Acta, Urheberrecht, Piraten ... Vom kapitalistischen Charakter des geistigen Eigentums
1 Stunde 57 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 13 Jahren
Auf zwei Ebenen wird derzeit über das „geistige Eigentum“
gestritten: Erstens auf der höchsten Ebene der
Staatenkonkurrenz
Die Weltwirtschaftsmächte USA, Kanada und Europa haben sich
zusammengetan und mit ACTA einen Vertrag auf den Weg gebracht,
mit dem sie ihrem Anspruch auf Geltung von Eigentumsrechten an
„immateriellen Gütern“ weltweit Durchschlagskraft verleihen
wollen. Die Staatenlenker machen dabei kein großes Geheimnis
daraus, was das Ziel aller staatlichen Regelungen in der Sphäre
des geistigen Eigentums ist. Zum Beispiel: „betont die
EU-Kommission die besondere Bedeutung des ACTA - Handelsabkommens
für die ‚wissensbasierten’ europäischen Volkswirtschaften, da die
Wettbewerbsfähigkeit Europas nur dann aufrecht erhalten werden
könne, wenn die EU sich auf Innovation, Kreativität, Qualität und
Markenexklusivität verlassen kann, welche zu unseren wichtigsten
Wettbewerbsvorteilen auf dem Weltmarkt zählen, welche allesamt
unter den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums
fallen“.
Ein recht klares Wort: Wissen dient in „unseren“
Volkswirtschaften der Konkurrenz gegen andere Volkswirtschaften
oder taugt nix.
Gegen den ACTA - Entwurf der westlichen Weltwirtschaftsmächte
regt sich Protest. Von konkurrierenden Volkswirtschaften nämlich,
die sich in die Rolle der Eigentumsverletzer gedrängt sehen.
China, Brasilien, Indien usw. sehen ihre weltwirtschaftlichen
Interessen angegriffen. Ihrer Auffassung nach untergräbt ACTA das
geltende „Gleichgewicht der Rechte und Pflichten“ der Staaten in
Handelsfragen, greift ihr Recht auf „unterschiedlichen nationalen
Umgang mit den Regeln, der sorgfältig in den verschiedenen
WTO-Abkommen ausgehandelt wurde“ an und „baut neue
Handelsschranken auf“.
Aber auch innerhalb der ACTA-Nationen regt sich inzwischen neuer
Protest. Einige der vorgetragenen Einwände hat die EU-Kommission
aufgegriffen und aus ihren Gründen Reformbedarf angemeldet. Damit
ist ACTA erst einmal auf Eis gelegt.
Was macht das „geistige Eigentum“ unter Staatenlenkern so
strittig?
Zweitens in der deutschen Öffentlichkeit und
Geisteswelt
Eine neue Partei, die „Piraten“, hat sich im Namen der „Wissens-
und Informationsgesellschaft“ die Durchsetzung des freien Zugangs
zu Produkten von Kultur und Wissenschaft im Netz ins
Parteiprogramm geschrieben. Diese Kritiker von ACTA, Urheberrecht
usw. schätzen die Freiheit der Kommunikation, die die neuen
Medien eröffnen, gleich im Namen „der Menschheit“ und halten für
ein Unding, dass die Staaten sie kontrollieren und beschränken.
Allerdings wollen auch diese Kritiker nicht darauf verzichten,
sich auf nützliche Dienste des Geistes im Internet an Wirtschaft
und Gesellschaft zu berufen, wenn sie sich gegen die aktuelle
Rechtslage in Sachen geistiges Eigentum wenden und deren
Verschärfung ablehnen. Aus gepriesenen Leistungen für Wirtschaft
und Gesellschaft, wie sie gehen und stehen, leiten sie allerdings
die Notwendigkeit des Abbaus eigentumsrechtlicher Regelungen
ab:
„Der uralte Traum, alles Wissen und alle Kultur der Menschheit
zusammenzutragen, zu speichern und heute und in der Zukunft
verfügbar zu machen, ist durch die rasante technische Entwicklung
der vergangenen Jahrzehnte in greifbare Nähe gerückt ... Die
derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des
Urheberrechts beschränken jedoch das Potential der aktuellen
Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis von so
genanntem ‚geistigem Eigentum’ basieren, welches der angestrebten
Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegen steht.“ (Piraten,
Parteiprogramm)
Das hat den Piraten heftigsten Einspruch eingebracht. Das
„Handelsblatt“, sonst nicht eben als repräsentatives Organ der
Dichter- und Denker bekannt, startet eine Kampagne, in der Größen
aus Kultur und Wissenschaft düpiert Partei ergreifen für den
Schutz ihres Eigentums an Wort, Versfuß, Dissonanz und
promoviertem Werk. Seitdem vergeht kein Tag, an dem nicht die
Feuilleton-Seiten der großen Zeitungen auch über die Rechte und
Pflichten der „Konsumenten“ von Geistesprodukten rechten, also
darüber, wer wie lange und unter welchen Bedingungen über welche
Produkte des Denkens umsonst oder gegen Geld verfügen dürfen
soll.
