Warum gibt es so wenige passionierte Teams? - Ein Interview mit Lydia Krüger von http://www.bueronymus.de/

Warum gibt es so wenige passionierte Teams? - Ein Interview mit Lydia Krüger von http://www.bueronymus.de/

34 Minuten

Beschreibung

vor 7 Jahren

In dieser Folge spreche ich mit Lydia Krüger
(@Fonski_Berlin) über passionierte Teams und was viele
Unternehmen falsch machen.


Lydia Krüger fiel nach etlichen Berufsjahren in diversen Jobs
auf, dass einiges faul ist in unserer Arbeitswelt. Sie kündigte,
machte sich selbstständig und bloggt auf bueronymus.de über
die menschliche Seite der Arbeit. Sie schreibt auch gerade ein
Buch über ihre Erfahrungen mit zwei Burnouts. Darin gibt sie
Tipps, wie man es schaffen kann, sich aus einem ungesunden
Arbeitsverhältnis zu befreien.


Hier die Kernaussagen dieser Folge:


Wenn die Arbeit zum Burnout führt: „Leave it“


Das ging bis zum Burnout. Und nicht aufgrund von Stress, sondern
wegen diesem inneren Widerstand, den ich entwickelt habe und
diesen inneren Konflikten, die sich im Außen auch nicht lösen
ließen. Das System – und das gilt natürlich für so eine
Organisation ganz besonders – funktioniert nach seinen eigenen
Regeln und die Menschen verhalten sich logisch und intelligent in
diesem System. Die meisten Menschen. Und dann gibt es solche
Querschläger, Quertreiber, wie mich, die Sachen hinterfragen
wollen und sagen: „Moment mal, aber warum machen wir das so? Und
warum machen wir das überhaupt?". Seit ich draußen bin, habe ich
sehr viele Menschen kennengelernt, die auch so ticken wie ich.
Und die meisten schaffen es nicht, in so einem Umfeld zu
überleben, auf Dauer.


Hierarchie bei Firmen - stört


Am meisten hat mich die Hierarchie gestört, da Hierarchie sehr
viele Auswirkungen hat, die einfach menschenfeindlich und nicht
unbedingt einem guten Zusammenleben förderlich sind. Das sieht
man auch in anderen Organisationsformen: Das sieht man in der
Kirche, das sieht man in der Armee, wobei das dort noch Sinn
macht, weil es da eine Befehlskette gibt. Und in einer Hierarchie
kann es einfach kein Vertrauen geben. Man hat mit diesem
Machtgefälle und diesen Silos und verschiedenen Revieren – so wie
die meisten klassischen Unternehmen gebaut sind – automatisch
diesen Effekt, dass die Leute ihr Revier verteidigen oder sich
abschotten wollen, ihre eigenen Ziele erreichen wollen. Es ist
kein schönes Arbeiten, finde ich. Und es ist auch sehr
unproduktiv. 


Bei verstärkten Hierarchien spielt automatisch immer Politik
stark mit hinein Irgendwann verbringt man extrem viel Zeit damit,
sich mit dieser Politik zu beschäftigen und kommt nicht mehr
wirklich zum eigentlichen Arbeiten. Und ab einer gewissen Größe
kommt man oft nicht darum herum, sich mit der Politik zu
beschäftigen, da man ansonsten zu nichts mehr kommt. 


Das Verrückte ist, dass ich das ja gar nicht kannte. Ich kam aus
einer Welt, wo man relativ frei agieren konnte. Und es hat auch
lange gedauert, bis ich das überhaupt gelernt habe, wen ich hier
siezen darf und wen nicht, oder muss, oder nicht. Und dass es so
etwas wie einen Dienstweg gibt. Das war mir total fremd. Und ich
war unter anderem Pressesprecherin und musste schnell agieren.
Ich habe eine Presseanfrage bekommen und habe dann möglichst
schnell versucht, an die Information heranzukommen: Auf kürzestem
Weg und wie ich es für sinnvoll hielt. Und nicht indem ich meinen
Kollegen, Abteilungsleiter, kontaktiert habe, der dann den
Teamleiter kontaktiert, der dann den Kundenberater, der mit dem
Fall zu tun hat, kontaktiert und dann geht das wieder hoch – das
ist ja wie Stille Post! Erst einmal kommt dann nur die Hälfte bei
mir an und das dauert einfach auch viel zu lange. Es macht keinen
Sinn. 


