Die Schule des Kapitalismus

Die Schule des Kapitalismus

2 Stunden 2 Minuten

Beschreibung

vor 12 Jahren

Einerseits genießt die Schule den besten Ruf. Sie ist geradezu
lebensnotwendig: Sie macht aus Kindern Menschen, die sich in der
Gesellschaft zurecht finden, stattet sie mit Wissen und
Fähigkeiten aus, die sie brauchen, um ihr Leben zu meistern, und
öffnet ihnen die Welt. Ohne Schulbildung geht gar nichts.


Andererseits steht die Schule in einem sehr schlechten Ruf. Die
Beteiligten leiden überwiegend an ihr: Schüler ödet der
Unterricht meistens an und nervt, sobald es um Prüfungen und
Noten geht; wenn er ihnen nicht gleich richtig Angst vor dem
Scheitern macht. Eltern klagen über den gewaltigen Stress, den
die heutige Schule ihren Kindern macht und den sie ohne Nachhilfe
und Tabletten oft gar nicht mehr aushalten. Lehrer kämpfen mit
dem ewigen Desinteresse der Schüler am Unterricht, ihrer
„Verweigerungshaltung“ und der Unruhe in der Klasse – und leiden
darunter, dass ihnen keiner dankt. Viele halten den Beruf im Lauf
der Zeit immer schlechter aus. Universitäten und Arbeitgeber
halten die Absolventen der verschiedenen Schulen für nicht
„studier-“ oder nicht „ausbildungsfähig“ und noch nicht einmal
der Staat, der Organisator der ganzen Veranstaltung, ist mit den
Leistungen seiner Einrichtung zufrieden. Er reformiert beständig
an der Schule herum, damit sie endlich liefert, wofür er sie
finanziert.


Der Widerspruch zwischen der guten Funktion, die man der Schule
zuschreibt, und ihrer schlechten Wirklichkeit wird hingenommen,
als ob er natürlich wäre; als ob es zum Lernen nun einmal
dazugehören würde, dass sich die mit Wissen Beglückten dagegen
sträuben, dass Schüler nach 9 und mehr Schuljahren nicht viel und
manche auch gar nichts wissen, dass sich Schüler vor der
Einrichtung, die sie aufs Leben vorbereitet, fürchten. Alle
Seiten verstehen und akzeptieren die Schule als Mittel für das,
was ihnen wichtig ist, und müssen erfahren, dass sie – so
unverzichtbar sie dafür ist – ihr Mittel zugleich auch nicht ist.


Die Vorbereitung auf und die Einordnung in die kapitalistische
Konkurrenz im Berufsleben ist eben etwas anderes als eine
unschuldige Einführung in das gesellschaftlich vorhandene Wissen:
Das Lernen ist selbst schon als Konkurrenz um Noten und
Abschlüsse und Lebenschancen organisiert und es ist klar, dass
nicht alle Schüler alle Bildungsziele erreichen sollen und
dürfen. Die Schule ist ein Angebot an den werdenden
Konkurrenzbürger: Er soll und darf etwas aus sich machen und sich
durchsetzen, indem er Anforderungen besser erfüllt als andere.
Der Ernst des kapitalistischen Lebens beginnt eben schon vor der
Konkurrenz der Erwachsenen um Posten und Einkommen. Alle
Ekelhaftigkeiten der Schule haben hier ihren Grund.


Veranstalter: Sozialistische Gruppe


Artikel zum Thema: Ausbildung und Einbildung


DIE KLASSENGESELLSCHAFT VERTEILT IHRE KARRIEREN aus MSZ 12-86


Weiteres zu Schule und Ausbildung beim GegenStandpunkt Verlag:


Schule der Konkurrenz


Deutsche Professoren, setzen, sechs! - Hochschulen vergeben zu
viele gute Noten


Hochschulreform heute - Das Projekt, Wissenschaft und Ausbildung
als Waffe in der Standortkonkurrenz zu effektivieren 


und hier beim VSA-Verlag.

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