Dr. Ebru Yildiz über interkulturelle Medizin, Organspende und Kommunikation auf Augenhöhe
Dr. Ebru Yildiz ist eine der profiliertesten Stimmen für
interkulturelle Kommunikation im deutschen Gesundheitswesen. Sie
ist Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie und leitet das
Transplantationszentrum der Universitätsmedizin Essen.
45 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 4 Wochen
Dr. Ebru Yildiz ist eine der profiliertesten Stimmen für
interkulturelle Kommunikation im deutschen Gesundheitswesen. Sie
ist Fachärztin für Innere Medizin und Nephrologie und leitet das
Transplantationszentrum der Universitätsmedizin Essen. Zusätzlich
engagiert sie sich als Mentorin für Frauen im Gesundheitswesen.
Was sie besonders auszeichnet: Sie hat ihre Karriere in der
Pflege begonnen – ein Weg, der sie gelehrt hat, Medizin aus
unterschiedlichen Blickwinkeln zu sehen. In dieser Podcastfolge
spricht sie mit Inga Bergen über strukturelle Barrieren, Chancen
für mehr Vertrauen in der medizinischen Versorgung und den
Unterschied zwischen „medizinisch versorgen“ und „gesund leben
lassen“.
Der Weg vom Pflegeberuf zur ärztlichen Leitung
Dr. Ebru Yildiz beginnt ihre berufliche Laufbahn in der Pflege,
während sie parallel ihr Medizinstudium abschließt. Diese
Erfahrung prägt ihren heutigen Führungsstil und ihr Verständnis
für Teamarbeit im Klinikalltag. Sie weiß, wie es ist, auf der
Seite der Assistenz zu stehen – und erkennt die strukturellen
Hürden, denen sich insbesondere Frauen mit Migrationshintergrund
stellen müssen. Diese Perspektive macht sie zu einer
Fürsprecherin für mehr Durchlässigkeit in der Gesundheitsbranche.
Warum Kommunikation der Schlüssel ist – und oft scheitert
Ein zentrales Thema im Gespräch ist die Rolle der Kommunikation
zwischen Ärzt:innen und Patient:innen. Dr. Ebru Yildiz macht
deutlich, dass viele Missverständnisse im klinischen Alltag nicht
medizinischen, sondern kulturellen Ursprungs sind. Sprache sei
dabei nur ein Aspekt – viele Patient:innen verstünden
beispielsweise das Konzept von Organspende nicht oder hätten
kulturell geprägte Vorstellungen von Tod, Körper und Familie, die
mit dem medizinischen System kollidieren. Sie fordert daher ein
systematisches Training in kultursensibler Kommunikation – für
alle Berufsgruppen im Gesundheitswesen.
Organspende: Wenn Vertrauen fehlt, hilft keine Aufklärung
Als Leiterin eines Transplantationszentrums erlebt Dr. Ebru
Yildiz täglich, wie schwierig es ist, über Organspende zu
sprechen – insbesondere in Familien mit Migrationsgeschichte.
Nicht, weil diese ablehnend wären, sondern weil Vertrauen fehle.
Wer schlechte Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht habe
oder sich nicht gesehen fühle, wird sich schwer tun,
Entscheidungen zu treffen, die so tief ins eigene Leben und in
den Körper eingreifen. Sie plädiert für mehr kulturelle
Übersetzungsarbeit, um Ängste abzubauen und Räume für echte
Gespräche zu schaffen.
Warum sie für „gesunde Lebensjahre“ kämpft – nicht nur für
medizinische Versorgung
Dr. Ebru Yildiz unterscheidet klar zwischen Medizin und
Gesundheit. Während das medizinische System häufig auf Krankheit
reagiere, brauche es einen Paradigmenwechsel hin zur Förderung
gesunder Lebensjahre. Dabei gehe es nicht nur um Prävention,
sondern auch um gesellschaftliche Teilhabe, Bildung, Ernährung
und Arbeitsbedingungen – also um die sozialen Determinanten von
Gesundheit. Besonders betroffen von ungerechten
Gesundheitschancen seien Frauen, Menschen mit niedrigem
sozioökonomischen Status und jene mit Migrationsgeschichte.
Vertrauen, Haltung und Kommunikation auf
Augenhöhe
Dr. Ebru Yildiz betont im Gespräch mehrfach, dass Vertrauen die
wichtigste Währung in der Medizin ist – besonders bei sensiblen
Themen wie Organspende, Transplantation oder chronischer
Erkrankung. Sie schildert, wie entscheidend es ist, Patient*innen
auf Augenhöhe zu begegnen und eine Sprache zu finden, die nicht
ausgrenzt, sondern einbindet. Dabei geht es ihr nicht nur um
sprachliche Barrieren, sondern auch um kulturelle, soziale und
emotionale Unterschiede. Als Beispiel nennt sie, wie auch
gesundheitliche Kommunikation über Social Media neue Wege geht –
und verweist auf Formate wie „Fit Dad Hendrik“, die
niedrigschwellig Wissen vermitteln und dabei diverse Zielgruppen
erreichen. Solche Initiativen zeigen, wie moderne
Gesundheitskommunikation auch außerhalb klassischer medizinischer
Kontexte funktionieren kann – nahbar, authentisch und lebensnah.
Interkulturelle Medizin ist mehr als Diversity-Tag
Gegen Ende des Gesprächs warnt Dr. Ebru Yildiz vor
oberflächlichen Diversity-Initiativen. Für sie ist
interkulturelle Medizin keine PR-Maßnahme, sondern ein
struktureller Umbau: medizinische Versorgung muss konsequent auf
die Bedürfnisse einer vielfältigen Gesellschaft ausgerichtet
werden. Das heißt: Dolmetscherstrukturen, mehrsprachige
Aufklärung, divers zusammengesetzte Teams und
Entscheidungsfindung, die kulturelle Konzepte mitdenkt. Nur so
könne Vertrauen entstehen – und echte Wirksamkeit.
Unterschied von Herkunft und Haltung
Im gesamten Gespräch wird deutlich: Für Dr. Ebru Yildiz bedeutet
interkulturelle Medizin nicht, Menschen nach ihrer Herkunft zu
sortieren. Vielmehr gehe es darum, Haltung zu zeigen – eine
Haltung, die offen, lernbereit und respektvoll ist. Medizin darf
nicht nach Schema F funktionieren, sondern muss individuell und
kontextsensibel sein.
Ebru Yildiz fordert: Mehr Menschlichkeit, mehr Struktur, mehr
Verständnis
Diese Podcastfolge mit Dr. Ebru Yildiz zeigt eindrücklich, wie
wichtig kulturelle Kompetenz im Gesundheitswesen ist – und dass
es nicht reicht, Wissen zu vermitteln. Es braucht Haltung,
strukturelle Veränderungen und eine Medizin, die Kommunikation
und Vertrauen in den Mittelpunkt stellt. Wer mehr über
Organspende, interkulturelle Kommunikation,
Gesundheitsgerechtigkeit und den persönlichen Weg einer
beeindruckenden Ärztin erfahren möchte, sollte unbedingt
reinhören.
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Organspende und Kommunikation auf Augenhöhe erschien zuerst auf
Visionäre der Gesundheit.
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