Lesung - Klassiker, Philosophie, Gedichte | Gelesen von Elisa Demonki
Lesung - Klassiker, Philosophie, Gedichte | Gelesen von Elisa Demonki
Podcaster
Episoden
15.02.2023
6 Minuten
Rache und immer wieder Rache? Jeder Krieg muß einen Besiegten
aufweisen und wenn dieser nur in einem nächsten Krieg Genugtuung
finden kann, einem nächsten, der natürlich wieder einen
genugtuungheischenden Besiegten schaffen wird – wann nimmt das ein
Ende? Wie kann Gerechtigkeit erlangt, wann altes Übel gesühnt
werden, wenn als Sühnemittel immer wieder neues Unrecht angewendet
wird? Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken
mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegputzen zu wollen – nur Blut, das
soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden! Musik: Elisa
Demonki
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22.09.2022
3 Minuten
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Signore: è tempo.
Grande era l’arsura. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und
auf den Fluren laß die Winde los. Deponi l’ombra sulle meridiane,
libera il vento sopra la pianura. Befiehl den letzten Früchten voll
zu sein; gieb ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur
Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Fa’
che sia colmo ancora il frutto estremo; concedi ancora un giorno di
tepore, che il frutto giunga a maturare, e spremi nel grave vino
l’ultimo sapore. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen,
lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig
wandern, wenn die Blätter treiben. Chi non ha casa adesso, non
l’avrà. Chi è solo a lungo solo dovrà stare, leggere nelle veglie,
e lunghi fogli scrivere, e incerto sulle vie tornare dove nell’aria
fluttuano le foglie. Giaime Pintor (1919 - 1943) studierte Goethe
und übersetzte die Werke von Heinrich von Kleist, Hugo von
Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke. Er war Schriftsteller,
Übersetzer und Antifaschist. Mit gerade einmal 24 Jahren verlor er
sein Leben im 2.Weltkrieg. Lesung Musik: Elisa Demonki
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04.07.2022
2 Minuten
Zwei Frösche, deren Tümpel die heiße Sommersonne ausgetrocknet
hatte, gingen auf die Wanderschaft. Gegen Abend kamen sie in die
Kammer eines Bauernhofs und fanden dort eine große Schüssel Milch
vor, die zum Abrahmen aufgestellt worden war. Sie hüpften sogleich
hinein und ließen es sich schmecken. Als sie ihren Durst gestillt
hatten und wieder ins Freie wollten, konnten sie es nicht: die
glatte Wand der Schüssel war nicht zu bezwingen, und sie rutschten
immer wieder in die Milch zurück. Viele Stunden mühten sie sich nun
vergeblich ab, und ihre Schenkel wurden allmählich immer matter. Da
quakte der eine Frosch: »Quack! Alles Strampeln ist umsonst, das
Schicksal ist gegen uns, ich geb's auf!« Er machte keine Bewegung
mehr, glitt auf den Boden des Gefäßes und ertrank. Sein Gefährte
aber kämpfte verzweifelt weiter bis tief in die Nacht hinein. Da
fühlte er den ersten festen Butterbrocken unter seinen Füßen, er
stieß sich mit letzter Kraft ab und war im Freien. Klavier: Ulrike
Theusner
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09.05.2022
7 Minuten
Drei Minuten Gehör will ich von euch, die ihr arbeitet – ! Von
euch, die ihr den Hammer schwingt, von euch, die ihr auf Krücken
hinkt, von euch, die ihr die Feder führt, von euch, die ihr die
Kessel schürt, von euch, die mit den treuen Händen dem Manne ihre
Liebe spenden – von euch, den Jungen und den Alten – : Ihr sollt
drei Minuten inne halten. Wir sind ja nicht unter Kriegsgewinnern.
Wir wollen uns einmal erinnern. Die erste Minute gehöre dem Mann.