Irgendwie fehlt das Vertrauen: man wird extrem in dem
Aktionsraum, eingeschränkt


Das war nicht bei jeder einzelnen Presseanfrage so. Aber es ist
schon vorgekommen und das hat mich immer echt vor den Kopf
gestoßen. Genau aus dem Grund: dieses Vertrauen. Das habe ich ja
am Anfang gesagt: In Hierarchien kann es eigentlich kein
Vertrauen geben. Und das habe ich gemerkt, im Umgang mit den
Mitarbeitern, die sozusagen am unteren Ende der Fahnenstange
waren, am unteren Ende der Pyramide. Mit denen in ein ehrliches
Gespräch zu kommen war teilweise sehr schwierig, weil sie sich
nicht getraut haben. Ich war ja auch für die interne
Kommunikation zuständig, und die haben sich nicht getraut, dann
einfach zu sagen, was Sache ist. Oder ich habe es geschafft, das
Vertrauen aufzubauen, sie haben es mir erzählt, und dann
musste ich sehr, sehr vorsichtig sein, was ich mit dieser
Information mache. Es gab sehr viel Angst in diesem Unternehmen,
obwohl ich sagen muss, dass es kein böses Unternehmen war. Die
Leute hatten einfach Angst, dass sie, auf Deutsch gesagt „einen
Anschiss kriegen", wenn sie sich äußern oder dass sie vielleicht
woanders hin versetzt werden. Es reicht schon, wenn dieses Gefühl
da ist, es muss überhaupt nicht real sein. 


Horrorvorstellungen


Es ist eine der größten Horrorvorstellungen, den Job zu
verlieren. Trotz allem ist diese Angst oft da, und das ist
spannend zu beobachten, vor allem wenn es dann Richtung „Arbeiten
für Null" geht, „agilem Arbeiten“ und so weiter. Dass allein aus
dieser Angst, Fehler zu machen und deswegen eventuell, ultimativ,
gekündigt zu werden, die Leute sich nicht trauen, Dinge anders zu
machen.


Ja, also machen schon gar nicht. Etwas aussprechen – wenn man
schon davor Angst hat, etwas auszusprechen, dann ist ja das
machen schon so weit entfernt. Aber interessanterweise gab es die
Angst auch unter den Führungskräften. Die gab es überall. Und es
waren auch ganz viele verschiedene Gefühle. Diese allgemeine
Unterdrückung von Gefühlen war auch ein Thema, das mich ein
bisschen verrückt gemacht hat. Man durfte nicht einfach mal
„scheiße" brüllen, wenn etwas schiefgegangen ist. Ganz viel Wut
musste man auch unterdrücken, also da kann ich jetzt für mich
sprechen, aber ich weiß es auch von Kollegen, die dann mit
gesenktem Kopf da etwas geschluckt haben, bei dem sie sich
eigentlich, wenn sie sich am nächsten Tag im Spiegel noch ansehen
möchten, hätten wehren müssen. Und im Grunde führt das dazu, dass
man, gerade in der Führungsetage, mit einer Maske unterwegs
ist. 


Unterdrückung von Gefühlen


Das Witzige ist, dass so eine Kultur sich extrem schwer verändern
lässt. Das erinnert mich gerade an diese Metapher, mit den Affen
und der Leiter. Da steht eine Leiter in einem Käfig, die man
hochklettern kann und oben hängt eine Banane. Dann klettert ein
Affe hoch, will die Banane holen und dann werden alle anderen
Affen mit Wasser nass gespritzt. Was passiert nach einer gewissen
Zeit? Sobald einer nur in die Nähe der Leiter kommt, wird der
schon weg gekloppt, in Sinne von: „Geh von der blöden Leiter weg,
weil sonst passiert etwas Schlimmes“


Und dann fängt man an, diese Affen nach und nach aus diesem Käfig
herauszuholen, bis vielleicht dann lauter neue Affen drin sind
und nur noch ein Affe, der das noch kennt von früher, der quasi
nach und nach alle anderen Affen auch erzogen hat: „Das geht so
nicht!". Und ultimativ ist es dann irgendwann so, dass da nur
noch Affen im Käfig waren, die diese Aktion – auf die Leiter
hochsteigen, nass gespritzt werden – überhaupt nie gesehen haben.
Und trotzdem haben sie das Verhalten übernommen, sobald jemand
Richtung Leiter geht, denn da weg zu kloppen. Also diese
Verhaltensweisen sind quasi dageblieben. Das kannst du eben auch
ganz häufig in Unternehmen beobachten. 


