Veränderung der Stimmungslage und der Befindlichkeit durch niederfrequente repetitive transkranielle Magnetstimulation

Veränderung der Stimmungslage und der Befindlichkeit durch niederfrequente repetitive transkranielle Magnetstimulation

Beschreibung

vor 21 Jahren
Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) findet seit
einigen Jahren zunehmende Beachtung als potentielle Behandlungsform
für eine Reihe von neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen.
Die umfangreichste Datenbasis liegt bisher für die behandlung
depressiver Störungen vor. In früheren rTMS-Studien wurde ein
antidepressiver Effekt nach hochfrequenter Stimulation des linken
dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC) und nach
niederfrequenter Stimulation des rechten DLPFC nachgewiesen. In den
ersten Studien mit hochfrequenter rTMS bei gesunden Probanden wurde
über hemisphärisch lateralisierte Effekte berichtet, mit einer
Stimmungsverschlechterung nach Stimulation des linken DLPFC und
Stimmungsverbesserung nach Stimulation des rechten DLPFC. Weitere
Studien mit ähnlichen Stimulationsparameter konnten diese
Ergebnisse jedoch nicht verifizieren. Stimmungseffekte nach
niederfrequenter Stimulation wurden bei gesunden Probanden bislang
nur in einer Studie untersucht. Effekte nach Stimulation des
anteromedialen präfrontalen Kortex (AMPFC) wurden bislang nicht
systematisch untersucht. Weitere, nicht stimmungsbezogene
Befindlichkeitsqualitäten wurden bisher kaum einbezogen.
Fragestellung der Arbeit war, ob sich auch bei niederfrequenter
rTMS signifikante lateralisierte Stimmungseffekte nachweisen
lassen. In einem explorativen Teil wurde zusätzlich untersucht, ob
sich Veränderungen weiterer Befindlichkeitsqualitäten zeigen.
Zusätzlich wurde explorativ der Einfluß bestimmter
Persönlichkeitszüge auf die Reagibilität der Probanden bei den
einzelnen Untersuchungsbedingungen untersucht. In einem
randomisierten cross-over Design erhielten 16 rechtshändige
Probanden eine niederfrequente rTMS (0,5 Hz, 150 Stimuli pro
Sitzung, 120% der individuellen motorischen Schwelle) des rechten
und linken DLPFC, rechten und linken AMPFC sowie des occipitalen
Kortex. Die Messung der Stimmung und der Befindlichkeit erfolgte
mit einer standardisierten Selbstrating-Skala
(Eigenschaftswörterliste, Globalform) mit 15 Subskalen sowie mit 8
visuellen Analogskalen. Zur Messung der Persönlichkeitszüge wurden
der NEO-FFI und der Sensation-Seeking-Test (SSS, Globalskala)
eingesetzt. Bei allen Skalen zeigten sich deutliche individuelle
Unterschiede und inkonsistente Reaktionen. Bei den Stimmungsskalen
ergaben sich nach α-Korrektur keine signifikanten Effekte,
Tendenzen waren jedoch erkennbar. Auch im direkten Vergleich
zwischen den einzelnen Regionen fanden sich keine signifikanten
Unterschiede. Bei den Befindlichkeitsskalen waren die Effekte z.T.
stärker als bei den Stimmungsskalen. Nach rechts dorsolateraler
Stimulation kam es vor allem zu einer Abnahme von
Extravertiertheit, Vertrautheit, Konzentriertheit und des globalen
Zustandes. Links dorsolateral fand sich im Wesentlichen eine
Abnahme der Erregtheit sowie eine Zunahme der Verträumtheit und der
Ruhe. Nach rechts anteromedialer Stimulation kam es vor allem zu
einer Zunahme der Selbstsicherheit und von Ärger. Links
anteromedial war eine Zunahme von Introvertiertheit und
Benommenheit sowie eine Abnahme von Aktiviertheit, Empfindlichkeit
und der Angst zu verzeichnen. Nach occipitaler Stimulation fanden
sich kaum Änderungen. Im Vergleich zur occipitalen
Kontrollbedingung zeigten sich rechts dorsolateral eine Zunahme der
Empfindlichkeit und eine Abnahme der Aktiviertheit und der
Vertrautheit, links dorsolateral eine Abnahme der Aktiviertheit und
der Konzentriertheit. Rechts anteromedial fand sich eine Abnahme
der Ängstlichkeit, links anteromedial eine Abnahme der
Extravertiertheit und der Aktiviertheit. Im Direktvergleich rechts
vs. links ergaben sich dorsolateral signifikante Seitenunterschiede
in den Skalen „Extravertiertheit“, „Erregtheit“ und
„Verträumtheit“, anteromedial bei den Skalen „Aktiviertheit“,
“Benommenheit“ und „Extravertiertheit“. Auch im Vergleich
dorsolateral vs. anteromedial ergaben sich signifikante
Unterschiede: rechts bei den Skalen „Extravertiertheit“ und
„Globaler Zustand“, links bei „Aktiviertheit“ und
„Empfindlichkeit“. Bei der explorativen Untersuchung des Einflusses
von Persönlichkeitsfaktoren fanden sich im Bereich der
Stimmungsskalen keine signifikanten Korrelationen mit dem NEO-FFI.
Bei der Persönlichkeitseigenschaft „Sensation Seeking“ (SS) ergaben
sich Hinweise auf eine Beteiligung des linken AMPFC: In einem
Extremgruppenvergleich kam es nach rTMS des linken AMPFC bei der
Gruppe mit hohem SS zu einer leichten Stimmungsverbesserung, bei
Probanden mit niedrigem dagegen eher zu einer
Stimmungsverschlechterung. Tendenziell kam es nach rTMS im
Vergleich beider Gruppen zu einer Angleichung der Stimmungslage.
Der SSS könnte damit ein Prädiktor für ein unterschiedliches
Ansprechen von Probanden auf niederfrequente rTMS des linken AMPFC
sein. Die auf der Basis des explorativen Teils der vorliegenden
Arbeit generierten Hypothesen müssen in zukünftigen kontrollierten
Probandenuntersuchungen spezifisch getestet werden. Von zunehmender
Bedeutung dürften dabei die Kombination mit weiteren Verfahren wie
z.B. funktionelle Bildgebung, Neuronavigation, brain-mapping sein.
Insgesamt zeigt sich, daß die Methode der rTMS ein wertvolles
Forschungsinstrument zur Untersuchung der komplexen Funktion des
prä-frontalen Kortex darstellt und damit zu einem verbesserten
Verständnis der Regulation von Stimmung, Emotionen und
Befindlichkeit beitragen kann.

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