Wer trat vor Jahren in Feldgrau an? Zu Hause die Kinder – zu Hause
weint Mutter ... Ihr: feldgraues Kanonenfutter – ! Ihr zogt in den
lehmigen Ackergraben. Da saht ihr keinen Fürstenknaben: der soff
sich einen in der Etappe und ging mit den Damen in die Klappe. Ihr
wurdet geschliffen. Ihr wurdet gedrillt. Wart ihr noch Gottes
Ebenbild? In der Kaserne – im Schilderhaus wart ihr niedriger als
die schmutzigste Laus. Der Offizier war eine Perle, aber ihr wart
nur ›Kerle‹! Ein elender Schieß- und Grüßautomat. »Sie Schwein!
Hände an die Hosennaht –!« Verwundete mochten sich krümmen und
biegen: kam ein Prinz, dann hattet ihr stramm zu liegen. Und noch
im Massengrab wart ihr die Schweine: Die Offiziere lagen alleine!
Ihr wart des Todes billige Ware… So ging das vier lange blutige
Jahre. Erinnert ihr euch – ? Die zweite Minute gehöre der Frau. Wem
wurden zu Haus die Haare grau? Wer schreckte, wenn der Tag vorbei,
in den Nächten auf mit einem Schrei? Wer ist es vier Jahre hindurch
gewesen, der anstand in langen Polonaisen, indessen Prinzessinnen
und ihre Gatten alles, alles, alles hatten – –? Wem schrieben sie
einen kurzen Brief, dass wieder einer in Flandern schlief? Dazu ein
Formular mit zwei Zetteln ... wer mußte hier um die Renten betteln?
Tränen und Krämpfe und wildes Schrein. Er hatte Ruhe. Ihr wart
allein. Oder sie schickten ihn, hinkend am Knüppel, euch in die
Arme zurück als Krüppel. So sah sie aus, die wunderbare große Zeit
– vier lange Jahre… Erinnert ihr euch – ? Die dritte Minute gehört
den Jungen! Euch haben sie nicht in die Jacken gezwungen! Ihr wart
noch frei! Ihr seid heute frei! Sorgt dafür, dass es immer so sei!
An euch hängt die Hoffnung. An euch das Vertraun von Millionen
deutschen Männern und Fraun. Ihr sollt nicht strammstehn. Ihr sollt
nicht dienen! Ihr sollt frei sein! Zeigt es ihnen! Und wenn sie
euch kommen und drohn mit Pistolen –: Geht nicht! Sie sollen euch
erst mal holen! Keine Wehrpflicht! Keine Soldaten! Keine
Monokel-Potentaten! Keine Orden! Keine Spaliere! Keine
Reserveoffiziere! Ihr seid die Zukunft! Euer das Land! Schüttelt es
ab, das Knechtschaftsband! Wenn ihr nur wollt, seid ihr alle frei!
Euer Wille geschehe! Seid nicht mehr dabei! Wenn ihr nur wollt: bei
euch steht der Sieg! – Nie wieder Krieg – ! Theobald Tiger, 1922
Lesung Sound: Elisa Demonki
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07.04.2022
2 Minuten
Rosen pflücke, Rosen blühn, Morgen ist nicht heut! Keine Stunde laß
entfliehn, Flüchtig ist die Zeit! Trink' und küsse! Sieh, es ist
Heut Gelegenheit; Weißt du, wo du morgen bist? Flüchtig ist die
Zeit! Aufschub einer guten That Hat schon oft gereut! Hurtig leben
ist mein Rat, Flüchtig ist die Zeit! Musik: Ulrike Theusner
(»Schmetterling«, komponiert mit 8 Jahren)
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Über diesen Podcast
»Lesung« ist ein Podcast in dem Klassikerausschnitte,
philosophische Werke und Gedichte u.a. von Goethe, Trakl, Heine,
Kant, Nietzsche und Lessing von Elisa Demonkí gelesen werden. »Das
Wort sei die Macht in deinem Ohr, dein Gefühl zu akzeptieren und
neu zu erleben.«
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