Sarintote – US-Militärschlagsdrohung – amerikanisch-russische Abrüstungsdiplomatie: Wie die USA aus Syrien einen Fall ihres Kampfes um Führung in der Welt machen
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Beschreibung
vor 12 Jahren
Mit grenzenloser Empörung berichteten die Medien im August von
den Opfern eines Giftgaseinsatzes in der Nähe von Damaskus. Dabei
hätten sie die ganze Zeit aus Syrien von grauenhaft zugerichteten
Kriegsopfern berichten können, bei denen es beide Seiten nach
westlicher Zählung auf über 100000 gebracht haben sollen. Die
Giftgastoten aber standen nach kurzem „fassungslosen Entsetzen
über das menschliche Leid“ für eine sehr gefasste militante
Botschaft: Jetzt „müssen wir“, „muss der Westen“, „muss Obama“
eingreifen, „Beiseitestehen“ wäre eine „Schande“. Dass die
westlichen Mächte längst eingemischt sind ins syrische Gemetzel
und seine Opferproduktion, irritierte niemanden. Mehr, ein echtes
machtvolles Durchgreifen wurde verlangt. Das haben die
Giftgastoten aus Sicht westlicher Medien wohl verdient.
Schließlich hatte Obama den Einsatz von Giftgas zu einer „roten
Linie“ erklärt, deren Überschreiten das Handeln der USA
herausfordern werde. Ziemlich zügig verschob sich die öffentliche
Aufmerksamkeit von der Frage, was „wir den Giftgastoten schuldig“
sind, zu der offenbar viel spannenderen, was die amerikanische
Weltmacht sich schuldig sei und beschließen würde. Dass die USA
zuschlagen müssen, wenn sie denn eine Supermacht sein und bleiben
wollen, diese Sicht der Dinge war den westlichen Medien schlicht
selbstverständlich und überrollte auch die letzten Zweifel, wer
überhaupt der Giftgastäter war, gegen den sie eine militärische
Abrechnung bestellten. Dass das Assad-Regime fällig war, stand
ohnehin schon vor dem Giftgaseinsatz fest.
Obama kündigte dann eine „Strafaktion“ an, die ein
Zeichenamerikanischer Macht setzt. Dass damit ein Militärschlag
angedroht war, der allen Beteiligten überlegen und von keinem zu
bremsen ist und zu dem nur die USA fähig sind, war nach etwas
vorauseilendem Interventionseifer Großbritanniens und Frankreichs
schnell unstrittig. Für mehr Disput sorgt seither die Frage in
der amerikanischen und weltweiten Politik, was die USA unter
Obama mit diesem begrenzten und vom übrigen Kriegsgeschehen in
Syrien getrennten Militärschlag, der nur ausgesetzt ist und
jederzeit aktiviert werden kann, eigentlich erreichen wollen und
können. Dann geht es wohl im weltweiten Machtschacher genau um
diese Frage, wie sich die USA weiterhin als Führungsmacht in der
Staatenwelt behaupten.
Dafür hat Obama die Giftgastoten und das ganze Syrien zu einem
Fall gemacht. Einerseits hat er selbst ausgeschlossen, das
US-Militär als Handlanger des innersyrischen Kräfteverhältnisses
antreten zu lassen; das hat seine syrischen "Freunde" und deren
Hintermächte ziemlich verbittert. Andererseits hat er seiner
militärischen Interventionsdrohung einen viel weiter reichenden
Auftrag zugeschrieben: allen „Tyrannen“, namentlich dem Iran,
aber eigentlich gleich „der Welt“ den „Einsatz von
Massenvernichtungswaffen“ zu verbieten. Das wirft die Frage auf,
was die USA, die über Massenvernichtungswaffen aller Kaliber
gebieten, gegen Assads, aber überhaupt gegen die chemischen
haben. Was stört die Weltmacht an der „Atomwaffe des kleinen
Mannes“?
Zu einer überraschenden Fortsetzung hat der Vorschlag Russlands
geführt, gemeinsam mit den USA die Chemiewaffen des russischen
Partners Syrien der internationalen Chemiewaffenkonvention zu
unterstellen und zu vernichten. Das haben die USA angenommen,
allerdings nicht als Ersatz für ihren Militärschlag, sondern als
erste Frucht der andauernden abschreckenden Drohung mit ihm.
Seither ringen die neuen Partner in Sachen Abrüstung Dritter
erbittert darum, was sie sich an Gewaltbefugnissen in der
Staatenwelt zugestanden haben, und nicht nur die innersyrischen
Kriegsparteien fragen sich, welche Rolle sie bei diesem Ringen
von USA und Russland noch spielen. Dann geht es wohl um solche
übergeordnete Gewaltfragen.
Obama stellt seither in jeder Rede klar: Auch wenn die USA nicht
jeden Krieg gleich führen, sondern auf „leading from behind“ und
militärische Abschreckung setzen, darf niemand den Status der
„einzigartigen“ Weltführungsmacht in Zweifel ziehen, weder Assad
noch Djihadisten, kein Staat im Nahen Osten und überhaupt keine
Macht anderswo...Was ist das für eine Bilanz, was für eine
Kampfansage?
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