Wachstumsschub für den Kraken | Von Bernd Kuck

Wachstumsschub für den Kraken | Von Bernd Kuck

19 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Die IT-Riesen wollen die Verbraucher noch mehr als zuvor von sich
abhängig machen und ihre Daten abgreifen. Eine Rezension zu „Das
Zeitalter des Überwachungskapitalismus“.


Ein Standpunkt von Bernd Kuck.


In der heutigen schnelllebigen Zeit scheint der gedruckte Text
eine überholte Einrichtung zu sein. Allerdings nur insofern, als
der Überwachungskapitalismus nahezu ungebremst voranschreitet. So
gesehen ist Shoshan Zubhoffs Buch „Das Zeitalter des
Überwachungskapitalismus“ natürlich aktueller denn je. Es geht um
die großen Akteure Google, Facebook plus WhatsApp, Apple, Amazon
und Microsoft, die inzwischen eine monopolistische Macht erlangt
haben, die die Demokratien massiv gefährden. Was Zuboff noch
nicht erwähnen konnte, sind unter anderem die Ausweitung des
Geschäfts von Amazon auf die sogenannte Cloud-Speicherung, der
Angriff von Google auf Microsoft mit Hilfe von Google Chrom OS
und der wichtige Einstieg auf dem Laptopmarkt. Die Idee dahinter
ist: kaum noch Speicherplatz auf dem Laptop, alles geht online,
Programme laufen online, gespeichert wird in der Cloud. Vielfach
herrscht Begeisterung darüber, dass dann die PCs und Laptops
billiger werden und dass in den Firmen ganze IT-Abteilungen
eingespart werden können, weil Updates direkt in der Cloud
erfolgen. Was sich die Enthusiasten nicht klar machen: Die
Datensicherheit ist auf diese Weise gefährdet. Das Gros der
Menschen wird noch mehr zu Datenlieferanten für die
Werbeindustrie. Und Microsoft zieht nach: Windows 11 kommt auf
den Markt und wird das Cloudcomputing ebenso vorantreiben.
Windows 10 wird ab 2025 nicht mehr mit Updates versorgt, also
müssen alle in die Cloud (Handelsblatt vom 13. August 2021 (2))?
Es bleibt nur zu hoffen, dass Linux gegenhalten wird und die
Freiheit der Entscheidung den Nutzern überlässt.


Aber nun zum Text. Die Kernthese besteht darin, dass die Nutzer
schon lange nicht mehr bloße Datenlieferanten sind, was sich von
den Datenkraken in klingende Münze umsetzen lässt, sondern längst
die gesammelten Daten dazu genutzt werden,
Verhaltensmanipulationen vorzunehmen. Dazu verhelfen nicht nur
Cookies, sondern der ganze Bereich des sogenannten Smarthome. Es
ist noch gar nicht so lange her, dass die Barbiepuppe aufflog,
weil sie via WLAN-Anschluss die Gespräche der Kinder belauschte,
um deren neueste Wünsche zu erfahren. Das geht auch in der
Erwachsenenwelt: Der Fernseher hört mit, Alexa sowieso und auch
Cortana, die Sprachsoftware von Windows ist mit am Ball. Das
bedeutet letztlich den Verlust der Privatsphäre. Aber der normale
Nutzer, die normale Nutzerin hat ja nicht einmal eine Idee vom
Minimum an Datenschutz (3).


Wozu braucht Ihre App Zugriff auf Kamera und Mikrophon, wenn Sie
doch nur den aktuellen Wetterbericht erfahren wollen? Und selbst
für digital Affine übersteigt es die Vorstellungskraft, was im
Hintergrund an Datenmassen gesammelt wird, miteinander verknüpft
und gewinnbringend vermarktet wird. Wer immer noch glaubt, dass
es im Kapitalismus irgendetwas kostenlos gibt, der findet es
wahrscheinlich auch toll, wenn sich die Vorstellung der
Datenkraken erfüllt, bei der Sie in eine Bar in Frisko gehen, wo
der Barkeeper schon weiß, dass Sie kommen, weil er dafür bezahlt,
dass Sie in die richtige Bar gelotst werden. Und er hat schon
Ihren Lieblingsdrink gemixt, weil er natürlich weiß, was Sie so
mögen. Doof nur für den Barkeeper, wenn mir heute nach etwas
anderem ist. Aktuell kann mensch sich gruseln bei den Ergebnissen
des Künstlerprojekts „Made to Measure“. Siehe dazu auch den
Artikel in der TAZ vom 30.8.2021: Bis du dich wiedererkennst.


