Dr. Johanna Ludwig: Warum ihre Vision für die digitale Versorgung Mut macht
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vor 2 Wochen
Dr. Johanna Ludwig ist Chirurgin,
Gesundheitssystem-Visionärin und leitet seit Kurzem die neue
Leiterin der Stabsstelle Versorgung bei der gematik. Nach
mehreren Jahren klinischer Tätigkeit – unter anderem im
Unfallbehandlungszentrum Berlin-Marzahn – absolvierte sie ein
Zusatzstudium in Oxford, das ihr die Bedeutung von
Prozessanalyse, Organisationsentwicklung und Digitalisierung im
Gesundheitswesen verdeutlichte. Sie verbindet medizinische
Expertise mit einem tiefen Verständnis für Versorgungsprozesse,
Lean Management und digitale Transformation. In ihrer neuen Rolle
bringt Dr. Johanna Ludwig Erfahrungen aus Klinik, Forschung,
Startup-Arbeit und internationaler Weiterbildung ein, um die
digitale Versorgung in Deutschland patientennah, alltagstauglich
und zukunftsfähig zu gestalten.
Ein ungewöhnlicher Weg: Von der Chirurgie zur Digitalstrategie
Zu Beginn berichtet Dr. Johanna Ludwig, wie
sie von der klassischen Chirurgie in eine Rolle wechselte, die es
ihr ermöglicht, Versorgung systemisch zu verbessern. Im
Klinikalltag wurde ihr immer wieder bewusst, wie viel Zeit
Ärztinnen und Ärzte mit Workarounds verbringen – mit Tätigkeiten,
die eigentlich nur dazu dienen, Lücken in Prozessen zu
überbrücken. Gerade diese täglichen Ineffizienzen weckten ihren
Wunsch, Strukturen zu verändern und Organisationen zu
modernisieren. Das Zusatzstudium in Oxford hat ihr dann gezeigt,
dass Wissen allein nicht ausreicht, sondern dass man sein Umfeld
aktiv gestalten muss, wenn man Versorgung verbessern will.
Digitalisierung und Weiterbildung gehören zusammen
Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Frage, weshalb
Digitalisierung oft nicht dort ankommt, wo sie eigentlich
benötigt wird. Dr. Johanna
Ludwig betont, dass digitale Lösungen nur
funktionieren, wenn sie in echte Arbeitsabläufe eingebettet sind
und wenn das Personal die Möglichkeit erhält, sich
weiterzubilden. Besonders die Verknüpfung aus digitaler Kompetenz
und strukturierter Weiterbildung hält sie für entscheidend. Ohne
diese Verbindung könne der große Hebel digitaler Technologien
nicht wirksam werden.
Die Rolle der neuen Stabstelle Versorgung bei der gematik
Viele Außenstehende unterschätzen die Größe und Komplexität der
gematik. Dr. Johanna Ludwig erklärt,
dass ihre Aufgabe als Leiterin der Stabstelle Versorgung darin
besteht, zwischen allen Akteuren zu vermitteln – von
Krankenhäusern über Ärztinnen und Ärzte bis hin zu
Industriepartnern und Selbstverwaltung. Es gehe nicht darum,
analoge Abläufe einfach zu digitalisieren, sondern
Digitalisierung so zu gestalten, dass sie die Versorgung
tatsächlich verbessert. Die Stabstelle soll dafür sorgen, dass
sowohl digital affine Praxen als auch kleine Landarztpraxen
gehört werden und dass digitale Lösungen echten Mehrwert bieten.
Warum digitale Lösungen häufig Frust auslösen
Anhand eines Beispiels aus dem NHS beschreibt Dr.
Johanna Ludwig, warum digitale Lösungen scheitern
können, wenn sie an der Realität vorbeigeplant werden. Eine
digitalisierte Überweisung hat zwar organisatorisch Sinn ergeben,
aber gleichzeitig wertvolle ärztliche Kommunikation eliminiert,
die zuvor nebenbei stattfand und für den Austausch zwischen
Hausärzten und Fachärzten essenziell war. Die Folge war Frust
statt Entlastung. Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist,
Digitalisierung aus Sicht der Anwenderinnen und Anwender zu
denken und die Funktionsweise der Versorgung genau zu
verstehen. johanna-inga
Fragmentierung, Ressourcenmangel und der Alltag der Kliniken
Ein weiterer Schwerpunkt ist die enorme Fragmentierung des
deutschen Gesundheitssystems. Viele unterschiedliche Systeme,
zahlreiche IT-Anbieter, regionale Unterschiede und finanzieller
Druck erschweren einheitliche digitale Lösungen. Dr.