Und natürlich, diese gegenseitige Beeinflussung, da gibt es ja
auch Studien: Es braucht nur drei Leute, die im Schwarm umkehren
und dann folgt der Rest. Da sind halt Dynamiken am Werk, ich
finde das total spannend, aber wenn man mittendrin steckt, ist
das nicht so cool, weil man sich nur sehr schwer gegen diese Peer
Pressure oder dieses System mit all seinen Wechselwirkungen
wehren kann. 


Etablierte Kulturen bei Unternehmen: kann man es überleben?


Bei mir war es so, ich habe mir meine Insel dann geschaffen mit
meiner kleinen Abteilung oder Stabstelle und so ein paar Leuten,
die da auch affin waren. Und es gab ja auch sehr viele nette
Leute, um Gottes Willen, das war jetzt nicht so ein schlimmer
Arbeitgeber. Aber man versucht halt irgendwie, zu überleben und
ich habe das eben mit meiner Insel gemacht. Ich habe mir immer
Projekte gesucht, die mir Spaß machen. Ich hatte eigentlich
ziemlich viel Gestaltungsfreiheit was meinen Bereich angeht. Aber
wenn es dann natürlich in andere hineinragte, dann wurde es
natürlich schon wieder schwierig.


Umgebung zu schaffen, in der Mitarbeiter weniger Angst haben


Da gibt es ja ganz viele Modelle, die jetzt gerade immer
populärer werden. Ganz viele verschiedene Methoden, die man
einführen kann. Das Wichtigste ist, wieder an diese intrinsische
Motivation der Leute heranzukommen. Denn was mich am meisten,
immer wieder erstaunt hat: Selbst in einem konservativen
Unternehmen, in dem etwa zehn Prozent der Leute sowieso mit allem
abgeschossen hat – die werden so mitgezogen und an die kommt man
nicht mehr ran und das ist auch okay, weil die schon so oft
enttäuscht worden sind –, aber der überwiegende Teil ist
wirklich,[…] die wollen ja arbeiten, die wollen etwas Gutes
machen, die sehen die ganzen Probleme. Und warum lässt man die
die nicht lösen? Warum hat man stattdessen ein paar Leute an der
Zentrale, die am grünen Tisch irgendetwas ausbaldowern, die
überhaupt keine Ahnung haben, was eigentlich wirklich gebraucht
wird und was an der Kundenfront passiert. Und ich bin eigentlich
ein großer Fan von Dezentralisierung. Ich glaube zum Beispiel,
dass in einem Unternehmen mit ganz vielen Filialen oder
Niederlassungen oder Geschäftsstellen, oder wie auch immer sie
heißen, es interessant wäre, diesen Geschäftsstellen die
größtmögliche Freiheit zu geben. 


Was braucht ihr eigentlich, um euren Job zu machen?


Ganz simpel. Und dann kommt auch ganz viel. Als Zentrale muss ich
eigentlich die Bedingungen dafür schaffen, dass die Leute
arbeiten können. Und ich hätte das immer mal total gerne als
Pilot mit einem Standort gemacht. Das ist aber auch wieder so
schwierig. Man kann ja nicht einfach in einem System, das total
regelbasiert ist, für einen Standort alle Regeln außer Kraft
setzen. Rein rechtlich gibt das ja schon Probleme. So ein
System basiert ja auch auf Gleichmacherei, auf Einheitlichkeit.
Das ist ganz wichtig, für alle, außer für die Führungskräfte
natürlich, das ist wieder ein anderes Thema, gelten ja die
gleichen Regeln. Das ist auch so ein ganz großer Hinderungsgrund
für Innovation. #00:20:22-0#


Motivation beim Unternehmen


Bei uns war es so – ich kann jetzt relativ offen darüber reden,
weil es das Unternehmen nicht mehr gibt –, es gab Leute, die
haben eine Qualifizierung gemacht, die haben sich in ein
Spezialgebiet eingearbeitet, die haben sogar einen Abschluss
gemacht auf ihrem Gebiet und haben sich ein Netzwerk aufgebaut.
Zwei Jahre irgendwie alles getan, um da fit zu werden, auf ihrem
Spezialgebiet und dann hieß es „Umstrukturierung. Sie machen
jetzt etwas ganz Anderes!". Und so zerstört man Motivation. Die
Leute waren natürlich völlig fertig. Die haben sich gefragt:
„Okay, wozu habe ich mir jetzt hier alles aufgebaut?". Für
Übergabe gab es auch keine Zeit. Zack, alles weg. Alles, was du
dir aufgebaut hast, ist weg und ab nächster Woche machst du ein
anderes Thema. Und das ist Wahnsinn. Das ist ja auch
betriebswirtschaftlich wahnsinnig, nicht einfach nur menschlich
mies, sondern auch betriebswirtschaftlich irre. #00:22:09-0#