Für Zuboff geht es also „um die Verfinsterung des digitalen
Traums und dessen rapide Mutation zu einem ganz und gar neuen
gefräßigen kommerziell orientierten Projekt, dem ich den Namen
Überwachungskapitalismus gegeben habe“. Was Marx nicht wissen
konnte, denn diese Spielart des Kapitalismus ist völlig neu,
selbst wenn sie auf dem Neoliberalismus gründet. Sie ist auch
beispiellos, was die Überrumpelung der Menschen erleichtert.
Diese Spielart nährt sich nicht von Arbeit, sondern von jeder Art
menschlicher Erfahrung.


„Überwachungskapitalisten wissen alles über uns, während ihre
Operationen so gestaltet sind, uns gegenüber unkenntlich zu sein.
Überwachungskapitalisten entziehen uns unermessliche Mengen an
Wissen, aber nicht für uns; sagen unsere Zukunft nicht zu
unserem, sondern zu anderer Leute Vorteil voraus“.


Wenn schon der Kapitalismus an sich aus dem Ruder gelaufen ist,
so in diesem Feld der neuen Märkte erst recht. Der
Neoliberalismus hat dazu die Grundlage geschaffen, indem er mit
seiner Marktideologie den Staat immer mehr zurückdrängte.


„Die Disziplin der Wettbewerbsmärkte versprach, die aufsässigen
Individuen ruhigzustellen, ja sie sogar wieder in Untertanen zu
verwandeln, die zu sehr mit Überleben beschäftigt sind, um sich
groß zu beschweren“.


Quasi nebenbei entdeckte Google den „Verhaltensüberschuss“. Damit
meint Zuboff, dass die Rohstoffe für die Datenkraken, die bislang
der Verbesserung der Suchergebnisse dienten, nunmehr den
einzelnen Nutzer ins Visier nehmen. Das geht bis hin zu
Stimmungsdaten, die sich aus den Suchanfragen, aber auch aus der
Art des Tastenanschlags ermitteln lassen. Derlei Verhaltensdaten
stellten einen Überschuss dar, der dem damals noch jungen
Unternehmen „die nachhaltigen und exponentiellen Profite“
einbringen würde.


So ließen sich Nutzerprofile erstellen, selbst wenn der Nutzer
sie nicht ausdrücklich zur Verfügung stellt.


„Nutzerprofil-Informationen können jede Art von Information über
einen individuellen oder über eine Gruppe von Nutzern enthalten.
Solche Informationen können, die Genehmigung einer Herausgabe der
Nutzerinformationen durch einen Dritten vorausgesetzt, vom Nutzer
gestellt und/oder aus den Aktionen des Nutzers gewonnen werden.
Gewisse Nutzerinformationen lassen sich anhand anderer
Nutzerinformationen desselben Nutzers und/oder
Nutzerinformationen anderer Nutzer ableiten und vermuten.
Nutzerprofil-Informationen können mit unterschiedlichen
Einrichtungen verbunden sein“. (4)


Wir sind schon lange nicht mehr das von Google verkaufte Produkt.
Unseren Subjektstatus haben wir im Netz sowieso schon verloren.
Vielmehr sind wir die Objekte für die unrechtmäßige
Datensammlung, sind der Rohstoff für Googles
Vorhersagefabriken…weiterlesen hier:
https://apolut.net/wachstumsschub-fuer-den-kraken-von-bernd-kuck





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