(19) Friedrich Nietzsche »Zarathustra« 3.Teil - Der Wanderer

(19) Friedrich Nietzsche »Zarathustra« 3.Teil - Der Wanderer

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Beschreibung

vor 17 Jahren
Als nun Zarathustra so den Berg hinanstieg, gedachte er unterwegs
des vielen einsamen Wanderns von Jugend an, und wie viele Berge und
Rücken und Gipfel er schon gestiegen sei. Ich bin ein Wanderer und
ein Bergsteiger, sagte er zu seinem Herzen, ich liebe die Ebenen
nicht, und es scheint, ich kann nicht lange still sitzen. Und was
mir nun auch noch als Schicksal und Erlebnis komme – ein Wandern
wird darin sein und ein Bergsteigen: man erlebt endlich nur noch
sich selber. Die Zeit ist abgeflossen, wo mir noch Zufälle begegnen
durften; und was könnte jetzt noch zu mir fallen, was nicht schon
mein Eigen wäre! Es kehrt nur zurück, es kommt mir endlich heim –
mein eigen Selbst, und was von ihm lange in der Fremde war und
zerstreut unter alle Dinge und Zufälle. Und noch eins weiß ich: ich
stehe jetzt vor meinem letzten Gipfel und vor dem, was mir am
längsten aufgespart war. Ach, meinen härtesten Weg muss ich hinan!
Ach, ich begann meine einsamste Wanderung! Wer aber meiner Art ist,
der entgeht einer solchen Stunde nicht: der Stunde, die zu ihm
redet: „Jetzt erst gehst du deinen Weg der Größe! Gipfel und
Abgrund – das ist jetzt in Eins beschlossen! Du gehst deinen Weg
der Größe: nun ist deine letzte Zuflucht worden, was bisher deine
letzte Gefahr hieß! Du gehst deinen Weg der Größe: das muss nun
dein bester Mut sein, dass es hinter dir keinen Weg mehr gibt! Du
gehst deinen Weg der Größe; hier soll dir keiner nachschleichen!
Dein Fuß selber löschte hinter dir den Weg aus, und über ihm steht
geschrieben: Unmöglichkeit. Und wenn dir nunmehr alle Leitern
fehlen, so musst du verstehen, noch auf deinen eigenen Kopf zu
steigen: wie wolltest du anders aufwärts steigen? Auf deinen
eigenen Kopf und hinweg über dein eigenes Herz! Jetzt muss das
Mildeste an dir noch zum Härtesten werden. Wer sich stets viel
geschont hat, der kränkelt zuletzt an seiner vielen Schonung.
Gelobt sei, was hart macht! Ich lobe das Land nicht, wo Butter und
Honig – fließt! Von sich absehen lernen ist nötig, um viel zu sehn:
– diese Härte tut jedem Bergsteigenden Not. Wer aber mit den Augen
zudringlich ist als Erkennender, wie sollte der von allen Dingen
mehr als ihre vorderen Gründe sehn! Du aber, oh Zarathustra,
wolltest aller Dinge Grund schaun und Hintergrund: so musst du
schon über dich selber steigen, – hinan, hinauf, bis du auch deine
Sterne noch unter dir hast! Ja! Hinab auf mich selber sehn und noch
auf meine Sterne: das erst hieße mir mein Gipfel, das blieb mir
noch zurück als mein letzter Gipfel! -“ Also sprach Zarathustra im
Steigen zu sich, mit harten Sprüchlein sein Herz tröstend: denn er
ward wund am Herzen wie noch niemals zuvor. Und als er auf die Höhe
des Bergrückens kam, siehe, da lag das andere Meer vor ihm
ausgebreitet: und er stand still und schwieg lange. Die Nacht aber
war kalt in dieser Höhe und klar und hellgestirnt. Ich erkenne mein
Los, sagte er endlich mit Trauer. Wohlan! Ich bin bereit. Eben
begann meine letzte Einsamkeit. Ach, diese schwarze traurige See
unter mir! Ach, Schicksal und See! Zu euch muss ich nun hinab
steigen! Vor meinem höchsten Berge stehe ich und vor meiner
längsten Wanderung: darum muss ich erst tiefer hinab als ich jemals
stieg: – tiefer hinab in den Schmerz als ich jemals stieg, bis
hinein in seine schwärzeste Flut! So will es mein Schicksal:
Wohlan! Ich bin bereit. Woher kommen die höchsten Berge? so fragte
ich einst. Da lernte ich, dass sie aus … (weiterlesen auf
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