Spiele als Hilfe bei der Arbeit


Ich mag ja meine Buzzword-Bingos sehr gerne. Ich bin ja so ein
Sprachmensch, ich schreibe und habe Kommunikation studiert.
Buzzword-Bingo, man nennt es auch Bullshit-Bingo, ist ein Block,
den man ganz normal als Block im Meeting verwenden kann und unten
sind dann 25 Felder mit verschiedenen Buzzwords, wie zum Beispiel
„Rahmenbedingungen", oder „Zeitfenster", auch so etwas Schönes,
oder „auf die Schiene setzen", also diese ganzen Phrasen. Und
immer, wenn eine von diesen Phrasen kommt, dann kreuzt man an,
und wer als Erstes fünf in einer Reihe hat, der schreit „Bingo".
Man kann das mit den Kollegen im Meeting spielen oder im
Kongress. 


Grundsätzlich glaube ich total daran, dass Spiele oder alles, was
man selbst erfährt, einen sehr viel weiterbringt, als irgendeine
PowerPoint-Präsentation oder irgendein Vortrag. Ich beschäftige
mich auch damit, wie man eigentlich so etwas wie
Selbstorganisation und -motivation spielerisch erlebbar machen
kann. Denn viele Leute kennen das ja überhaupt nicht. Und ich
kann für mich sagen, ich mache ja verschiedene Jobs, und ich
merke einfach, was für eine andere Energie das ist, wenn ich
selber entscheiden kann, was ich mache. Da gibt es ja
Abstufungen, von „Das ist mein Blog und ich mache hier, was ich
will", bis hin zu „Ich habe ganz klare Angaben und muss hier eine
Anzeige texten“. Und es ist einfach eine andere Energie. Es ist
wirklich etwas, was ich vielen Leuten wünsche, dass sie das mal
erleben dürfen, weil es einen nährt. Man kann durch
selbstbestimmte Arbeit eigentlich überhaupt nicht ausbrennen,
weil man Energie gewinnt. #00:26:59-0#


„Faire Führung“ 


Ich war ja selber länger Führungskraft. Was ich so spannend finde
ist, dass Führung derart mystifiziert wird. Als wenn das
irgendetwas wäre, was man lernen muss, wofür es Techniken gibt.
Meine Erfahrung ist, dass das Wichtigste ist, dass man mit sich
selbst im Reinen ist, und dass man einfach menschlich ist. Dass
man erkennt, dass man es mit einem Menschen zu tun hat. Und man
kann das durchaus vergessen. Das ist mir auch schon passiert.
Durch sehr viel Stress, durch sehr viel Druck, kann das irgendwie
in das Hintertreffen geraten und dann sieht man irgendwie nur
noch Arbeitskräfte, die man einplant. #00:29:28-0#


Empathie von der Führungskraft / Führung


Empathie, glaube ich, wird immer wichtiger und wird, glaube ich,
mit einer der Erfolgsfaktoren zukünftig sein, wenn man als Firma
erfolgreich sein und am Markt bestehen möchte. Und ich glaube,
das ist ein ganz großes Thema, was da kommen wird. #00:30:10-0#


Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen und sagen:
„Brauchen wir überhaupt noch Führung?". Wer möchte denn schon
gerne geführt werden? Klar, es gibt solche und solche Menschen.
Es gibt diesen Satz, von dem ich jetzt wieder nicht weiß, von wem
er ist. Ich glaube, von Nico Rose: Niemand geht Freitag aus dem
Büro nach Hause und sagt: „Mensch, heute bin ich wieder geil
geführt worden“. Dieses ganze Konzept wird auch immer absurder
heutzutage. Die Leute können sich ja selber führen. Es geht,
glaube ich, vielmehr um Selbstführung. Dass wir also immer mehr
lernen, uns selbst Ziele zu setzen und die zu verfolgen und
umzusetzen und mit anderen empathisch umzugehen. Und nicht, dass
da einer kommt und sagt: „Du machst das jetzt so!“.

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