Untersuchung zur Pathophysiologie der experimentellen Pneumokokkenmeningitis an der Ratte

Untersuchung zur Pathophysiologie der experimentellen Pneumokokkenmeningitis an der Ratte

Beschreibung

vor 21 Jahren
Zusammenfassung Trotz beträchtlicher Fortschritte in der
antibiotischen Behandlung bakterieller Erkrankungen blieb der
Krankheitsverlauf und die Sterberate der bakteriellen Meningitis,
insbesondere der Pneumokokkenmeningitis, innerhalb der letzten
Jahre unverändert. Mit der Erkenntnis, daß das Ausmaß der
intrakraniellen Entzündung positiv mit dem Verlauf der Erkrankung
korreliert, gewann die Frage nach der Rolle der Leukozyten im
Rahmen des Krankheitsgeschehens zunehmend an Bedeutung. Das Ziel
der vorliegenden Arbeit war daher, die Bedeutung von Granulozyten,
Monozyten und des Zusammenspiels dieser beiden Zellarten im Rahmen
der pathophysiologischen Abläufe während der experimentellen
Pneumokokkenmeningitis aufzudecken. Insbesondere wurden
Veränderungen in den Parametern intrakranieller Druck,
Liquorpleozytose und Blut-Hirnschrankenstörung in der Frühphase und
im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis untersucht. Hierfür
kamen zwei Tiermodelle zur Anwendung: 1) Frühphase der Erkrankung:
Hierbei wurde narkotisierten Ratten durch intrazisternale Injektion
von Hitze-abgetöteten Pneumokokken (HKP) eine Meningitis induziert.
Anschließend wurden über einen Zeitraum von sechs Stunden
kontinuierlich Blutdruck, intrakranieller Druck und Temperatur
überwacht. Eine Stunde vor Versuchsende erhielten die Tiere 1 ml
Evans-blau zur Quantifizierung der Blut-Hirnschrankenstörung
intravenös injiziert. Nach Ablauf des Beobachtungszeitraums wurden
Liquorproben zur Bestimmung der Zellzahl und
Evans-blau-Konzentration und Gehirnproben zur histologischen
Aufarbeitung gewonnen. 2) Fortgeschrittenes Stadium der Erkrankung
(Spätphase): In diesem Modell wurde die Meningitis mittels
transkutaner Injektion von Streptococcus pneumoniae Serotyp 3 in
die Cisterna magna ausgelöst. 24 Stunden nach Injektion wurden auch
bei diesen Tieren die Leukozytenzahl und Evans-blau Konzentration
im Liquor bestimmt sowie Gehirnproben zur weiteren Aufarbeitung
gewonnen. Um die Beteiligung der Granulozyten an den
pathophysiologischen Veränderungen während der Früh- bzw. Spätphase
der bakteriellen Meningitis untersuchen zu können, wurden die
Versuchstiere mit einem gegen polymorphkernige Leukozyten
gerichteten Antikörper (Rabbit Anti-Rat-PMN-Antikörper)
vorbehandelt, wodurch eine nahezu vollständige Depletion der
Granulozyten erreicht wurde. Um ebenso die durch Monozyten
bedingten Auswirkungen während der Frühphase der
Pneumokokkenmeningitis feststellen zu können, wurde eine weitere
Gruppe mit λ-Carrageenan vorbehandelt, einer Substanz, deren
toxische Wirkung auf mononukleäre Zellen bekannt ist. In einer
dritten Gruppe schließlich wurden beide Wirkstoffe in Kombination
miteinander verabreicht. Für die Frühphase der
Pneumokokkenmeningitis ergaben sich folgende Ergebnisse: 1) Die
intrazisternale Gabe von Hitze-abgetöteten Pneumokokken führte im
Verlauf von sechs Stunden bei den Ratten zu einem Anstieg des
intrakraniellen Drucks, der Liquorleukozytenzahl und zur Störung
der Blut-Hirnschrankenfunktion. 2) Die Depletion neutrophiler oder
monozytärer Zellen bewirkte bei den Versuchstieren eine
signifikante Reduktion der Liquorpleozytose und des intrakraniellen
