Betreuter "Bürgerkrieg" gegen Syrien Warum "wir" dieses Mal für Islamisten sein müssen & die Russen mal wieder die Bösen sind

Betreuter "Bürgerkrieg" gegen Syrien Warum "wir" dieses Mal für Islamisten sein müssen & die Russen mal wieder die Bösen sind

2 Stunden 10 Minuten

Beschreibung

vor 13 Jahren

Die Rede von einem "Bürgerkrieg", der in Syrien zwischen
Parteigängern und Gegnern der herrschenden Baath-Partei und ihres
Präsidenten ausgebrochen sei, will als Besonderheit des Gemetzels
entdeckt haben, dass hier eine Regierung mit Waffengewalt gegen
"ihr Volk" zuschlage und die Aufständischen schon allein deswegen
politisch und vor allem auch moralisch schwer im Recht wären.
Diese von keinerlei Kenntnissen über die politisch und
ökonomischen Verhältnisse in dieser arabischen Republik getrübte
Parteilichkeit, die natürlich rein zufällig ziemlich
deckungsgleich mit den Positionen der NATO-Regierungen und ihren
Partnern unter den Monarchien und Emiraten im Nahen Osten
ausfällt, lässt sich auch nicht durch die gelegentlich
nachzulesenden historischen Informationen verunsichern, dass etwa
Vater Assad durchaus mit Zustimmung der westlichen
Staatengemeinde in früheren Jahren unter aufständischen
Islamisten in seinem Land größere Opferzahlen anfallen ließ.
Deswegen ist dem syrischen Regime von außen nie die Machtfrage
gestellt und offen ein Regime-Change gefordert oder gar eine
bewaffnete Opposition auf- und ausgerüstet worden. Im Gegenteil:
Bush Senior gliederte Syrien in seine "Koalition der Willigen"
für den ersten Irak-Krieg ein, deutsche Außenminister - zuletzt
Steinmeier - sprachen in Damaskus vor, und selbst im
Dauerkonflikt zwischen Syrien und Israel wegen der Golan-Höhen
ergriff der Westen nicht so umstandslos Partei wie im Fall des
iranischen Kernenergieprogramms.


Diesmal jedoch scheint es der Regierung nicht zu gelingen,
gestützt auf ihre Armee und Polizei und die Loyalität der
Parteimitglieder, den Aufruhr zu brechen und Ruhe & Ordnung
wieder herzustellen. Nicht nur für die Politiker in den
freiwestlichen Staaten ist es sonnenklar, dass "uns" die "Zukunft
Syriens" angeht; auch das hiesige Arbeits- und Wahlvolk engagiert
sich und weiß offensichtlich problemlos Bescheid, wer die Guten
dort sind und wo die Bösen sitzen: Zunächst in Assads Regierung -
denn in deren Auftrag gibt es ja verwundete und tote "zivile
Opfer". Im Namen der "Opfer" Partei zu ergreifen gegen das
"Regime" und für die "Freiheitskämpfer" ist somit politisch
korrekt. Jedoch intellektuell sehr unredlich: Denn wenn sich die
Parteien, die um das Gewaltmonopol im syrischen Staate Krieg
gegeneinander führen, in etwas nicht unterscheiden, dann darin,
dass sie Leichen produzieren. Das liegt an der Natur der Sache,
um die sie kämpfen: die Eroberung bzw. Beibehaltung der
Staatsgewalt. Den einzig real existierenden Unterschied stiftet
folglich die Durchschlagskraft ihrer Waffen - bislang jedenfalls.
Der Verdacht liegt also nahe, dass es vielen offensiven Freunden
und Förderern syrischer Witwen und Waisen letztlich darauf
ankommt, für eine Wende im militärischen Kräfteverhältnis zu
werben.


Neben den täglichen Horrormeldungen von den Frontabschnitten des
innersyrischen Machtkampfes informieren die Medien auch ganz
ungeniert über die äußeren Interessenten, die das Gemetzel
anstacheln und ausrüsten. Man kann durchaus erfahren, welche
großen und kleineren Staaten und militante NGOs da engagiert sind
und es gibt auch Hinweise, welche Interessen und Absichten sie
dabei verfolgen.


- Die USA und ihr waffenstarrender engster Verbündeter vor Ort,
Israel, wollen schlicht und erklärtermaßen den Untergang von
"Assads Syrien", den Präsidenten also weg haben, tot oder
lebendig. Er stört sie bei ihren Ordnungsvorstellungen für den
Nahen Osten, unterstützt "Terroristen" im Libanon und in Gaza,
und, nicht zuletzt: er unterhält gute Beziehungen zum Iran, den
man ja notfalls auch demnächst mit einem Krieg fertigmachen will.


- Saudi-Arabien und die Golfemirate finanzieren im großen Stil
die bewaffnete Opposition gegen Assad, machen Propaganda über
ihre Fernseh- und Radiosender und lassen sich von den USA zu
einer arabischen Gegenmacht gegen den Iran auf- und ausbauen.


- Die Türkei, die ebenso Ambitionen auf eine regionale
Großmachtposition verfolgt, bietet den Aufständischen auf ihrem
Territorium ein Rückzugs- und Aufmarschgebiet - und nimmt die
staatliche syrische Gegenwehr zum Anlass, selbst militärisch in
den Konflikt einzugreifen.


- Russland will sich keinesfalls durch den Sturz Assads endgültig
aus dieser Weltgegend ausmischen lassen und übt deshalb bedingt
Loyalität zum traditionellen Bündnispartner.


- Und auch China weigert sich, das US-Monopol auf Weltordnung
durch Zustimmung zu Sicherheitsratsbeschlüssen gegen Syrien zu
ratifizieren.


So wird der demokratisch-mündige Bürger in der freien westlichen
Welt mit kühlen strategischen und militärischen Kalkülen vertraut
gemacht, für die das Blutvergießen in Syrien gut oder schädlich
sein soll. Auf der Grundlage des feststehenden Feindbildes vom
letzten Gefecht des Tyrannen Assad gegen das eigene Volk steht
die Moral der Geschichte vorab fest: Es soll ausschließlich um
den "Schutz der Zivilbevölkerung" gehen, wenn die USA und ihre
Bündnispartner unter Berufung auf die UNO-Satzung den Aufstand in
Syrien und alle beteiligten auswärtigen Parteien unter ihre
Oberhoheit stellen und in ihrem Sinne gegen das Baath-Regime zu
Ende bringen. Dieser politisch korrekten Denkungsart zufolge, ist
es dann natürlich umgekehrt eine "Schande", wenn notorische
Querulanten in der Staatenwelt des demokratischen Imperialismus
wie Russland und China da anderer Ansicht sind und den Endsieg
der Freiheit in Syrien blockieren wollen.


Wie gewohnt kann man von dieser Diskussionsveranstaltung kein
demonstratives Mitleid mit den Opfern, keine moralische
Verurteilung von Schuldigen oder gar Solidarität mit einer Seite
erwarten. Stattdessen eine Kritik der politischen Ökonomie
Syriens unter der Herrschaft von Vater und Sohn Assad, Gründe und
Anlässe für den bewaffneten Aufstand und nicht zuletzt eine
Analyse des historischen Pechs aller Beteiligten vor Ort, zum
Objekt welt- und regionalpolitischer mächtiger und abhängiger
Interessen geworden zu sein.


Veranstalter: AK Gegenpositionen Wien


Weitere Publikationen zum Thema:


Syrien – der aktuelle Hauptfall für die Konkurrenz um die
Weltaufsicht aus GegenStandpunkt 3-12 

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