, die wir in fünf Jahrzehnten des
Aufbaus des Sozialismus in Kuba begangen haben... Die Maßnahmen,
die wir nun anwenden, und alle Änderungen, deren Einführung bei
der Aktualisierung des Wirtschaftsmodells notwendig werden, sind
darauf ausgerichtet, den Sozialismus zu erhalten, zu stärken und
wahrhaftig unwiderruflich zu machen.“ (Rede Raul Castros,
18.12.2010). Dabei streicht diese Reform großen Teilen der
Bevölkerung ersatzlos ihre bisherige Reproduktion als nicht mehr
länger tragbare staatliche Haushaltslast, verweist das Volk auf
privates Wirtschaften und Fertigwerden mit knappen finanziellen
wie materiellen Mitteln und richtet große Abteilungen der
nationalen Wirtschaft und der staatlich kommandierten Mittel
nicht mehr am inneren Bedarf, sondern auf die Erwirtschaftung von
Weltmarkterträgen aus. Das alles mit Verweis auf die verheerende
Devisennot des Staats und die Belastungen des Staatshaushalts
durch seine Gesellschaft sowie deren mangelnde Leistungen für die
staatlichen Bilanzen.


Dass Kuba in der heutigen imperialistischen Welt die Mittel
fehlen, das wirft die Führung sich und ihrem Volk vor – und macht
sich an die Rettung des Staats zu Lasten der Bevölkerung. Denn
als Hauptschuldigen für die desolate Lage der Ökonomie und der
Staatsbilanz hat die kommunistische Partei das Volk ausgemacht,
das durch Staatsleistungen verwöhnt und dem Arbeiten entwöhnt
worden sei. Die Führung spart nicht mit Kritik an Schlendrian,
Faulheit und Anspruchsdenken der Bevölkerung und macht die
staatliche Organisation der Ökonomie für den mangelnden
Arbeitseinsatz der Kubaner haftbar, dem die staatlichen
Haushaltsnöte geschuldet seien. Das verspricht sie abzustellen
und ihre Massen durch ihre Reformen zu mehr Einsatz und Leistung
hin zu regieren. Das und die Mobilisierung der nationalen
Ressourcen für mehr Weltmarkterfolge soll die Staatsnot wenden.


Für die bürgerliche Öffentlichkeit ist die Sache klar: Wenn Kubas
Führung soziale Leistungen dem Staatserhalt opfert und angesichts
der Devisennot und der auswärtigen Schulden des Staats
beschließt, sich mehr an Weltmarktbedürfnissen auszurichten und
am Volk zu sparen, dann beweist das, wie grundverkehrt sie mit
ihrem ganzen Sozialismus immer schon gewirtschaftet und regiert
hat.


Nun künden die einschlägigen Armenhäusern Südamerikas nicht
gerade von der volksverwöhnenden Produktivkraft des
demokratischen Imperialismus, aber ungerührt gegen die real
existierende Marktwirtschaft fühlt sich der bürgerliche Verstand
jetzt auch noch von Kubas Kommunisten in seinem Glauben
bestätigt, demzufolge ohne kapitalistisches Wirtschaften, ohne
freien Zugriff des Dollar- und Eurokapitals, ohne eine
Herrschaft, die sich ganz an dessen Interessen und den
(Unter-)Ordnungsansprüchen von dessen staatlichen Hütern
ausrichtet, ein Land nicht vorankommen kann.


Weil sich Kuba dagegen 50 Jahre lang gesperrt hat, ist man sich
unter den Fans von Geschäft & Gewalt auch sehr sicher, dass
auf der Insel „für wirksame Veränderungen auch ein Regimewechsel
nötig ist“ (Hamburger Giga-Institut für Lateinamerika-Studien).
So gesehen sind alle Reformen halbherzig und leisten nicht den
wahren Wandel, der fällig ist: die Selbstaufgabe des Regimes und
die Selbstabschaffung seiner Führung.


Linke Anhänger Kubas halten dagegen mehrheitlich am Vorbild Kubas
für den Kampf gegen Armut, Unterentwicklung und US-Imperialismus
fest und dem Land seine schwierige Lage zugute. Sie teilen
zumeist kritiklos das Selbstverständnis der kubanischen Führung,
mit den Reformen würde darum gekämpft „selbst unter sehr
komplizierten Bedingungen den Sozialismus zu erhalten und zu
entwickeln“ und die „beispielhaften Errungenschaften für das Volk
zu erhalten“ (junge welt, 23.4.), die gerade endgültig
abgeschafft werden.


Offenkundig ist auch für sie selbstverständlich, dass die
radikalen Reformen zu Lasten der Bevölkerung der richtige Weg zur
Bewahrung des Fortschritts in schwerer Zeit sind. Weder sich noch
ihren Adressaten geben sie mithin ordentlich Rechenschaft
darüber, wie es um Kuba bestellt ist und was es heißt, wenn die
kubanische Führung den Selbstbehauptungskampf des Staates als
Verteidigung ihres Sozialismus begreift.


Eine Staatsreform in Richtung Drittweltkapitalismus – im
Interesse der nationalen Selbstbehauptung: Dahin hat es Kuba 50
Jahre nach der kubanischen Revolution gebracht. Die Veranstaltung
zieht kritisch Bilanz über die Lage Kubas und die aktuellen
Reformen, mit denen sie bewältigt werden soll; damit aber auch
über die Weltmarkt- und Weltordnungsverhältnisse, in denen sich
Kuba behaupten musste und will.


Veranstalter: AK Gegenpositionen


Weitere Publikationen zum Thema:


Kubas jüngster „Aufbruch zum Sozialismus“ Staatlich organisierter
Drittweltkapitalismus in GegenStandpunkt 1-12

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