Mitten unter den noblen Geistern meldet sich z. B. auch der
Präsident der Technischen Universität München zu Wort:
„Die sogenannten Piraten scheinen nicht zu begreifen, dass sie in
einem Land leben, das seine wirtschaftliche Wohlfahrt dem
Erfindergeist verdankt. Wissenschaftlich-technische Innovationen
sind an erhebliche wirtschaftliche Aufwendungen gebunden, die
sich ohne den zeitlich gebundenen Schutz des geistigen Eigentums
nicht lohnen. Ohne Verfahrens- und Produktentwicklung kein
Wirtschaftskreislauf, ohne Wirtschaftskraft kein Sozialstaat!
Gut, dass wir eine Rechtsordnung haben, die Kreativität und
geistige Originalität vor diesen Piraten schützt.“
So berühren sich die Diskussionen der Machthaber und der
Geistesgrößen dann doch wieder.
Grund genug also, sich einmal folgende Fragen
vorzulegen:
– Was ist das eigentlich, „geistiges Eigentum“? Welche
polit-ökonomische Rolle spielt der Geist in einer Gesellschaft,
wo er unter diesem Begriff gefasst wird? Worin liegt tatsächlich
die Unverzichtbarkeit dieser Eigentumsrechte für kapitalistisches
Produzieren und für Konkurrieren um Märkte und Gewinne?
– Welches Interesse hat die Staatsgewalt an den Produkten von
Wissenschaft und Technologie, aber auch an denen der Kulturszene?
Zur Beförderung welcher Zwecke und Interessen macht die
Staatsgewalt es sich angelegen, in diesen Sphären Eigentumsrechte
zu etablieren und zu regulieren? Was leistet sie damit für
Wirtschaft und Gesellschaft?
– Worum geht es, wenn Staatsgewalten darüber in Streit geraten,
solche Eigentumsrechte grenzüberschreitend zu sichern? Was hat
sich Neues getan – in der Konkurrenz der Unternehmen um Profite
und Marktbeherrschung ebenso wie in der Konkurrenz der Staaten um
Weltmarkterträge – dass die Staatenwelt es für nötig hält, sich
der rechtlichen Regelung dieser Fragen neu zuzuwenden? Was will
ACTA – und was ist vom Protest gegen das Vertragswerk zu halten?
Dabei wird sich auch die Frage klären, ob die hohe Meinung, die
die Produkte von Wissenschaft und Kultur hierzulande genießen,
eigentlich berechtigt ist.
Teil 1: Einleitung
Teil 2: Geistiges Eigentum – Was ist das, warum gibt´s das, wem
nützt das?
Teil 3: Der ideelle Gesamtkapitalist etabliert die fälligen
Nutzungsrechte und regelt die daraus erwachsenden
Rechtsstreitigkeiten
Teil 4: Das geistige Eigentum als Gegenstand der
Staatenkonkurrenz
Teil 5: Diskussion
Weitere Publikationen zum Thema von argudiss oder von anderen:
Der Kopf als Revenuequelle Die Widersprüche des geistigen
Eigentums in GegenStandpunkt 2-15
Weitere Episoden
2 Stunden 25 Minuten
vor 1 Monat
1 Stunde 48 Minuten
vor 6 Monaten
2 Stunden 31 Minuten
vor 1 Jahr
2 Stunden 5 Minuten
vor 2 Jahren
2 Stunden 28 Minuten
vor 2 Jahren
In Podcasts werben
Kommentare (0)