Dr. med. Ruth Hecker über die Blackbox in der Patientensicherheit und warum wir unser Mindset zur Fehlerkultur überdenken sollten

Dr. med. Ruth Hecker über die Blackbox in der Patientensicherheit und warum wir unser Mindset zur Fehlerkultur überdenken sollten

Dr. Ruth Hecker ist Fachärztin für Anästhesiologie, Vorsitzende des Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), stellvertretende Vorsitzende von Vision Zero und Chief Patient Safety Officer (CPSO) der Universitätsmedizin Essen.
44 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren
Dr. Ruth Hecker ist Fachärztin für Anästhesiologie, Vorsitzende des
Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS), stellvertretende
Vorsitzende von Vision Zero und Chief Patient Safety Officer (CPSO)
der Universitätsmedizin Essen. Sie hat in Medizin und
Qualitätsmanagement promoviert und beschäftigt sich seitdem mit
Qualität und Sicherheit in der
Gesundheitsversorgung.

Im Podcast erklärt Dr. Ruth Hecker, was Patientensicherheit genau
bedeutet, was der Unterschied zwischen Fehler und Ereignis ist,
wie es um die Fehlerkultur in deutschen Kliniken steht und was
wir dringend ändern müssen, um nicht nur besser, sondern auch
sicherer und transparenter zu behandeln.


In Deutschland ist das Thema Patient*innensicherheit nach wie vor
von diversen Erfassungslücken und Intransparenz geprägt. In einem
aktuellen Podcast diskutieren Inga Bergen und Dr. Ruth Hecker,
warum Transparenz in diesem Bereich von entscheidender Bedeutung
ist.
Was ist Patient*innensicherheit und wie hat sich die
Definition verändert?

Früher wurde Patientinnensicherheit lediglich als Abwesenheit von
Schäden an der Patientin oder dem Patienten betrachtet.
Heutzutage geht die Definition jedoch viel weiter. Es wird auch
bewertet, wie gut das Team zusammenarbeitet und wie sicher sich
die Patient*innen während der Behandlung fühlen. Hierbei spielt
auch die Politik eine wichtige Rolle, um die notwendigen
Rahmenbedingungen für eine optimale Patientensicherheit zu
schaffen.
Krankenhäuser sollen Fehler erfassen, aber oft gibt es
Lücken

Gemäß den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) sollen
Fehler in der Patientenversorgung über ein Fehlermeldesystem
erfasst werden. Leider geschieht dies in den meisten Fällen
nicht. Während ein Fehlermeldesystem in Krankenhäusern
obligatorisch ist, klaffen in der ambulanten Pflege,
Physiotherapiepraxen und Arztpraxen bereits Erfassungslücken.
Obwohl etwa 98% der deutschen Krankenhäuser über ein solches
System verfügen, wird es oft nicht regelmäßig gepflegt. Die
Gründe dafür sind vielfältig, wie die fehlende Integration in
Arbeitsabläufe, Zeitmangel oder die Angst vor Konsequenzen. Die
Nutzung hängt stark vom Management ab und ist bisher nur in
wenigen Kliniken, wie etwa dem Universitätsklinikum Essen,
umgesetzt.
Komplikationen vs. Patient*innenfehler

Es ist wichtig, zwischen Komplikationen und expliziten Fehlern an
den Patientinnen zu unterscheiden. Ein Behandlungsfehler wird
zudem nur als solcher eingestuft, wenn ein Gericht dies
bestätigt. Patientinnen stehen oft vor der Herausforderung, als
Laien beweisen zu müssen, dass ein Fehler in ihrer Behandlung
unterlaufen ist. Hier mangelt es häufig an Transparenz in den
Prozessen.
Fehlerkultur im Gesundheitswesen

Fehler werden in unserer Gesellschaft oft negativ betrachtet und
skandalisiert, obwohl sie absolut menschlich sind. Ärzt*innen
sind am Ende des Tages auch nur Menschen und geben ihre Fehler
nicht an der Krankenhaustür ab. Es ist entscheidend, ein
Bewusstsein für Transparenz zu schaffen und die Stigmatisierung
von Fehlern aufzuheben, damit richtig gehandelt werden kann.
Best Practice: Schnelle Sepsis-Erkennung, rund um
die Uhr verfügbare Blutkulturdiagnostike, Prophylaxe durch
Hygienemaßnahmen

Die Universitätsklinik Greifswald zeigt, wie
Sepsis-Erkennung gut gelingen kann. Eine Sepsis ist nach wie
vor eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland. . Für
ein größeres Verständnis von Sepsis in der breiten Bevölkerung in
Deutschland hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit die
Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis initiiert. Um
Sepsis-Erkennung und schnelle Behandlung im Krankenhaus zu
verbessern, hat die Universitätsklinik Greifswald eine
„Sepsis-Schwester“ eingestellt, die sich auf die Überprüfung von
Sepsen bei Patientinnen spezialisiert hat. Dadurch wurde ein
Qualitätsmanagementplan entwickelt, um Sepsen besser verhindern
zu können. Obwohl dies ein gutes Beispiel für mehr Transparenz
ist, ist die Bereitschaft, an solchen Themen zu arbeiten, immer
noch zu gering. Das Ziel sollte jedoch sein, möglichst präventiv
zu arbeiten, um weniger Patientinnen ins Krankenhaus zu bringen.
Umdenken im Gesundheitswesen

Es ist Zeit für ein Umdenken im Gesundheitswesen – weg von einem
Einzelkämpferinnen-Mindset hin zu einem Teamgedanken. Es muss
eine positive Fehlerkultur etabliert werden, um aus Fehlern zu
lernen und die Gesundheitsversorgung in Deutschland zu
verbessern. Der Fokus sollte weg von Macht und Profit und hin zum
Miteinander von Patient*innen und allen Gesundheitsberufen
verschoben werden. Nur so kann nachhaltig und innovativ etwas
verändert werden.



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