Druckanstieges. Gemessen an der Evans-blau-Extravasation wiesen
diese Tiere auch eine geringere Funktionsstörung der
Blut-Hirnschranke auf. 3) Bei den zweifach-depletierten Tieren
waren diese Ergebnisse noch ausgeprägter. Sie zeigten bzgl. des
intrakraniellen Druckanstieges, der Liquorpleozytose und
Blut-Hirnschrankenfunktion keinen wesentlichen Unterschied zu
unbehandelten Kontrolltieren. Für das fortgeschrittene Stadium der
Meningitis zeigte sich folgendes: Nach Depletion granulozytärer
Zellen ließ sich auch hier eine deutliche Reduktion des
intrakraniellen Druckanstieges, der Liquorpleozytose und der
Blut-Hirnschrankenstörung erreichen. Allerdings war diese Reduktion
weitaus schwächer ausgeprägt als in den vorangegangenen
Untersuchungen. Derzeit liegen noch keine Langzeituntersuchungen
zur Wirkdauer des gegen polymorphkernige Leukozyten gerichteten
Antikörpers vor. Daher ist nur zu vermuten, daß möglicherweise ein
zunehmender Wirkverlust des Antikörpers während des Experiments für
diese Diskrepanz verantwortlich sein könnte. Unterstützung findet
diese Annahme durch den eindeutig höheren prozentualen Anteil
neutrophiler Zellen in Differentialblutbildern von
Langzeitversuchen verglichen mit denjenigen der Kurzzeitversuche.
Da mit Carrageenan vorbehandelte Tiere zum Teil erhebliche
Blutdrucksenkungen im Laufe des Experimentes aufwiesen, war es
nicht möglich, diese Substanz in den Langzeitversuchen einzusetzen.
Zusammenfassend konnte mit dieser Arbeit gezeigt werden, daß
Granulozyten, aber auch Monozyten eine essentielle Rolle im
Hinblick auf die Ursachen pathophysiologischer Veränderungen
während der Früh- und vermutlich auch der späteren Phase der
Pneumokokkenmeningitis spielen. Andere Methoden zur Depletion
monozytärer Zellen sollten künftig angewendet werden, um die
Auswirkungen einer Monozyten-Depletion auf die fortgeschrittene
Phase der Pneumokokkenmeningitis genauer untersuchen zu können. Es
kommen verschiedene Mechanismen in Betracht, wie Granulozyten und
Monozyten zu diesen Veränderungen führen können: 1) Neutrophile
sind als Produzenten gewebezerstörender Faktoren bekannt. Ihr
Waffenarsenal umfaßt eine Vielzahl toxischer Metabolite, darunter
freie Sauerstoffradikale, Stickstoffmonoxid und Enzyme wie
Matrix-Metalloproteinasen. In vorangegangenen Studien wurde bereits
die Relevanz dieser Mediatoren für die bakterielle Meningitis
belegt (z.B. Pfister et al., 1990 a,b; Koedel et al., 1995; Paul et
al., 1998). Ohne Mithilfe anderer Mitglieder des Immunsystems sind
Neutrophile nicht fähig zwischen fremden und wirtseigenen Antigenen
zu unterscheiden; ihre „Waffen“ richten sich in diesem Fall auch
gegen den eigenen Wirt. Frühere Studien zeigten, daß im Liquorraum
von einem Komplementmangel ausgegangen werden muß und somit hier
der zellulären Abwehr die nötige Unterstützung fehlt, um das
richtige Ziel der Zerstörung preiszugeben. 2) Monozyten/Makrophagen
gelten als Hauptproduzenten von IL-1 und anderen Chemokinen, die
als chemotaktisches Signal für Neutrophile dienen. Sie stellen
damit unverzichtbare Komplizen und Vorläufer für granulozytäre
Zellen dar, da sie wesentlich an deren Immigration in den
Subarachnoidalraum beteiligt sind. Ferner könnten mononukleäre
Zellen durch ihre Freisetzung von Glutamat direkt an den
auftretenden Schäden beteiligt sein.

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