Frakturen der langen Röhrenknochen beim neugeborenen Kalb

Frakturen der langen Röhrenknochen beim neugeborenen Kalb

Beschreibung

vor 21 Jahren
In dieser retrospektiven Untersuchung wurden die Krankenakten von
neugeborenen Kälbern, die in der Rinderabteilung der Chirurgischen
Tierklinik der Universität München mit einer Fraktur der langen
Röhrenknochen vorgestellt worden waren, ausgewertet. Die
Untersuchung erstreckte sich über einen Zeitraum von 16 Jahren und
erfasste 125 Tiere. Frakturen der Metakarpal- und Metatarsalknochen
fanden dabei keine Berücksichtigung, da sie in der Regel
konservativ zu behandeln sind. Die Mehrzahl der Kälber (77; 61,6 %)
erlitt die Frakturen im Verlauf einer assistierten Geburt. Viele
von ihnen (68; 54,4 %) wiesen bei der Einstellungsuntersuchung
zusätzliche Erkrankungen - wie Nabelerkrankungen,
Gliedmaßenfehlstellungen und beeinträchtigtes Allgemeinbefinden -
auf. Begleiterkrankungen beeinflussten sowohl die Entscheidung zu
einer Therapie als auch die Frakturheilung signifikant (Chi²-Test:
p< 0,01). Vergleichsweise häufiger als die Knochen der
Schultergliedmaße waren die der Beckengliedmaße, die Tibia (58;
46,4 %) und das Os femoris (50; 40 %) betroffen. Lediglich in 8
Fällen (6,4%) bestanden offene Frakturen. Als Hinweis für eine
Verkeilung der Hintergliedmaßen im mütterlichen Becken ist zu
werten, dass die Frakturen oft in der Nähe des Kniegelenkes
lokalisiert waren (54,4%). Insgesamt 107 Kälber wurden behandelt.
Konservativ therapiert wurden 16 Frakturen, vor allem solche von
Humerus und Radius/ Ulna, aber auch fünf der Tibia. Letztere im
Bereich der proximalen Metaphyse lokalisierte Frakturen (5) heilten
ohne Verband allein durch Boxenruhe ab. Die bei den restlichen 91
Kälbern angewendeten operativen Techniken bestanden aus
Plattenosteosynthesen (64), Rush Pin (10), Fixateur externe (8),
Steinmann Nagel (7) und Veterinär- Fixateur (2). Nach einer
durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von zwei Wochen konnten 66
(61,7%) der behandelten Kälber aus der Klinik entlassen werden. Bei
den übrigen traten Komplikationen auf, so dass sie starben oder
eingeschläfert werden mussten. Kälber mit zusätzlichen Erkrankungen
und instabilen Fixationen (37) waren prädisponiert für Infektionen
(22). Bei 67 (62,6 %) der 107 behandelten Tiere kam es zu
Komplikationen, von diesen konnten dennoch 26 aus der Klinik
entlassen werden. Die spätere Entfernung der Implantate erfolgte
bei 39 Tieren. Mittelfristig (bis sechs Monate nach der
Frakturbehandlung) gesundeten 60 (56,1%) und langfristig (>
sechs Monate) 54 (50,5%). Die Erfolgsquote der konservativen
Frakturbehandlung lag etwas höher als die der operativen (55%).
Eine besonders ungünstige Prognose weisen nach dieser Studie die
Frakturen im distalen Bereich der Tibia auf. Bei lediglich einem
von acht Kälbern kam es zur Frakturheilung. Im Vergleich zu den
Os-femoris-Frakturen traten bei den Tibiafrakturen nach operativer
Versorgung signifikant häufiger Infektionen auf (Chi²-Test <
0,05). Die Versorgung mit intramedullären Kraftträgern war wenig
erfolgreich. Bei neugeborenen Kälbern ist die Behandlung von
Frakturen der langen Röhrenknochen aufgrund ihres unausgereiften
Immunsystems, der häufig zu konstatierenden Begleiterkrankungen
sowie der noch weichen Knochenbeschaffenheit als schwierig zu
bewerten. Es ist anzunehmen, dass in den landwirtschaftlichen
Betrieben viele Frakturen der langen Röhrenknochen vorkommen, aber
wegen der ökonomischen Situation die Kälber nicht behandelt werden.
Günstig für eine erfolgreiche Behandlung sind die Abwesenheit von
Begleiterkrankungen, die einfache Frakturkonfiguration sowie die
Frakturlokalisation in der Diaphyse oder Metaphyse. Bei wenig
dislozierten Frakturen, wie sie des öfteren an Radius/Ulna und an
der Tibia gefunden werden können, ist die konservative Therapie
angebracht. Meist sind die Fragmente jedoch stark disloziert und
müssen durch eine Osteosynthese adaptiert und fixiert werden. Trotz
aller Nachteile erscheinen hierzu die Plattenosteosynthese sowie
eingeschränkt der Veterinär-Fixateur (Vet Fix) am ehesten geeignet.

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