024 – Hangover: Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter Purgathofer

024 – Hangover: Was wir vom Internet erwartet und was wir bekommen haben – Gespräch mit Peter Purgathofer

In der heutigen Episode spreche ich mit Prof. Peter Purgathofer über das Internet. Genauer gesagt über die letzten 25 Jahre: Wie haben wir in den 1990er Jahren das »Internet« (also die neuen technischen Möglichkeiten aber auch den stetig wachsenden S...
1 Stunde 18 Minuten
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Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft wieder?

Beschreibung

vor 4 Jahren

In der heutigen Episode spreche ich mit Prof. Peter Purgathofer
über das Internet. Genauer gesagt über die letzten 25 Jahre: Wie
haben wir in den 1990er Jahren das »Internet« (also die neuen
technischen Möglichkeiten aber auch den stetig wachsenden
Services) gesehen? Welche Umbrüche und Verbesserungen
für Gesellschaft und Wirtschaft haben wir uns erwartet, was
waren die Visionen, in welchen bunten Farben habe jedenfalls ich
mir damals die neue (digitale) Zukunft ausgemalt.


Als historische Referenz dieser Vision ein Vergleich zum
19. Jahrhundert und dem Unternehmen Cyrus Field, der das
erste Transatlantik-Kabel (1861) gelegt hat:


»Its value can hardly be estimated to the commerce, and even to
the peace, of the world.«


Information sollte für jeden Menschen auf der Welt leicht
zugänglich sein, die Schranken für den Austausch und die damit
verbundenen Gatekeeper minimiert. Demokratisierung vieler
gesellschaftlicher Systeme, neue Formen von Journalismus, Medien,
Schule, Lehre und Forschung, waren die Ansprüche; aber auch:
Durchbrechen der bestehenden Monopole in den Medien, der
Telekommunikation und Unterhaltungsindustrie, um nur einige
Aspekte zu nennen.


Was haben wir aus heutiger Sicht bekommen? 


In Zeiten einer Corona-Krise erkennen wir einerseits, dass
digitale Technologien uns Möglichkeiten geschaffen haben, die
noch vor kurzem nicht denkbar gewesen wären, die eine solche
Krise noch wesentlich schwieriger bewältigen ließen.


Wir müssen andererseits aber auch feststellen, dass wir an vielen
Ecken aus unserer Sicht die falsche Abzweigungen genommen haben,
die etwa zu fragwürdigen Geschäftsmodellen geführt haben: Eine
Art von Monopol wurde durch neue Monopole abgelöst: Überwachungs-
und Ausbeutungskapitalismus und persönliches Targeting und
Manipulation kann man als Folge nennen.


Auch für Kunst, Kultur und Demokratie sieht es daher bei weitem
nicht alles so rosig aus, wie wir uns das erhofft hatten. Das hat
natürlich auch ökonomische Gründe:


»Eine solidarische Gesellschaft ist eine, mit der man weniger
Geld machen kann als eine individualistische Gesellschaft, wo
jeder für sich selber verantwortlich ist. «, Peter Purgathofer


Wo stehen wir heute und was sind wesentliche
Richtungsentscheidungen vor denen wir heute stehen um das Boot
wieder in eine bessere Richtung zu steuern? Die Möglichkeiten der
neuen Technologie für die gesellschaftliche Zukunft sind nach wie
vor enorm, leider auch die Risiken.


»We need a time-out from all this frantic digital innovation to
reflect on what we think we’ve been doing.« ?, James Howard
Kunstler


Anmerkungen zum Beginn des Gespräches


Peter erwähnt zwei Personen zu Beginn des Gespräches, wo uns die
Referenzen nicht greifbar waren; es handelt sich um:


(1) Das Manifest von John Perry Barlow, A Declaration of the
Independence of Cyberspace (1996), ein Zitat daraus:


»Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh
and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On
behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone.
You are not welcome among us. You have no sovereignty where we
gather.«


(2) Vinton Gray (»Vint«) Cerf (Zentrale versus verteilte
Netzwerksteuerung) ist einer der TCP/IP-Ingenieur und gilt einer
der »Begründer« des Internets. In der BBC-Dokumentation The
Virtual Revolution (Folge 2) hat er 2010 folgendes gesagt:


»it became more and more apparent that the internet's style of
operation was the antithesis of what most countries had been
accustomed to. in fact in the early days telephony and telegraphy
there was only one network and it was often managed by and
operated by the government, giving it substantial control. So I
rather liked the idea, that the internet didn't have that let me
call it deficiency and therefore opened a platform up. it's
probably the most democratic opportunity for people to express
themselves and to get information that has ever existed.«


Referenzen


Peter Purgathofer ist Forscher und Universitätslehrer an der
Forschungsgruppe Human Computer Interaction an der TU Wien sowie
Koordinator des Masterstudiums Media and Human-Centered
Computing.


Homepage von Peter Purgathofer

Twitter: @peterpur



Frühere Episoden


Episode #019: Offene Systeme Teil 1

Episode #020: Offene Systeme Teil 2: Gespräch mit Christoph
Derndorfer und Lukas Lang

Episode #015: Innovation oder Fortschritt?



Weitere Referenzen


John Perry Barlow, A Declaration of the Independence of
Cyberspace (1996)

BBC Doku über Vint Cerf

Laura Spinney, Inequality doesn't just make pandemics worse –
it could cause them, The Guardian (2020)

Laura Spinney, Pale Rider, The Spanish Flu of 1918 and How it
Changed the World (2018)

James Howard Kunstler, Living in The Long Emergency (2020)

Harald Welzer und Richard David Precht in den Sternstunden
Philosophie: Precht über den Fortschritt der Gesellschaft
durch Verlangsamung von Prozessen

Corona App: Wie gute Absicht den Weg zu einer autoritären
Gesellschaft öffnet

Yuval Noah Harari, The World after Corona Virus, Finincial
Times (2020)

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