(11) Georg Trakl »Gesang zur Nacht«

(11) Georg Trakl »Gesang zur Nacht«

11 Minuten
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Beschreibung

vor 17 Jahren
1 Vom Schatten eines Hauchs geboren Wir wandeln in Verlassenheit
Und sind im Ewigen verloren, Gleich Opfern unwissend, wozu sie
geweiht. Gleich Bettlern ist uns nichts zu eigen, Uns Toren am
verschloßnen Tor. Wie Blinde lauschen wir ins Schweigen, In dem
sich unser Flüstern verlor. Wir sind die Wandrer ohne Ziele, Die
Wolken, die der Wind verweht, Die Blumen, zitternd in Todeskühle,
Die warten, bis man sie niedermäht. 2 Daß sich die letzte Qual an
mir erfülle, Ich wehr‘ euch nicht, ihr feindlich dunklen Mächte.
Ihr seid die Straße hin zur großen Stille, Darauf wir schreiten in
die kühlsten Nächte. Es macht mich euer Atem lauter brennen,
Geduld! Der Stern verglüht, die Träume gleiten In jene Reiche, die
sich uns nicht nennen, Und die wir traumlos dürfen nur beschreiten.
3 Du dunkle Nacht, du dunkles Herz, Wer spiegelt eure heiligsten
Gründe, Und eurer Bosheit letzte Schlünde? Die Maske starrt vor
unserm Schmerz – Vor unserm Schmerz, vor unsrer Lust Der leeren
Maske steinern Lachen, Daran die irdnen Dinge brachen, Und das uns
selber nicht bewußt. Und steht vor uns ein fremder Feind, Der
höhnt, worum wir sterbend ringen, Daß trüber unsre Lieder klingen
Und dunkel bleibt, was in uns weint. 4 Du bist der Wein, der
trunken macht, Nun blut ich hin in süßen Tänzen Und muß mein Leid
mit Blumen kränzen! So will’s dein tiefster Sinn, o Nacht! Ich bin
die Harfe in deinem Schoß, Nun ringt um meine letzten Schmerzen
Dein dunkles Lied in meinem Herzen Und macht mich ewig, wesenlos. 5
Tiefe Ruh – o tiefe Ruh! Keine fromme Glocke läutet, Süße
Schmerzensmutter du – Deinen Frieden todgeweitet. Schließ mit
deinen kühlen, guten Händen alle Wunden zu – Daß nach innen sie
verbluten – Süße Schmerzensmutter – du! 6 O laß mein Schweigen sein
dein Lied! Was soll des Armen Flüstern dir, Der aus des Lebens
Gärten schied? Laß namenlos dich sein in mir – Die traumlos in mir
aufgebaut, Wie eine Glocke ohne Ton, Wie meiner Schmerzen süße
Braut Und meiner Schlafe trunkner Mohn. 7 Blumen hörte ich sterben
im Grund Und der Bronnen trunkne Klage Und ein Lied aus
Glockenmund, Nacht, und eine geflüsterte Frage; Und ein Herz – o
todeswund, Jenseits seiner armen Tage. 8 Das Dunkel löschte mich
schweigend aus, Ich ward ein toter Schatten im Tag – Da trat ich
aus der Freude Haus In die Nacht hinaus. Nun wohnt ein Schweigen im
Herzen mir, Das fühlt nicht nach den öden Tag – Und lächelt wie
Dornen auf zu dir, Nacht – für und für! 9 O Nacht, du stummes Tor
vor meinem Leid, Verbluten sieh dies dunkle Wundenrnal Und ganz
geneigt den Taumelkelch der Qual! O Nacht, ich bin bereit! O Nacht,
du Garten der Vergessenheit Um meiner Armut weltverschloss’nen
Glanz, Das Weinlaub welkt, es welkt der Dornenkranz. O komm, du
hohe Zeit! 10 Es hat mein Dämon einst gelacht, Da war ich ein Licht
in schimmernden Gärten, Und hatte Spiel und Tanz zu Gefährten Und
der Liebe Wein, der trunken macht. Es hat mein Dämon einst geweint.
Da war ich ein Licht in schmerzlichen Gärten Und hatte die Demut
zum Gefährten, Deren Glanz der Armut Haus bescheint. Doch nun mein
Dämon nicht weint noch lacht, Bin ich ein Schatten verlorener
Gärten Und habe zum todesdunklen Gefährten Das Schweigen der leeren
Mitternacht. 11 Mein armes Lächeln, das um dich rang, Mein
schluchzendes Lied im Dunkel verklang. Nun will mein Weg zu Ende
gehn. Laß treten mich in deinen Dom Wie einst, ein Tor, einfältig,
fromm, Und stumm a… (weiterlesen auf
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