062 — Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn

062 — Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof. Hans-Werner Sinn

Ich habe mich in früheren Episoden öfter mit Umweltfragen beschäftigt, im besonderen auch in Episode 59 und 60. Bisher ist aber die Rolle der Wirtschaft beziehungsweise der Wirtschaftswissenschaften zu kurz gekommen. Daher freut es mich ganz besonder...
1 Stunde 9 Minuten
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Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft wieder?

Beschreibung

vor 1 Jahr

Ich habe mich in früheren Episoden öfter mit Umweltfragen
beschäftigt, im besonderen auch in Episode 59 und 60. Bisher ist
aber die Rolle der Wirtschaft beziehungsweise der
Wirtschaftswissenschaften zu kurz gekommen. Daher freut es mich
ganz besonders, mit einem der führenden deutschen
Ökonomen ein Gespräch führen zu können:


Prof. Hans-Werner Sinn ist Jahrgang 1948, studierte
Volkswirtschaftslehre in Münster. Von 1984 bis 2016 war er
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der
Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Hinzu kamen
Gastprofessuren und Forschungsarbeiten an der University of
Western Ontario in Kanada, der London School of Economics sowie
an den Universitäten Bergen, Stanford, Princeton und Jerusalem.
Von 1999 bis 2016 war Hans-Werner Sinn Präsident des ifo
Instituts, stand als Direktor dem Center for Economic Studies
(CES) der LMU vor und war Geschäftsführer der CESifo GmbH, eine
gemeinsame Initiative der LMU und des ifo Instituts.


Prof. Sinn kritisiert bereits seit vielen Jahren aus, wie ich
meine, gutem Grund die deutsche Energiewende. In meinem Archiv
habe ich einen Artikel aus dem Manager-Magazin aus dem Jahr 2014
gefunden, der bereits wesentlichen Probleme, die wir heute auch
aufgreifen werden, beschreibt und der sich auch über die Jahre
als zutreffend herausgestellt hat. Deutschland wäre meiner
Einschätzung nach großer Schaden erspart geblieben, wenn man
diese Kritik ernst genommen hätte.


Vor wenigen Monaten bin ich dann wieder auf einen Vortrag von
Prof. Sinn gestossen, und zwar zum Klimasymposion — Konstanz Mai
2022 — mit dem Titel »Die Globale Energiewende: Sechs große
Probleme«.


Dieser Vortrag hat mich sehr beeindruckt und ich werde auf
wesentliche Themen, die Prof. Sinn in diesem Vortrag beschreibt
im folgenden Gespräch bezugnehmen. Ich empfehle daher diesen
Vortrag vorweg zu hören. Die sechs Probleme die in diesem Vortrag
genannt werden sind:
In Paris akzeptiert nur eine Minderheit von 61 der 191
Unterzeichner eine verbindliche quantitative Emissionsbeschränkung
EU hat sich utopische Ziele gestellt. Deutschland will sogar
gleichzeitig aus Kernkraft und Kohle aussteigen und hat sich
dadurch von anderen Ländern abhängig gemacht Wind- und Sonnenstrom
sind viel zu volatil um eine preisgünstige Vollversorgung zu
gewährleisten Europa drangsaliert Autoindustrie und verstößt gegen
Gesetzt des »einen Preis«. Der Markt als Entdeckungsverfahren für
CO2-arme Technologie wird ausgeschaltet Beim deutschen Energiemix
sind die E-Autos nicht CO2-günstiger als Dieselautos Bei
handelbaren Brennstoffen ist der Effekt des europäischen Verzichts
nicht nur klein sondern null

Wir sprechen in dieser Episode daher im besonderen über die
deutsche Energiewende, aber auch generell über die Rolle der
Ökonomie, beziehungsweise Wirtschaftswissenschaften, wenn es um
die Bewältigung der ökologischen Probleme der Zeit und der
Zukunft geht. 


Eine für mich dabei wichtige Metafrage ist folgende: Keiner der
sechs Probleme, die Prof. Sinn in seinem Vortrag darlegt scheinen
besonders schwierig zu verstehen zu sein; im besonderen nicht die
ersten drei, die schon ausreichen, um etwa die deutsche
»Energiewende« in Frage zu stellen. Wie kann es sein, dass eine
moderne und gebildete Gesellschaft, deren politische Vertreter
und Medien diese fundamentalen Kritikpunkte kaum oder nur auf
sehr niedrigem Niveau diskutiert? 


