Der Verrückte und die Reichen | Von Hermann Ploppa

Der Verrückte und die Reichen | Von Hermann Ploppa

21 Minuten

Beschreibung

vor 7 Monaten

Argentinien hat mit überwältigender Mehrheit einen marktradikalen
Exzentriker gewählt, dem man nicht bei Mondenschein über den Weg
laufen möchte.


Ein Standpunkt von Hermann Ploppa.


Er verstrahlt das Charisma eines Staubsaugervertreters, der
mithilfe von Kokain und Alkohol noch einmal alles aus sich
herausholt. Da fuchtelt der Präsidentschaftskandidat wild mit
einer Kettensäge herum. Damit will der Mann die Politikerkaste am
Rio de la Plata zersägen. Da regnen auf seine jubelnden Fans
falsche Dollarscheine mit dem Antlitz ebendieses
Präsidentschaftskandidaten Javier Milei. Milei will nämlich die
argentinische Landeswährung abschaffen und stattdessen den
US-Dollar einführen und dabei auch gleich die argentinische
Zentralbank „in die Luft jagen“. Milei führt auf der Bühne einen
wilden Derwischtanz auf, als feststeht, dass er die Wahl haushoch
mit 10 Prozent Vorsprung vor seinem Rivalen von der
peronistischen Partei gewonnen hat. „Die Perücke“ (La Peluca),
wie Milei von seinen Fans wegen seines verwilderten
Rocker-Haupthaares genannt wird, nimmt nie ein Blatt vor den Mund
und pöbelt im Sub-Prol-Jargon gegen jeden, der ihm nicht passt.
Auch der argentinische Papst Franziskus wird von Milei als
„Abgesandter des Bösen“ abgefrühstückt. Die „Perücke“ genießt im
Land eine schier unerklärliche Immunität und Narrenfreiheit.


Die letzte Präsidentschaftswahl in Argentinien war wegen dieser
lateinamerikanischen Variante des Hans Wurst wenigstens in keiner
Phase langweilig. Auch in Argentinien sammelt jeder Pluspunkte,
der mit Hasstiraden auf die amtierende Politikerkaste eindrischt.
Aber während bei uns immer noch auf sehr hohem Niveau gemeckert
wird, haben die Argentinier schon lange nichts mehr zu lachen und
zu beißen. Die jährliche Inflationsrate liegt bei unglaublichen
145 Prozent. Die Arbeitslosigkeit beträgt offiziell zwar nur 7
Prozent. Doch gibt es eine verdeckte Arbeitslosigkeit, und die
kann auch schon mal 44 Prozent betragen (1), mit großen
regionalen Unterschieden. Während es den Menschen im Großraum um
die Hauptstadt Buenos Aires noch relativ gut geht, können in
strukturschwachen Regionen durchaus Menschen hungern. Der Anteil
der Argentinier, die unterhalb der Armutsgrenze vegetieren, liegt
augenblicklich geschätzt bei über 40 Prozent (2).


Dabei war Argentinien bis in die Mitte der 1950er Jahre ein
überaus wohlhabendes Land. Massenhaft wanderten die Menschen
damals aus dem krisengeschüttelten Europa ein, um in Argentinien
geordnete Verhältnisse vorzufinden. Die politischen Koordinaten
in Argentinien sind indes anders angelegt als im Rest der Welt.
Lange Zeit prägte der mit dem Faschismus sympathisierende
Politiker Juan Peron die Szene. Sein autoritärer Regierungsstil
ging einher mit einer aktiven Sozialpolitik. Das
Preis-Leistungsverhältnis stimmte für die einfachen Leute. Doch
immer wieder ergriffen die Militärs die Macht und hinterließen
verbrannte Erde.


Der sogenannte Peronismus bildete viele unterschiedliche
Spielarten aus. Sozialdemokratische Peronisten prägten die Szene,
immer wieder unterbrochen von Militärputschen. Das trug
langfristig bei zu der unheilvollen Allianz von Oligarchen,
Latifundisten, reaktionärem katholischen Klerus sowie
peronistischen Politikern, die ein Machtpatt mehr schlecht als
recht verwalten. Die immer weiter um sich greifende
Arbeitslosigkeit wurde mit ständig neuen Planstellen im
öffentlichen Dienst verschleiert. Im öffentlichen Dienst sind auf
diese Weise derzeit 22 Prozent aller Beschäftigten aktiv (3). Ein
ewiges Hin und Her zwischen halbgaren Ansätzen sozialer
Gerechtigkeit und marktradikaler Kahlschlagpolitik hat das Land
ruiniert...


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Bildquelle: AlanMorris/shutterstock





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