(60) Jacob und Wilhelm Grimm »Der alte Großvater und der Enkel«

(60) Jacob und Wilhelm Grimm »Der alte Großvater und der Enkel«

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Beschreibung

vor 8 Jahren
Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen trüb
geworden, die Ohren taub, und die Knie zitterten ihm. Wenn er nun
bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er
Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem
Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen
mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke
setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen
und noch dazu nicht einmal satt; da sah er betrübt nach dem Tisch,
und die Augen wurden ihm naß. Einmal auch konnten seine zitterigen
Hände das Schüsselchen nicht festhalten, es fiel zur Erde und
zerbrach. Die junge Frau schalt, er sagte aber nichts und seufzte
nur. Da kaufte sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar
Heller, daraus mußte er nun essen. Wie sie da so sitzen, so trägt
der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein
zusammen. »Was machst du da?« fragte der Vater. »Ich mache ein
Tröglein,« antwortete das Kind, »daraus sollen Vater und Mutter
essen, wenn ich groß bin.« Da sahen sich Mann und Frau eine Weile
an, fingen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten
Großvater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen,
sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.

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