033 – Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof. Frank Zachos

033 – Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof. Frank Zachos

»Anthropozän« bedeutet, dass der Mensch zur bestimmenden Kraft des Planeten geworden ist. Aus dieser Tatsache heraus folgt eine Verantwortung, die sich auch im Gedanken des Naturschutzes widerspiegelt. In dieser Episode führe ich ein Gespräch mit Pro...
1 Stunde 11 Minuten
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Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft wieder?

Beschreibung

vor 3 Jahren

»Anthropozän« bedeutet, dass der Mensch zur bestimmenden Kraft
des Planeten geworden ist. Aus dieser Tatsache heraus folgt eine
Verantwortung, die sich auch im Gedanken des Naturschutzes
widerspiegelt.


In dieser Episode führe ich ein Gespräch mit Prof. Frank Zachos,
der ein Studium der Biologie, Philosophie und
Wissenschaftsgeschichte in Kiel und Jena absolviert hat und
heute Leiter der Säugetiersammlung am Naturhistorischen
Museum in Wien ist. Seine Forschungsinteressen sind im
Bereich der Biodiversität, Evolution, Systematik
und Taxonomie, wobei sein theoretisches Hauptinteresse beim
Artproblem in der Biologie sowie dessen philosophischen
Grundlagen und historischer Entwicklung liegt.


Unser Gespräch findet im Naturhistorischen Museum in Wien statt,
was ein perfektes Ambiente geboten hat um die Geschichte des
Naturschutzes aber auch die Rolle von Museen in der Vergangenheit
und Zukunft für Naturschutz und Wissenschaft zu diskutieren.


»Die Wildnis sei deformiert. Obwohl Buffon ein Jahr vor der
französischen Revolution starb, hielten sich seine Ansichten über
die Neue Welt hartnäckig. […] Nur die kultivierte Natur sei
schön, schrieb Buffon. Humboldt hingegen warnte, dass man
begreifen müsse, wie die Kräfte der Natur wirkten, wie alle diese
verschiedenen Fäden miteinander verknüpft seien.«, Andrea Wulf,
Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur


Wann haben wir als Menschen begonnen die Natur als
»schützenswert« zu erkennen? Es gibt erste Bestrebungen die Natur
systematisch zu schützen, etwa in Gran Paradiso–Italien.
Allerdings war die Motivation, die  Tiere für adelige Jagd
zu erhalten. Später wurde daraus der Gran Paradiso Nationalpark.
Auch die Nationalparks in den USA gelten als Beispiel.


Was aber ist die Voraussetzung für das Verständnis von
Biodiversität? Natürlich ein Begriff von Art, eine Aufteilung der
lebendigen Welt. Wie hat sich dies über die menschliche
Geschichte entwickelt? Wie funktioniert Taxonomie in der modernen
Biologie? Erfassung und Klassifizierung der Lebewesen gilt heute
als eine der Fundamental-Disziplinen der Biologie.


Taxonomie hat unterschiedliche Ansätze, wir sprechen kurz über
die Rolle von Morphologie vs. Genetik (auch mit einem Rückblick
auf den wichtigen österr. Biologen Rupert Riedl), sowie
Fortschritte der Technik sowohl im Bereich der Gen-Analyse wie
aber auch in der Morphologie. Taxonomie hat aber auch
Herausforderungen: sie ist ein diskretes Prinzip, Evolution aber
ein kontinuierlicher Prozess. Man stülpt ein diskretes auf ein
kontinuierliches Prinzip – da gibt es Reibungen. Was bedeutet
dies und was sind die Konsequenzen?


Verlassen wir dann die Vergangenheit: Gibt es eine Veränderung,
wie »Naturschutz« gesehen und betrieben wird, vor allem in die
Zukunft gedacht? Conservation Biology wurde zunächst im Deutschen
als Artenschutz übersetzt, später aber Naturschutzbiologie
genannt – es geht eben nicht nur um einzelne Arten. 


Naturschutz ist nicht nur im Kern ein biologisches Thema sondern
hat natürlich Konsequenzen für Handel, Wirtschaft und zeigt auch
durchaus überraschende rechtliche Folgen. Welche Rolle
spielt also der Mensch im Naturschutz und wie sollten wir das
Zusammenspiel Mensch/Natur in die Zukunft denken? 


Was ist etwa die Rolle unseres Lebensstils sowie der Größe der
menschlichen Population? Die globale Mittelschicht ist
verantwortlich für den Klimawandel, die Biodiversitätskrise und
das Artensterben. Es gibt ca. seit 150 Jahren Nationalparks: in
dieser Zeit ist die menschliche Population von 1 Milliarde
Menschen auf 8 Milliarden Menschen angewachsen.


»mit dem exponentiellen menschlichen Wachstum steigt auch der
Verlust der Biodiversität«


Welche Rolle spielen Museen und Zoos, auch im Zusammenspiel mit
Universitäten und der interessierten Öffentlichkeit um diese
Probleme zu thematisieren und besser zu verstehen?


Dann diskutieren wir systemische und philosophische
Aspekte. Wie nehmen wir Natur war und was hat das mit
unserem Erkenntnisapparat zu tun? Ist die Klassifikation von
Mustern tief in unseren Genen verankert und damit
»Schubladendenken«? Auch philosophische Strömungen des 20.
Jahrhunderts haben sich an diese Erkenntnisse angelehnt, so etwa
die evolutionäre Erkenntnistheorie.


Unser Erkenntnisapparat ist nicht evolviert um uns mit
Quantenmechanik oder Mathematik auseinanderzusetzen. Außerdem und
das hat auch fatale Konsequenzen – denken wir in Linearitäten.
Das Exponentielle verstehen wir nicht. Die negativen Folgen sehen
wir in unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik, bei Pandemien und
der Zerstörung unseres Lebensraumes.


Wir sind also als Menschen »getuned« auf den Meso-Kosmos.


»Die Selektion hat uns Anschauungsformen gemäß den Aufgaben in
noch höchst einfachen Lebensbereichen eingebaut. Und mit
Anschauungen von gestern unterwerfen wir uns eine Welt von
morgen.«, Rupert Riedl


Am Ende noch eine (nicht ganz ernstgemeinte) Frage über
De-Extinction – wird Prof. Zachos den Dodo mit modernster Technik
wieder ins Leben rufen? Die Antwort auf diese und alle anderen
Fragen (und auch: warum die Adam und Eva oder die Arche Noah Idee
in der Realität nicht funktioniert) im Gespräch.


Welche Rolle »Nessie« übrigens in dieser ganzen Thematik
spielt – erfahren Sie ebenfalls in der Episode!


Referenzen


Prof. Frank Zachos


Prof. Zachos im Naturhistorischen Museum in Wien



Andere Episoden


Episode 21: Der Begriff der Natur – oder: Leben im
Anthropozän

Episode 22: Biodiversität und komplexe Wechselwirkungen –
Gespräch mit Prof. Franz Essl



Fachliche Referenzen


Frank Zachos, Species Concepts in Biology, Springer (2016)

Frank Zachos, Jan Habel, Biodiversity Hotspots, Springer
(2011)

Stephen Garnett et al, Principles for creating a single
authoritative list of the world’s species, PLOS Biology (2020)

Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der
Natur, C. Bertelsmann (2016)

Gran Paradiso National Park

Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

Peter Scott & Robert Rines, Naming the Loch Ness Monser,
Nature (1975)

California Gnatcatcher

Rote Liste

Biodiversitätsv-Hotspots

Carl Zimmer, Frühwarnsysteme für bedrohte Welten, Spektrum
der Wissenschaft, Dez. 2012

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