»Utopien sind für Träume schön, aber für eine reale Politik macht
das keinen Sinn« 


Wie kommen wir von Wunschvorstellungen zu realem Fortschritt, der
unsere Gesellschaft nicht im Kern gefährdet? Welche Rolle spielen
»Externalitäten« in der Wirtschaft? 


»Bei der Erderwärmung haben wir einen erheblichen Misstand, und
dieser muss bekämpft werden« 


Technik und Moral alleine werden dafür nicht ausreichen. Wie
können die Menschen (global) dazu bewegt werden das
Richtige zu tun? Die aktuellen Maßnahmen sind nicht nur
wenig dazu geeignet das Problem anzugehen, sie sind in weiten
Bereichen kontraproduktiv.


»Die Windräder sind keine zweckdinglichen Bauten für den
Naturschutz, sondern es sind Sakralbauten. […]  jeder
Windflügel der errichtet wird ist sichtbar für jeden ein Nachweis
dafür, wie dominant diese neue Religion ist.«


Was sind dann aber sinnvolle Maßnahmen? Kann Emissionshandel hier
ein wesentlicher Puzzlestein sein? Wie geht man damit um, dass
jeder Ansatz letztlich eine globale Perspektive hat? Wie soll die
politische Seite einer tatsächlich funktionierenden Energiewende
organisiert werden? Staatlich getrieben (mit welchen Maßnahmen?),
libertär oder auf freiem Markt aufgebaut?


Was ist die Rolle der Wissenschaft? Beobachten wir bei
wesentlichen Zukunftsthemen gerade eine zunehmende Verschränkung
schlechter Forschung gepaart mit Aktivismus? Beschädigen
Publikationszwang und Finanzierung aus der Wirtschaft den
Wissenschaftsbetrieb?


Was ist die Rolle de Ökonomie? Erleben wir nicht seit Jahrzehnten
eine Selbstüberschätzung der Wirtschaftswissenschaft, oder
jedenfalls lautstarker Ökonomen in der Öffentlichkeit — denken
wir an Prognostik und an die Idee steten
Wirtschaftswachstums? 


Prof. Sinn beschreibt die neoklassische Theorie als Suche nach
Externalitäten und Markt-Fehlern. Welche sind dies?


Welche Rolle spielte die Studie des Club of Rome 1972 und das
Symposium on the Economics of Exhaustible Resources 1974. Was
bedeutet Wachstum für ökonomische Theorien und Modelle? Gibt es
die oft zitierte Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom
Verbrauch an Ressourcen?


Welche Rolle spielt die Populationsgröße, ein politisch und
ethisch sehr schwieriges Thema?


Zum Abschluss frage ich Prof. Sinn, was er einem jungen Menschen
raten würde, der einen positiven Beitrag für die (Um)welt leisten
möchte.


Referenzen


Andere Episoden


Episode 59 und 60: Wissenschaft und Umwelt

Episode 46 über Aktivismus mit Zion Lights

Episode 45: Mit Reboot oder Rebellion aus der Krise?

Episode 42: Gesellschaftliche Verwundbarkeit, mit Herbert
Saurugg 

Episode 36: Energiewende und Kernkraft, ein Gespräch mit Anna
Veronika Wendland



Hans-Werner Sinn


Homepage von Prof. Hans-Werner Sinn

Prof. Hans-Werner Sinn am ifo

Hans-Werner Sinn, Klimasymposion — Konstanz Mai 2022 — mit
dem Titel »Die Globale Energiewende: Sechs große Probleme«

ifo-Chef Sinn zur Energiewende: »Die einzige Hoffnung der
Menschheit war die Atomkraft«, Manager Magazin (2014)

Buch: Hans-Werner Sinn, Das grüne Paradoxon, Weltbuch Verlag
(2020)

Suzanne Thoma, Daniel Jositsch und Hans-Werner Sinn
diskutieren mit Martin Meyer über die Zukunft der Energie. Neue
Zürcher Zeitung (9.2.2022)

Hans-Werner Sinn, Die Dinos

Hans-Werner Sinn, Ist das E-Auto ein Rückschritt?
Wirtschaftswoche (2019)



weitere fachliche Referenzen


Pigou, Arthur Cecil. 1920. The Economics of Welfare. 4th ed.
London: Macmillan

Donella Meadows, Jorgen Randers, Dennis Meadows, Grenzen des
Wachstums - Das 30-Jahre-Update: Signal zum Kurswechsel, Hirzel
(2020) 

Symposium on the Economics of Exhaustible Resources (1974)

Tim Morgan, Life after Growth, Harriman House (2016) 

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