Johanna Ludwig macht deutlich, dass Digitalisierung
gerade in diesem Umfeld ein enormer Hebel sein könnte, wenn sie
richtig umgesetzt wird. Sie sieht die Herausforderung darin, alle
Beteiligten wieder auf eine gemeinsame Vision einzuschwören und
den Fokus auf das gemeinsame Ziel zu richten: eine bessere
Versorgung für Patientinnen und Patienten.
Die elektronische Patientenakte: Ein großes Versprechen
Im Gespräch zeigt sich Dr. Johanna
Ludwig deutlich optimistischer als viele andere
Stimmen im System. Auf die Frage, wie groß das Potenzial der
elektronischen Patientenakte sei, gibt sie die höchste Bewertung.
Schon heute könne ein sauber geführter Medikationsplan Leben
retten. Zwar sei die ePA aktuell noch von PDFs geprägt und oft
unvollständig, doch allein die Bündelung wichtiger Informationen
bringe spürbare Erleichterungen. Ihr Ziel ist es, dass Ärztinnen
und Ärzte künftig sagen: „Dieses digitale Tool erleichtert meinen
Alltag wirklich.“
Weiterbildung im KI-Zeitalter – und warum Deutschland aufholen
muss
Ein großer Teil des Gesprächs dreht sich um die Zukunft der
medizinischen Weiterbildung. Dr. Johanna Ludwig erläutert, dass
Weiterbildung Zeit und Geld kostet, in Kliniken aber oft als
Belastung wahrgenommen wird. Logbücher werden häufig ausgefüllt,
ohne dass die Inhalte wirklich vermittelt wurden. International,
etwa in Kanada, sei man deutlich weiter und arbeite seit vielen
Jahren mit kompetenzbasierten Modellen. Angesichts der rasanten
Entwicklungen in KI und Entscheidungsunterstützungssystemen müsse
sich das Rollenbild von Ärztinnen und Ärzten verändern. In
Zukunft brauche es nicht nur Fachwissen, sondern besonders
Fähigkeiten wie Kommunikation, Teamarbeit und Patientenführung.
Was nötig ist, damit der Kulturwandel gelingt
Dr. Johanna Ludwig betont, dass es eine
klare Vision braucht – ähnlich wie in einem Startup. Systeme und
Weiterbildungsstrukturen müssen so gestaltet werden, dass sie
gute Praxis unterstützen statt behindern. Im Mittelpunkt steht
für sie der Mensch: Pflegende und Ärztinnen sollen Zeit für
Patientinnen und Patienten haben, statt mit redundanten
Dokumentationen oder fehlerhaften IT-Systemen kämpfen zu müssen.
Nur wenn digitale Lösungen den Arbeitsalltag wirklich
erleichtern, kann eine positive digitale Kultur entstehen.
Persönliches Ziel: Die erste wirklich geliebte digitale Lösung
Zum Ende definiert Dr. Johanna
Ludwig ein persönliches Ziel: Sie möchte, dass es
künftig mindestens ein digitales Produkt gibt, über das Ärztinnen
und Ärzte sagen: „Das ist wirklich gut.“ Dieser Satz wäre für sie
ein Zeichen dafür, dass Digitalisierung nicht mehr als Belastung,
sondern als echte Verbesserung wahrgenommen wird. Ebenso wünscht
sie sich, dass ihr Buch über Wege aus der Klinik irgendwann nicht
mehr gebraucht wird, weil Menschen im Gesundheitssystem wieder
das Gefühl haben, etwas bewegen zu können, ohne
auszubrennen.
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Bergen & Larissa Middendorf findet ihr auf
www.visionaere-gesundheit.de Mehr von uns gibt es auch in
unserem englischsprachigen Podcast „Visionaries of
Health“ denn ihr auf allen gängigen Podcastplattformen
findet.
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