(57) Christoph Wilhelm Hufeland im Vor- und Nachwort zu Immanuel Kants »Von der Macht des Gemüts«

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Beschreibung

vor 9 Jahren
Unglaublich ist es, was der Mensch vermag, auch im Physischen,
durch die Kraft des festen Willens; und so auch durch die Not, die
oft allein einen solchen festen Willen hervorzubringen vermag. Wer
kann leugnen, daß es Wunder und Wunderheilungen gibt? – Aber was
sind sie anders als Wirkungen des festen Glaubens entweder an
himmlische Kräfte, oder auch an irdische und folglich Wirkungen des
Geistes? Jedermann kennt die Kraft der Imagination. Niemand
zweifelt daran, daß es eingebildete Krankheiten gibt, und daß eine
Menge Menschen an nichts anders krank sind, als an der
Krankheitseinbildung (Hypochondrie). Ist es nun aber nicht
ebensogut möglich und unendlich besser, sich einzubilden, gesund zu
sein? Und wird man nicht dadurch ebensogut seine Gesundheit stärken
und erhalten können, als durch das Gegenteil die Krankheit? Ja am
auffallendsten zeigte sich die Kraft des Geistigen bei ansteckenden
und epidemischen Krankheiten. Es ist eine ausgemachte
Erfahrungssache, daß die, welche guten Mut haben, sich nicht
fürchten und ekeln, am wenigsten angesteckt werden. Aber daß eine
schon wirklich geschehene Ansteckung noch durch freudige Exaltation
des Geistes wieder aufgehoben werden könne, davon bin ich selbst
ein Beispiel. – Ich hatte in dem Kriegsjahre 1807, wo in Preußen
ein pestartiges Faulfieber herrschte, viele solche Kranke zu
behandeln und fühlte eines Morgens bei dem Erwachen alle Zeichen
der Ansteckung, Schwindel, Kopfbetäubung, Zerschlagenheit der
Glieder, genug alle Vorboten, die bekanntlich mehrere Tage dauern
können, ehe die Krankheit wirklich ausbricht. – Aber die Pflicht
gebot; andere waren kränker als ich. Ich beschloß, meine Geschäfte
wie gewöhnlich zu verrichten und mittags einem frohen Mahle
beizuwohnen, wozu ich eingeladen war. Hier überließ ich mich einige
Stunden ganz der Freude und dem lauten Frohsinn, der mich umgab,
trank absichtlich mehr Wein wie gewöhnlich, ging mit einem
künstlich erregten Fieber nach Hause, legte mich zu Bett, schwitzte
die Nacht hindurch reichlich und war am andern Morgen völlig
hergestellt. Guanaco; CC BY-SA 3.0

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